Mannheim. Eigentlich wollte der Mannheimer Bahnkunde am vorvergangenen Samstag mit einem IC von Mannheim nach Köln reisen. Abfahrt 10.39 Uhr am Hauptbahnhof. Die Route führte über die Riedbahn zunächst nach Frankfurt. Im Südhessischen war aber schon Schluss.
Durch Bürstadt und Biblis schlich der Schnellzug noch, in Gernsheim war ganz Schluss. Kabeldiebe hatten zugeschlagen. Auf der Strecke ging erstmal nichts mehr. Nach einer halben Stunde Aufenthalt rollte der IC dann wieder zurück nach Mannheim. Um 12.30 Uhr war er wieder am Ausgangspunkt zurück. Das ist kein Einzelfall, wie eine Sprecherin der Bahn bestätigt. Kabelklau ist ein handfestes Problem für die Bahn.
Region Rhein-Neckar immer wieder von Kabelklau betroffen
Auch die Region ist immer wieder betroffen. So legten unbekannte Übeltäter Ende letzten Jahres die Riedbahn zwischen Mannheim Waldhof und Lampertheim über Weihnachten mehrere Tage lahm. Sie hatten mehrere Kilometer (!) Kupferkabel abtransportiert. Wegen Bauarbeiten habe der Schacht offen gestanden, berichtete die Bahn damals. Dazu klauten die Diebe mehrere Hundert Meter Kabel, die die Bahn für die Leit- und Sicherungstechnik benötigt.
Im vergangenen Februar schlugen Kabeldiebe erneut entlang der Riedbahn zwischen Mannheim und Lampertheim zu. Auch hier kam es zu massiven Beeinträchtigungen im Nah- und Fernverkehr. Und zuletzt machten Diebe in der Nähe des Ludwigshafener Hauptbahnhofs tonnenschwere Beute, sorgten dafür, dass tagelang zwischen Ludwigshafen und Schifferstadt nichts ging - unabhängig von den großen Personalproblemen im Ludwigshafener Stellwerk.
Bundesweit etwa 450 Fälle von Metalldiebstahl
Im vergangenen Jahr verzeichnete das Unternehmen 450 Fälle von Metalldiebstahl, etwas mehr als im Vorjahr, wie die Sprecherin ausführt. Im langjährigen Vergleich seien die Fallzahlen jedoch stark rückläufig. 2013 beispielsweise verzeichneten Bahn und Bundespolizei noch etwa 3200 Fälle. Aber selbst die zuletzt 450 Diebstähle bescherten den Bahnkunden im vergangenen Jahr rund 40 000 Verspätungsminuten. Betroffen waren rund 3200 Züge.
Den Schaden beziffert die Bahn für das Jahr 2023 auf rund sieben Millionen Euro. Das ist allerdings nur die materielle Seite. Nicht eingerechnet in diese Summe sind die Reparaturkosten, die zusätzlich benötigten Züge, Überstunden der Mitarbeitenden, Ersatzbusse und Entschädigungsforderungen der Fahrgäste. Das alles sei auch nicht eben förderlich für das Image der Bahn.
Immerhin: Für die Fahrgäste besteht keine Gefahr: Wird ein Signalkabel durchtrennt, schalten alle Signale auf Rot. Dann geht nichts mehr auf dem betroffenen Streckenabschnitt.
Der Grund für den Kabelklau liegt auf der Hand: Die Rohstoffpreise sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich angestiegen. Die höheren Marktpreise locken dementsprechend auch mehr Metalldiebe an. Begehrt sind vor allem wertvolle Metalle, die sich gut zu Geld machen lassen - Kupfer, Aluminium, Bronze.
Oft sind Profis am Werk, beschreibt die Bahnsprecherin. Die Übeltäter rückten zum Teil mit Lastwagen und Kran an. Im Zweifel fällt dieser auffällige Diebstahl gar nicht auf. Unbeteiligte Passanten halten das für offizielle Reparaturarbeiten. Die Hehlerware wird danach ins Ausland geschafft und dort verkauft. Kleinkriminelle versuchen, ihre deutlich weniger umfangreiche Beute im regionalen Schrotthandel loszuwerden. Das kriminelle Geschäft ist auch höchst gefährlich. Die elektrifizierten Strecken stehen unter Höchstspannung. In der Oberleitung fließen 15 000 Volt. Wer dort dranpackt, überlebt das nicht.
Künstliche DNA macht gestohlene Teile erkennbar
Die Bahn ist den Metalldieben auch keineswegs hilflos ausgeliefert. Gemeinsam mit dem Verband Deutscher Metallhändler hat sie eine spezielle Zertifizierung initiiert. Mit ihr lassen sich gestohlene, bahntypische Teile besser erkennen und beim Ankauf vom Fachmann zuverlässiger prüfen. Besonders erfolgreich verhindert UV-Licht den Metalldiebstahl: Dank einer aufgetragenen künstlichen DNA kann gestohlenes Material eindeutig identifiziert werden.
Dazu sprüht die Bahn eine für Kriminelle unsichtbare Flüssigkeit mit einem DNA-Code auf. Mit UV-Licht wird diese DNA sichtbar: Unter einem Mikroskop ist dann ein holografisches DB-Logo erkennbar. Ein zweiter Code verrät, wo das Material gestohlen wurde. Versuchen die Metalldiebe, die Markierung zu entfernen, indem sie die Metallteile zersägen oder Kabelmäntel entfernen, landet das DNA-Material auf Werkzeugen, Kleidung und Händen. Mit ultraviolettem Licht ist der Beweis für den Diebstahl schnell erbracht. Das erhöht das Risiko erwischt zu werden. Die Strategie zeigt Erfolge: Mittlerweile geht jeder fünfte Fall der Polizei oder den Sicherheitskräften der Bahn ins Netz.
Mitarbeiter von Bahn und Bundespolizei legen sich auf die Lauer
Wer überführt wird, muss nicht nur mit Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren rechnen. Es kann auch teuer werden: Neben dem Materialwert fordert die Bahn nämlich auch die Kosten zurück, die durch die Einschränkungen im Zugverkehr entstehen. Bei Metallteilen im Wert von 100 Euro können so schnell mehrere 100 000 Euro Schadenersatzforderungen zusammenkommen.
Ab Juli wird die Riedbahn zur Großbaustelle und damit zum auch für Diebe attraktiven riesigen Materiallager. Allerdings weiß die Bahn um die kriminellen Begehrlichkeiten. Speziell geschulte Mitarbeiter von Bahn und Bundespolizei legten sich an bekannten Hotspots - oft nächtelang - auf die Lauer, um Täter auf frischer Tat zu ertappen, erläutert die Bahnsprecherin. Dabei nutzen die Fahnder Wärmebildkameras, Nachtsichtgeräte und mobile Videotechnik.
Die Investition in die Sicherheit der Infrastruktur ist der Bahn eine eigene Einstellungsoffensive wert: Bis 2025 stellt sie 500 zusätzliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein.
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