Großbaustelle

Warum die Bahn sich bei der Riedbahn-Sanierung im Formel-1-Modus sieht

Am 15. Juli beginnt die Sanierung der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt. Umleitungsstrecken und ein Schienenersatzverkehr sind die Alternative. So will die Deutsche Bahn den Zeitplan einhalten

Von 
Stefanie Ball
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Innerhalb von nur fünf Monaten soll die Riedbahn generalüberholt werden. Das Projekt soll Blaupause für weitere Streckensanierungen sein. © dpa

Mannheim. Wolfgang Weinhold hat ein bisschen Lampenfieber, freut sich aber auch, dass es endlich losgeht: die Generalsanierung der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt. Fünf Monate lang, vom 15. Juli bis 14. Dezember, wird die Bahnstrecke gesperrt, um Schienen, Weichen, Signale, Stellwerke, Oberleitungen, Lärmschutzwände, Bahnsteige zu renovieren, auszutauschen, neu zu bauen. Ein Mammutprojekt, aber alternativlos, wie der Programmleiter Generalsanierung bei der Deutschen Bahn (DB) während einer Pressefahrt am Donnerstag erläutert.

Medienvertreter aus ganz Deutschland sind bei der dreistündigen Busreise dabei, um zu hören und vor allem zu sehen, wie es beim Großprojekt - Kostenpunkt: 1,3 Milliarden Euro - kurz vor dem Startschuss aussieht.

„Wir machen Dinge, die wir längst hätten machen müssen, und wir machen Dinge, die in der Zukunft fällig werden“, sagt Weinhold. Statt mal da, mal dort zu sanieren, soll bei dem rund 70 Kilometer langen Streckenabschnitt alles auf einen Schlag erledigt werden. „Dann ist Ruhe“, so Weinhold.

Riedbahnsanierung: 20 Bahnhöfe zwischen Mannheim und Frankfurt werden renoviert

Die Riedbahnsanierung gilt dabei als Pilotprojekt, dem weitere folgen sollen. Insgesamt 4000 Kilometer Trasse sollen oder vielmehr müssen in den kommenden Jahren auf Vordermann gebracht werden. Die Planungen für die Strecke Hamburg-Berlin laufen gerade, dort soll ein mehr als 200 Kilometer langer Streckenabschnitt ebenfalls in einem Rutsch saniert werden. Weinhold vergleicht das mit der Formel 1: „Statt einen Reifen am Auto in zehn Minuten zu wechseln, werden die vier Räder von 20 Leuten gleichzeitig in Sekunden ausgetauscht.“

20 reichen für die Riedbahnsanierung natürlich nicht aus. „Zwischen 2000 und 2500 Menschen werden auf der Großbaustelle beschäftigt sein“, sagt Julian Fassing, als Projektleiter für die Generalsanierung vor Ort verantwortlich. Gearbeitet wird mehr oder weniger rund um die Uhr, nur nachts wird es eine vierstündige Pause geben, damit die Güterzüge weiter den Gernsheimer Hafen sowie die Standorte von BASF und Merck entlang der Strecke erreichen können.

Herr des Verfahrens auf der baldigen Großbaustelle Riedbahn: Julian Fassing. Er ist Projektleiter der Generalsanierung. © Stefanie Ball

Neben den großen Eisenbahnergewerken wie Gleisen und Weichen, Stellwerktechnik und Oberleitung werden hunderte Lieferanten an der Sanierung beteiligt sein. Das wichtigste Instrument von Fassing: der Bauablaufplan. Der legt fest, wer wann und wo im Einsatz ist. Viele Materialien werden entlang der Strecke gebunkert.

Anderes, etwa Weichen, die im DB-eigenen Werk in Witten produziert wurden und derzeit in Karlsruhe zwischenlagern, werden antransportiert, sobald sie benötigt werden. Das soll die Effizienz der Abläufe erhöhen.

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Die Zahlen, die Fassing aus dem Ärmel schüttelt, klingen beeindruckend: 117 Kilometer Gleise sowie 152 Weichen werden erneuert, 380 000 Tonnen Schotter werden ausgetauscht, 230 000 neue Schwellen verlegt. 20 Bahnhöfe werden renoviert, sie sollen zu „Zukunftsbahnhöfen“ werden, mit neuer Beleuchtung und modernisierten Bahnsteigdächern, mit Rampen und Aufzügen, mit Wegeleitsystemen und hellen Unterführungen.

Während Riedbahnsanierung: Schienenersatzverkehr zwischen Mannheim und Frankfurt

Das Nachsehen während der Bauphase haben die Bahnreisenden, vor allem die Pendler; betroffen sind laut Deutscher Bahn rund 16 000 Fahrgäste, die täglich die Riedbahn im Regionalverkehr nutzen. Denn die Alternative heißt: Schienenersatzverkehr. Kein schönes Wort - das weiß auch Felix Thielmann, DB-Programmleiter für den Ersatzverkehr. So ist er am Donnerstag während der Presseausfahrt bemüht, Werbung für den Umstieg in den Bus zu machen. Denn: „Beim regulären Schienenersatzverkehr verlieren wir 49 Prozent der Fahrgäste.“


Während der Riedbahnsperrung werden jedoch nicht irgendwelche Busse zwischen Mannheim und Frankfurt sowie den anderen Orten entlang der Route verkehren, sondern brandneue, die die Bahn eigens angeschafft hat. 150 Busse sind im Einsatz, zu erkennen an ihrer purpurnen Farbe. Mit bis zu 1000 Fahrten pro Tag rechnet die Bahn, der Takt liegt zwischen fünf und 15 Minuten.

Die größte Herausforderung war, Menschen zu finden, die die Busse fahren. „Wir haben europaweit gesucht“, erklärt Thielmann. Türkei, Griechenland, Kroatien, aus 14 Ländern wurden Fahrer rekrutiert, und damit die auch bleiben, haben sie unbefristete Verträge erhalten, teilweise auch Wohnungen und werden von Integrationsmanagern betreut.

Riedbahnsanierung soll bis Dezember 24 abgeschlossen sein - doch was, wenn nicht?

„Wir wollen die Menschen bei Laune und die Fluktuation so gering wie möglich halten.“ Ist die Riedbahn generalüberholt, werden Busse und Fahrer anderswo eingesetzt, die Busse im regulären Schienenersatzverkehr, die Fahrer im regionalen Busverkehr der Bahn.

Mehr als 150 Busse hat die Deutsche Bahn eigens für den Schienenersatzverkehr entlang der Riedbahn angeschafft. Zu erkennen sind sie an der purpurnen Farbe. © Stefanie Ball

Dass die Busse womöglich nicht immer ausgelastet sein werden, damit kann Thielmann leben. „Wir wollten verhindern, dass 400 Menschen an der Haltestelle stehen und es gibt nur einen Bus.“ Um die besonders betroffenen Pendlergemeinden bei dem Großprojekt mitzunehmen, hat die Bahn im Übrigen mit Lärmschutz gelockt. Der existiert nämlich nicht in allen Gemeinden, im Rahmen der Sanierung werden nun insgesamt 15 Kilometer Lärmschutzwände gebaut.

Was ist, wenn Mitte Dezember doch nicht alles fertig ist? Wolfgang Weinhold sagt: „Das ist unwahrscheinlich.“ Und wenn doch? Dann werde die ein oder andere Weiche eben nicht ausgewechselt. „Oder wir führen das Verkehrskonzept weiter.“ Heißt: Die Sperrung verlängert sich.

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