Darmstadt/Mannheim. Es ist ein beeindruckendes Bild, das sich auf dem Messplatz in Darmstadt bietet: Etwa 100 fabrikneue, purpurfarbene Überland- und Gelenkbusse mit der weißen Aufschrift „Ersatzverkehr“ stehen dort akkurat aufgereiht - und warten auf ihren Einsatz. Hier hat die Deutsche Bahn (DB) etwa zwei Drittel ihrer Busflotte geparkt, mit der das Verkehrsunternehmen ab 15. Juli fünf Monate lang den Schienenersatzverkehr zwischen Mannheim und Frankfurt stemmen will, wenn die Riedbahn für die Generalsanierung gesperrt wird.
Dabei sind noch nicht einmal alle Fahrzeuge zu sehen. 150 Busse hat die Bahn angeschafft. Die, die nicht auf dem großen Platz abgestellt sind, sind bereits zwischen beiden Großstädten zu Schulungszwecken unterwegs. Mit der Präsentation der Busse für die Medien am Mittwoch will die Bahn deutlich machen: Es kann losgehen. „Wir sind bereit, wir sind startklar“, betont Evelyn Palla, DB-Vorständin für den Regionalverkehr. „Alle Busse sind da, wir haben alle Fahrer - das Team ist bereit.“
Insbesondere an der Rekrutierung des Fahrpersonals hatten Außenstehende große Zweifel. Um den Ersatzverkehr für etwa 15 000 Fahrgäste täglich mit rund 1000 Fahrten im Fünf- bis 15-Minutentakt anbieten zu können, benötigt die Bahn 400 Busfahrer. In monatelanger Suche im In- und dem europäischen Ausland hat die Bahn das Personal rekrutiert. „Das war nicht einfach in Zeiten des Personalmangels“, gesteht Palla und betont, dass anderen Busunternehmen keine Fahrer abgeworben wurden und es sich um zusätzliche Kräfte handle: „Wir entziehen der Branche keine Fahrer, wir führen ihr Fahrer zu.“
Fahrpersonal soll nach Ende des Ersatzverkehrs an Bord bleiben
Die Suche nach Fahrpersonal sei eine der größten Herausforderungen gewesen, bestätigt Arne Schneemann, Vorstand von DB Regio Straße. „Wir haben alle Register gezogen.“ Damit die Rekrutierung nicht zu einer Belastung für den Bestandsverkehr wird - die Bahn betreibt über ihre regionalen Verkehrsunternehmen etwa 10 000 Busse täglich - wurde die Personalsuche unter den sechs regionalen Busgesellschaften aufgeteilt. Deshalb haben die Busse verschiedene Kennzeichen: Mainz, Ulm, Nürnberg, Düsseldorf, Berlin und Schwäbisch-Hall.
Das passiert bei der Riedbahnsanierung
- Während der Generalsanierung der Riedbahn tauscht die DB auf der Strecke Frankfurt/Main–Mannheim 1.200 Elemente der Leit- und Sicherungstechnik komplett aus, erneuert 152 Weichen, 117 Kilometer Gleise, 4 Bahnübergänge, 140 Kilometer Oberleitung und mehr als 10 Kilometer Lärmschutzwände.
- Außerdem entstehen drei neue Überholmöglichkeiten für Züge (Überleitstellen), die mehr Kapazität auf der Strecke schaffen.
- Entlang der Strecke erhalten 20 Bahnhöfe u.a. moderne Bahnsteigdächer, Wetterschutzhäuser, neue Wegeleitsysteme und Unterführungen, neue Beleuchtung sowie Rampen für den barrierefreien Zugang.
Nach dem Ende des Ersatzverkehrs auf der Riedbahn sollen die Fahrer an Bord bleiben und bundesweit eingesetzt werden. „Wenn wir die Fahrer haben, wollen wir sie auch halten“, so Schneemann. Dafür müsse man attraktive Arbeitsbedingungen bieten. Das beginne bei der Ausstattung der Fahrerkabine in den Bussen, mit Sitzheizung und -lüftung, modernster Navigationssoftware und einem kleinen Kühlfach für Getränke.
Die Bahn unterstützt die Fahrerinnen und Fahrer, die aus 14 europäischen Ländern - vor allem Polen, Spanien und Kroatien - stammen, bei Sprachkursen und der Suche nach einer Wohnung. Integrationsmanager empfangen die neuen Mitarbeiter an Flughafen oder Bahnhof und begleiten sie zu Behörden oder helfen im Alltag. Die Bahn stellt in der Nähe des Einsatzorts ebenfalls Wohnraum zur Verfügung.
Sprachbarrieren mit den Fahrgästen sollen weitgehend ausbleiben, weil die Bahn bei der Information der Kunden auf große Displays in den Bussen mit Echtzeitdaten setzt. Über Info-Stelen sollen Angaben zu den Abfahrten und Anschlüssen auch an den Haltestellen abgelesen werden können. An größeren Standorten werde Personal bei Fragen weiterhelfen. Und zur Sicherheit hat die Bahn die häufigsten Fahrgastfragen in 14 Sprachen übersetzt.
Schneemann verspricht: „Unsere Fahrer sind alle bestens ausgerüstet und qualifiziert.“ Gegenüber dem Probelauf bei der Riedbahnsperrung im Januar seien die Schulung und die Streckenkunde verbessert worden. Damals berichteten Fahrgäste von Sprachbarrieren und davon, dass sich Fahrer zum Teil verfahren hätten. Nach Angaben von Evelyn Palla haben 80 Prozent der Fahrgäste den Ersatzverkehr damals mit der Schulnote 1 oder 2 bewertet.
Beim Ersatzverkehr werde es immer zu Einschränkungen kommen, gesteht Schneemann, aber: „Wir wollen die Einschränkungen so klein wie möglich halten, so dass niemand auf das Auto umsteigen muss.“ Die Fahrgäste werden in den Genuss nagelneuer Fahrzeuge kommen. Gebaut hat sie Hersteller MAN, die Bahn setzt drei Typen ein. Etwa die Hälfte sind 18 Meter lange Gelenkbusse mit 148 Plätzen, davon 47 Sitzplätzen. Die andere Hälfte der Flotte besteht aus 13 Meter langen Überlandbussen mit 77 Plätzen, darunter 43 Sitzplätzen. Sie verfügen über Leseleuchten und Lüftungsdüsen über den Sitzplätzen. 26 dieser Busse sind mit einem WC ausgestattet. Alle Bus-Varianten sind barrierefrei, klimatisiert, videoüberwacht und haben Ablagefächer für Gepäck, WLAN und USB-A- und -C-Ladebuchsen.
Auf allen Sitzplätzen können Fahrgäste sich anschnallen
Die Fahrzeuge sind sehr hell gestaltet, unter anderem ist in den Gelenkbussen der Faltenbalg transparent, um viel Licht hereinzulassen. Die Sitze sind mit dunklen Stoffen und Kunststoff am Kopfteil bezogen und haben verstellbare Armlehnen. Obwohl es keine Anschnallpflicht gibt, ist an allen Sitzplätzen ein Dreipunkt-Sicherheitsgurt montiert. Fahrgäste sollen sich so sicher wie in einem Pkw fühlen, heißt es von der Bahn. Eine Besonderheit in den Gelenkbussen sind spezielle Gurtumlenker, damit auch Kinder sich gut anschnallen können.
„Die Busse fahren sich sehr gut“, berichtet Fahrer Marco Feid. „Besonders der Abbiegeassistent ist eine enorme Erleichterung, man sieht Fußgänger und Radfahrer besser.“ Der junge Mann aus Worms war bereits beim Ersatzverkehr im Januar im Einsatz. „Mich reizt die Aufgabe, denn ich fahre nicht nur Fahrgäste, sondern mache auch Werkstattfahrten und bin Ansprechpartner für die Fahrer.“ Besonders freue er sich auf die Fahrten rund um Worms und Mannheim: „Man sieht gelegentlich bekannte Gesichter aus der Schulzeit.“ Elma Midzic, eine junge Frau aus Kroatien, freut sich ebenfalls auf ihren Einsatz: „Ich habe nette Kollegen, die bei Fragen weiterhelfen.“ Sie hat ihren Busführerschein in Kroatien gemacht, eine Bekannte hat ihr von der Jobsuche der Bahn erzählt.
Der Messplatz in Darmstadt wird zum Dreh- und Angelpunkt des Ersatzverkehrs, doch nicht alle Fahrzeuge werden dort geparkt. In den verbleibenden gut sechs Wochen bis zum Start werden die Abläufe nochmals geprobt. In den ersten Julitagen ist ein viertägiger Testbetrieb des Konzepts geplant. Anders als im Januar, als die Bahn ihre Flotte und Fahrer noch nicht komplett und auf Subunternehmer gesetzt hatte, führt sie den Ersatzverkehr nun in Eigenregie durch. Dafür hat sie auch eine Reserve an Fahrzeugen und Fahrern geschaffen.
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