Ludwigshafen. Ein letztes Mal redet er Klartext, gestikuliert, mahnt, macht Mut - vor knapp 5000 Aktionären verabschiedet sich Martin Brudermüller als BASF-Chef. Er genießt den Applaus im Mannheimer Congress Centrum Rosengarten, um dann symbolisch per Handschlag an seinen Nachfolger Markus Kamieth zu übergeben. Der führt jetzt den größten Chemiekonzern der Welt. Bei der Umarmung und dem Händedruck der beiden zeigt sich Brudermüller bewegt, legt Kamieth kurz die Hand auf die Schulter.
Brudermüller: „BASF hat mich nicht mehr losgelassen“
Dass Brudermüller der Abschied nicht leicht fällt, macht er gleich zu Beginn seiner Abschiedsrede deutlich: „1988 kam ich zur BASF. 36 Jahre bin ich geblieben. BASF hat mich nicht mehr losgelassen.“ Er hält eine BASF-Kassette hoch, den Tonträger, der als innovativ galt, als er anfing. Heute sei die Kassette ein Sinnbild dafür, „wie schnell sich Technologien und Geschäftsmodelle verändern.“ Natürlich muss er dann gleich noch ein Stück Zukunft vorzeigen, eine kaum erkennbare, flexible Nanostruktur, die der Haifischhaut nachempfunden ist und für weniger Luftwiderstand bei Flugzeugen sorgt. Schaut her, will er sagen, die BASF kann Veränderung!
Der scheidende BASF-Chef hätte gerne bessere Zahlen in den Rosengarten mitgebracht
Natürlich hätte er beim letzten Aktionärstreffen auch lieber bessere Zahlen präsentiert. Die Bilanz für 2023 fällt mau aus, doch Brudermüller verspricht: Sobald die Weltwirtschaft wieder anspringt, werde auch BASF wieder profitabel wachsen. „Eine leichte Belebung der Nachfrage sehen wir bereits im ersten Quartal des laufenden Jahres.“
Brudermüller beschreibt, wie sich die BASF verändern will. Das ist auch sein Vermächtnis, denn die Weichen, etwa für die grüne Transformation des Konzerns, hat er gestellt. An einen besonderen Tag werde er sich sein Leben lang erinnern, erzählt Brudermüller: an den Tag im September 2023, als BASF und Vattenfall einen der größten Windparks der Welt in Betrieb nahmen.
Verhaltenes erstes Quartal 2024
- BASF ist wegen deutlich gesunkener Preise schwächer in das neue Jahr gestartet. Zudem belasteten negative Währungseffekte.
- Der Umsatz in den ersten drei Monaten schrumpfte im Jahresvergleich um 12,2 Prozent auf 17,6 Milliarden Euro,
- Unter dem Strich fiel ein Gewinn von knapp 1,4 Milliarden Euro an, nach fast 1,6 Milliarden ein Jahr zuvor.
- Von den weltweit knapp 112 000 Mitarbeitern waren zuletzt in Ludwigshafen 38 710 beschäftigt, davon zwei Drittel in der Produktion.
- Allerdings ist die Zahl der Beschäftigten im Stammwerk (BASF SE) im Vergleich zu vor einem Jahr um rund 650 zurückgegangen.
- Ende März 2024 arbeiteten nur noch 33 855 Menschen im Stammwerk, Mitarbeitende weiterer BASF-Gesellschaften am Standort nicht mitgerechnet.
Der Chemiekonzern ist an dem Windpark beteiligt, um sich die Versorgung seiner Werke in Europa mit grünem Strom zu sichern. Ein ungewöhnlicher Schritt für einen Chemiekonzern, auf den der scheidende Vorstandschef offensichtlich besonders stolz ist - und der später von Aktionärssprechern gelobt wird.
Noch einmal, wie so oft in seiner sechsjährigen Amtszeit, verteidigt Brudermüller die Zehn-Milliarden-Investition in den neuen chinesischen Verbundstandort Zhanjiang. 40 Prozent der BASF-Investitionen fließen von 2024 bis 2027 nach Asien-Pazifik. Aber er betont auch, dass 55 Prozent in Europa und Nordamerika investiert werden.
Der scheidende Chef erwartet weiteren Stellenabbau für das Ludwigshafener Werk
Die Weichen gestellt hat er auch beim Thema Kostensenkungen - und das betrifft mehr und mehr das Ludwigshafener Stammwerk. Im Februar hatte der Vorstand des Chemiekonzerns ein weiteres milliardenschweres Sparprogramm in Ludwigshafen angekündigt. Der größte Produktionsstandort im Konzern soll neu aufgestellt werden, soll profitabler, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger werden. Denn aktuell schreibt er rote Zahlen. Das Zielbild für das Werk soll Nachfolger Kamieth entwickeln.
Jetzt sollen dort bis Ende 2026 zusätzlich jährlich Kosten von einer Milliarde Euro gespart werden. In seiner Abschiedsrede erklärt Brudermüller, dass der Sparkurs auch einen weiteren Abbau von Stellen bringen werde - zusätzlich zu den bereits beschlossenen Stellenstreichungen. „Das sind schmerzhafte Maßnahmen. Aber notwendige“, sagte Brudermüller.
Ludwigshafen bleibt der größte Standort im Konzern
Er schiebt aber gleich nach: „Was heute schon sicher ist: Ludwigshafen bleibt der größte Standort von BASF. Aber sicher ist auch: Wir passen ihn an die neuen Realitäten an. Er muss wieder profitabel werden.“
Und wie so oft in den vergangenen Monaten nutzt Brudermüller auch die Bühne für einen Rundumschlag Richtung Politik und Gesellschaft: „Uns, der deutschen Gesellschaft, ist die Tragweite der geo- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen noch immer nicht bewusst!“ Es brauche jetzt einen Mentalitätswechsel. Der Applaus der Anteilseigner zum Abschluss ist ihm sicher. Er habe immer Klartext gesprochen, sagt Brudermüller. „Manchen war ich dabei zu laut oder zu direkt. Aber mein Eindruck war oft, dass es diese Lautstärke in der Öffentlichkeit auch brauchte.“
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Von den Aktionärsvertreten bekommt Brudermüller viele Dankeschöns und Komplimente: Er habe trotz aller Widrigkeiten und unzähligen Krisen die wichtigen Weichen gestellt, den Konzern durch die Krisen gebracht und auch in schwierigen Zeiten an Nachhaltigkeit festgehalten. Als „Meister der Krisen“ titulierte ihn Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Und: „Sie waren so unglaublich unerschrocken“.
Man sehe sich bei Mercedes wieder, sagte Tüngler. Eine Anspielung auf Brudermüllers künftige Aufgabe als Aufsichtratschef des Stuttgarter Autokonzerns.
„Bauchschmerzen“ hatten mehrere Aktionärsvertreter mit der üppigen Dividende. Mit 3,40 Euro je Aktie liegt die Dividende auf dem Vorjahresniveau - trotz des schwachen Geschäftsjahrs 2023.
Drei Milliarden Euro schüttet BASF damit an die Aktionäre aus. Die Dividende werde zum Teil aus der Substanz bezahlt, das sei nicht nachhaltig, so die Kritik. Die kontert Brudermüller mit dem Hinweis, dass BASF zwischen 2014 und 2023 zwar 30 Milliarden Euro für Dividenden ausgegeben habe, aber gleichzeitig 68 Milliarden Euro für organisches Wachstum, etwa für die Forschung. Das Unternehmen habe eine solide Finanzstruktur.
Uigure wirft BASF fehlende Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen vor
Vor der Hauptversammlung hatten Vertreter von Nichtregierungsorganisationen protestiert. Sie werfen der BASF vor, Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren durch eine Partnerfirma indirekt mitgetragen zu haben. BASF habe bei der Identifizierung von Menschenrechtsverletzungen seiner Joint-Venture-Partner versagt, so ein Vorwurf. Den wiederholte auch ein Vertreter der Uiguren als Redner eindringlich.
BASF hat den Verkauf der Anteile an den zwei umstrittenen Joint Ventures im chinesischen Korla beschleunigt. Das sei eine Reaktion auf neue Berichte über Verletzungen der Menschenrechte, sagt Brudermüller. Allerdings habe BASF bei Untersuchungen, auch mit externer Unterstützung, keinerlei Hinweise auf problematische Praktiken des Partners finden können.
Als Aufsichtsratvorsitzender bestätigt wurde Kurt Bock. Neu in den Aufsichtsrat gewählt wurde Tamara Weinert (USA). Sie ist Spitzenmanagerin beim finnischen Stahlkonzern Outokumpu Oyj/Finnland und kommt für Dame Alison J. Carnwath.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Neuer BASF-Chef Kamieth: Sparer oder Gestalter?