Bäcker-Imperium

Peter Görtz: „Es gibt nur gute oder schlechte Bäcker“

Geschäftsführer Peter Görtz erklärt, warum Bäcker Görtz in einer schwierigen Branche so erfolgreich ist, der Einstieg des norwegischen Investors FSN ein guter Schritt war – und warum Bürgermeister oft bei ihm anrufen

Von 
Bettina Eschbacher
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Peter Görtz in der Filiale, die sich auf dem Gelände der Ludwigshafener Zentrale befindet. © Thomas Tröster

Ludwigshafen. Herr Görtz, haben Sie schon Norwegisch gelernt?

Peter Görtz: Nein, hierzu gibt es keinen Grund. Auch wenn FSN in Norwegen gegründet wurde, haben sie heute mehrere Niederlassungen und Teams an europäischen Standorten. Wir arbeiten ausschließlich mit dem Team aus Süddeutschland zusammen. Auch wenn ich gerne in der Lage wäre, mehrere Fremdsprachen zu beherrschen, funktioniert der Austausch in meiner Muttersprache, sogar mit Pfälzer Dialekt.

Im September 2022 hat die norwegische Investmentfirma FSN Capital 72 Prozent der Anteile von Bäcker Görtz übernommen. Sie haben mit Ihrem Bruder Frank einen kleinen Familienbetrieb zu einem Unternehmen mit fast 200 Filialen ausgebaut. Haben Sie sich daran gewöhnt, dass Ihnen jetzt jemand über die Schulter schaut?

Görtz: Prinzipiell sehen wir uns weiter als Familienbetrieb. Und es gab ja noch nie Alleingänge bei uns. Mein Bruder, unsere Ehefrauen und ich waren schon immer ein Vierergespann. Da hat sich seit dem Einstieg des Investors wenig geändert, jetzt sind es nur noch ein paar mehr geworden in der Unternehmensführung.

Der Schritt, sich als Bäckerei einen Investor ins Boot zu holen, hat für viel Aufsehen gesorgt. Bereut haben Sie ihn noch nicht?

Görtz: Es ist ein bisschen wie in einer Ehe, manchmal weiß man sehr schnell, dass man gut zusammenpasst. Wir glauben, dass es eine sehr gute Partnerschaft ist – auch weil wir selbst gute Partner sind. Wir wollten damit die Firma Bäcker Görtz von unserer eigenen Lebensleistung trennen. Wenn wir in zehn, 15 Jahren in Ruhestand gehen, wird es die Bäckerei immer noch geben. Meine Tochter ist Bäckermeisterin, aber sie hat dann die Wahl, ob sie in den Betrieb einsteigen will. Mit FSN wird es auch ohne Familie weitergehen mit Bäcker Görtz.

Görtz investiert in Ludwigshafener Zentrale

  • Bäcker Görtz mit Sitz in Ludwigshafen hat 1800 Beschäftigte, davon 300 in der Zentrale mit Produktion und Verwaltung.
  • Die 1963 gegründete Bäckereikette betreibt derzeit 194 Filialen (inklusive einer Drive-in-Filiale) in der Metropolregion Rhein-Neckar – auch mit Partnern wie Rewe, Aldi, Kaufland und Bauhaus.
  • Bäcker Görtz erwirtschaftete 2022 einen Jahresumsatz von rund 142 Millionen Euro, 22 Millionen Euro mehr als 2021. Zum Gewinn macht das Unternehmen keine Angaben.
  • Die Gesellschafter und Geschäftsführer Peter Görtz ist für das Kaufmännische, sein Bruder Frank für die Produktion zuständig. Die beiden bauten den Betrieb der Eltern in den vergangenen Jahrzehnten massiv aus. 2022 holten sie einen Investor ins Boot: FSN Capital aus Norwegen hält 72 Prozent der Anteile.
  • Die Zentrale in Ludwigshafen wird derzeit erweitert. In einem neuen Gebäude soll laut Peter Görtz ein aufwendig gestalteter Umkleide- und Pausenbereich entstehen. Auch die Konditorei und die Snack-Abteilung werden vergrößert. Insgesamt werden 25 Millionen Euro investiert. 

 

Wie läuft denn das Geschäft? Bekommen Sie zu spüren, dass die Leute wegen der hohen Energiepreise und der Inflation sparen?

Görtz: Das lässt sich schwer beurteilen, denn eigentlich sind wir noch dabei, uns von den Umsatzrückgängen in der Pandemie zu erholen. Wir hatten 2022 einen Umsatz von 142 Millionen Euro, aber das Niveau vor Corona haben wir noch nicht erreicht. Zum Jahresbeginn sehen wir aber eine Rückkehr zur Normalität und ein starkes Wachstum. Ob wir noch stärker wachsen würden, wenn es den Ukraine-Krieg nicht gäbe – das wissen wir nicht. Insgesamt sind wir sehr zufrieden.

Wie hoch war der Gewinn 2022?

Görtz: Wir nennen keine Zahlen, können aber sagen, dass Bäcker Görtz wirtschaftlich sehr gut aufgestellt ist und auch erfolgreich durch die letzten Jahre kam.

Sie eröffnen im Schnitt sieben neue Filialen im Jahr, hat das auch 2022 geklappt?

Görtz: 2022 haben wir acht Filialen eröffnet, es sind aber nur ein oder zwei Filialen mehr im Netz als im Jahr davor. Wir hatten eine größere Umschichtung, zum Beispiel durch die Schließung von sieben Real-Märkten, in denen wir vertreten waren. Einige davon sind noch geschlossen oder werden umgebaut. Wir haben auch Standorte aufgegeben, die nicht mehr funktionieren. Die Konsolidierung unseres Filialnetzes ist jetzt abgeschlossen. Im Frühjahr kommen einige Eröffnungen, zum Beispiel in Worms, Bellheim, Speyer, Osthofen und Heidelberg.

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Wie wählen Sie die Standorte aus?

Görtz: Das ist ein Puzzle aus verschiedenen Teilen. Manchmal ruft ein Bürgermeister an, weil es keinen Bäcker mehr in der Gemeinde gibt. Oder ein Einzelhändler wie Rewe eröffnet einen neuen Markt, bei dem wir als Partner dabei sind. Und natürlich betreiben wir auch eigenes Scouting und schauen, welche Gemeinden nicht zeitgemäß aufgestellt sind oder wo ein Kollege aus Altersgründen aufhört.

Was passiert, wenn ein Bürgermeister Sie in seinen Ort lockt?

Görtz: Dann schauen wir uns das an: ob er groß genug ist, die Frequenz stimmt, ein Café fehlt und ob zum Beispiel ein Bauplatz vorhanden ist. Meistens ist bei unseren Filialen ein Café dabei, die Größe variiert zwischen 80 und 200 Quadratmetern. Die Anfahrtszeit von unserem Backhaus sollte nicht mehr als eine Stunde betragen, wir liefern ja ein Frischprodukt aus. Der Gedanke dahinter ist immer derselbe: Wir sind Bäcker und wollen unsere Backwaren verkaufen. Und wir wollen ein Treffpunkt im Ort sein. Wenn es nicht passt, sagen wir auch Nein. Wir müssen nicht immer wachsen.

In der Branche wird ein Bäckereisterben beklagt, vor allem von kleinen Betrieben. Bäcker Görtz wächst. Was machen Sie anders?

Görtz: Bäckereisterben – das ist so ein dramatisches Wort! Viele Familienbetriebe bestehen nur eine Generation, weil die Kinder etwas anderes machen. Ich habe viele Freunde, die die Bäckerei ihrer Eltern nicht weiterführen wollten. Da wurden wir gefragt, ob wir den Betrieb übernehmen könnten. Das ist nichts Negatives, sondern eben eine Veränderung. Das Problem ist nicht, dass ab und zu ein Kollege aufhört. Das Problem ist, dass keine neuen Bäckereien mehr aufmachen. Oder fällt Ihnen eine ein, hier in der Region?

Hm, nein. Warum ist das so?

Görtz: Das kann ich Ihnen gar nicht so genau sagen – ich mache es ja gerne! Ich vermute mehrere Gründe: dass der Beruf anstrengend und deshalb nicht mehr so attraktiv ist, dass es mittlerweile eine kapitalintensive Branche mit vielen gesetzlichen Vorgaben ist. Die Einstiegshürde ist sehr hoch. Dazu kommt ein starker Wettbewerb im Lebensmittelhandel mit Playern, die viele Mittel zur Verfügung haben.

Warum haben Sie weitergemacht – und das mit Erfolg?

Görtz: Sicher hat geholfen, dass wir, mein Bruder und ich, immer zu zweit waren. Und dass wir sehr von unseren Ehefrauen unterstützt werden. Vielleicht hatten wir auch Glück ab und zu. . .

Und ehrgeizige Ziele.

Görtz: Meine Vision war, aus einer Bäckerei eine Firma zu machen. Ich wollte eine gewisse Professionalität schaffen, eine gute Organisation aufbauen, mit moderner Ausstattung und ordentlichen Arbeitsplätze. Auch um die Stressfaktoren abzumildern, die ich als Kind in der Bäckerei unserer Eltern erlebt hatte. Ich wollte in diesem großen Markt Lebensmittelhandel wettbewerbsfähig bleiben. Das hat erstmal nichts mit Größe zu tun, doch in keiner anderen Branche wird der kleine Handwerksbetrieb so romantisiert.

Das ärgert Sie?

Görtz: Es gibt nur gute und schlechte Bäcker – egal, ob sie groß oder klein sind! Alles, was in unserer Branche moderner und zeitgemäß daherkommt, wird negativ dargestellt. Das macht mich traurig. Jetzt sagen Sie mir: Sind die Begriffe Filialbäcker, Großbäcker oder Bäckereikette etwa positiv besetzt?

Nicht wirklich. Sie werben mit dem Spruch „100 Prozent Handwerk“ – aber arbeiten Sie mit 300 Filialen und 1800 Beschäftigten nicht eher wie in der Industrie

Görtz: Nein, da gibt es ganz klare Unterschiede: Ein Industriebetrieb stellt ein Produkt her – für irgendwann. Da werden Laugenbrezel über das ganze Jahr am Fließband produziert, die gehen in den Froster, werden behandelt und verpackt und dann in ganz Deutschland verteilt. Eine Bäckerei, egal wie groß, arbeitet jede Nacht für den nächsten Tag. Der Ablauf ist der gleiche: Es wird Teig gemacht, der wird einzeln aufgearbeitet, verwogen, geformt, geht in den Gärraum und in den Backofen. Wir machen ein regionales Produkt, das innerhalb eines Tages verkauft wird.

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Trotzdem bekommt man den Eindruck, dass Bäcker Görtz durch seine Größe als Feindbild dient. In Ludwigshafen-Friesenheim haben Sie jüngst die Pläne für ein Projekt mit Rewe aufgegeben – wegen des Protests von Bürgern.

Görtz: Der Protest ging ja nicht primär gegen uns, sondern gegen die Versiegelung des Geländes. Wir wollten mitgestalten und helfen, eine Lücke bei der Versorgung zu füllen. Aber wir würden nie gegen den Willen der Bürger ein Café bauen, wir sind ja auf die Menschen als Kunden angewiesen.

Wie steuern Sie das Sortiment, so dass am Abend nicht mehr so viel in den Regalen liegt?

Görtz: Wir betreiben sehr viel Aufwand, um das gut zu steuern. Über Computerprogramme und halbkünstliche Intelligenz versuchen wir zu berechnen, welches Produkt in welcher Menge in welcher Filiale gebraucht wird. Da sind wir sehr weit. Jede Filiale ist anders – in der Nähe einer Schule werden zum Beispiel mehr Süßteile verkauft.

Haben Sie eine Designabteilung für die Filialen?

Görtz: Wir machen das zusammen mit unserer internen Marketing-Abteilung, Architekten und der Familie.

Die stark gestiegenen Energiekosten machen Ihnen weniger zu schaffen als anderen Bäckereien. Warum?

Görtz: Eine normale Bäckerei hatte vor dem Ukraine-Krieg Energiekosten von zweieinhalb bis drei Prozent des Umsatzes. Das ist der Branchenschnitt. In der Energiekrise hat sich dieser Wert verdoppelt bis vervierfacht – das ist brutal. Und wenn die die Erträge ohnehin gering sind, kann das zu einem Verlust führen. Das ist bei uns nicht so, wir können mit den gestiegenen Energiepreisen umgehen. Geholfen hat uns, dass wir schon energieeffizient arbeiten: Wir haben eine sehr nachhaltige Gebäudetechnik und eine moderne, effiziente Produktion.

Wie sieht es bei den Kosten für Rohstoffe aus?

Görtz: Die sind schon seit Jahren sehr volatil und teilweise deutlich gestiegen. Der Preis für Saaten hatte sich zwischenzeitlich verdoppelt, Butter war um 60 Prozent teurer geworden. Wir mussten deshalb auch die Preise anheben, aber sehr maßvoll. Mit sechs Prozent liegen wir weit unter der Inflation. Bei den Rohstoffmärkten sehen wir aktuell eine leichte Entspannung, die Energiepreise kann ja keiner voraussehen. Ein Unternehmen muss auch einen Sturm aushalten – und die Krisen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass wir das können.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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