Heidelberg. Herr Küppers, was macht eine gute Geschäftsidee aus?
Bernhard Küppers: Gute Ideen entspringen aus dem Alltäglichen. Wenn jemand feststellt, dass irgendwo etwas fehlt. Kennen Sie zum Beispiel den Scheibenwischerschneider?
Nein.
Küppers: Er macht Scheibenwischer am Auto durch präzises Nachschneiden wiederverwendbar. Das schont die Umwelt. Ein kleiner, nützlicher Einfall.
Wieder etwas gelernt. Warum ist das Gründen von Unternehmen eigentlich so wichtig?
Küppers: Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln sich ständig weiter, dafür braucht es einen Nährboden. Vieles lässt sich nun einmal nicht in bestehenden Strukturen realisieren – es braucht einen Neuanfang, ein neues Unternehmen. Ganz wichtig: Ideen müssen freigelassen werden. Bei zu engem Rahmen ersticken sie gleich am Anfang.
Hat die Bereitschaft zum Gründen durch Corona gelitten?
Küppers: Ganz im Gegenteil! Wir haben einen wesentlich stärkeren Zulauf bekommen. Das mag auch daran liegen, dass andere Anlaufstellen für Jungunternehmer während der Pandemie „abgetaucht“ sind. Grundsätzlich sind es Start-ups allerdings gewohnt, sich ihren eigenen, unkonventionellen Weg zu suchen. Kreativität ist dabei das eine, Resilienz – also die Fähigkeit, Krisen standzuhalten – das andere.
Gebürtiger Rheinländer
Bernhard Küppers, 55 Jahre alt, stammt aus Aachen (Nordrhein-Westfalen) und lebt seit 1997 in Heidelberg.
Er ist Professor für Entrepreneurship (Unternehmertum) an der SRH Fernhochschule – The Mobile University in Riedlingen (Landkreis Biberach) und leitet seit 2018 das Gründerinstitut der SRH Hochschule in Heidelberg.
Von 1997 bis 2011 war Küppers im Top-Management des Wieslocher Finanzdienstleisters MLP.
Israel gilt als Traumland für Start-ups. Was ist dort besser als bei uns?
Küppers: Israel macht die Dinge nicht unbedingt besser, aber anders. Die Menschen bekommen ein anderes Verhältnis zum Risiko in die Wiege gelegt. Es wird mehr ausprobiert. Der Gründergeist ist einfach groß. Trotzdem sage ich: Die Rahmenbedingungen für Gründer sind in Deutschland weltweit mit die besten.
Das müssen Sie erklären.
Küppers: Um erfolgreich zu gründen, kommt es auf weitere Dinge an. Auf die Rechtssicherheit eines Landes zum Beispiel oder auf die Verfügbarkeit von Fördermitteln – hier ist Deutschland top. An der SRH mit Gründer-Institut und Mobile University beispielsweise können Gründer nutzbringend ihr Projekt in ein Master-Studium integrieren.
Berlin gilt als hip für Start-ups. Hat die Region Rhein-Neckar dagegen überhaupt eine Chance?
Küppers: In der Szene sagt man sich: Wenn du gründen möchtest und Spaß haben willst, gehe nach Berlin. Wenn du erfolgreich sein willst, gehe nach München – oder in die Region Rhein-Neckar. Denn die Nähe zu Industrie und Wertschöpfung ist eine ganz andere. Interessantes Detail dazu: Das Gründer-Institut der SRH gehört bei Förderanträgen wie etwa dem Exist-Gründerstipendium bundesweit zur Spitze.
Über die Region sind zig Gründerzentren verschiedener Träger verstreut. Wäre ein einziges Gründerzentrum Rhein-Neckar nicht sinnvoller?
Küppers: In der Tendenz sage ich Ja. Es wird mittlerweile viel Zeit investiert, um die einzelnen Netzwerke zu koordinieren. Das frisst Ressourcen. Aber machen wir uns nichts vor: Es ist viel Politik dabei. Jede Stadt beziehungsweise jeder Standort verfolgt natürlich eigene Interessen.
Woran scheitern Start-ups am meisten?
Küppers: Oft ist die Idee nicht zu Ende gedacht. Um auf den Scheibenwischerschneider zurückzukommen: Was ist mein Markt? Und wie bringe ich etwas auf den Markt, das noch keiner kennt? Der Vertrieb wird oft unterschätzt. Zudem gilt es, den richtigen Ansprechpartner zu finden. Wer tut mir gut? Wer kann mir wirklich helfen? Übrigens schweißen Krisen junge Teams eher zusammen. Die Zerreißprobe beginnt mit dem Erfolg des Unternehmens. Dann will jeder mehr dafür verantwortlich sein als der andere.
Welches Produkt würden Sie gerne mal auf den Markt bringen?
Küppers: Weniger ein Produkt – ich würde lieber die Kultur der Gründerinstitute weiterentwickeln wollen. Es gibt viele Berater, die mit ihrer Expertise leider so fernab von Gründern sind, dass viele Dinge schon von vornherein blockiert werden. Klar müssen Gründer nicht unbedingt von Gründern beraten werden. Aber es ergibt schon Sinn, wenn es „Gründertypen“ sind statt Berater, die selbst noch nie in der freien Wirtschaft gearbeitet haben.
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