Bilanz

Hat Vorstandschef Martin Brudermüller die BASF besser gemacht?

Am Donnerstag hört Brudermüller nach sechs Jahren als CEO der BASF auf. Wir beleuchten seine wichtigsten Rollen - vom, Krisen-Manager und Ludwigshafen-Schrumpfer bis zum mutigen Weichensteller

Von 
Bettina Eschbacher
Lesedauer: 
Immer im Fokus: Sechs Jahre lang stand Martin Brudermüller an der Spitze der BASF. © BASF

Ludwigshafen. Jeder Vorstandschef will ein besseres Unternehmen übergeben, als es vorher war.“ Das sagte Martin Brudermüller 2018 vor seinem Start als BASF-Chef. Und hat er sein Unternehmen besser gemacht? Wir ziehen Bilanz.

Der Krisenmanager

Eines vorneweg: In seiner Amtszeit hatte Brudermüller richtig schlechte Karten. Er musste Krise nach Krise in immer größerem Ausmaß bekämpfen: Niedrigwasser auf dem Rhein, Corona-Pandemie, Ukrainekrieg mit Energiekrise. Meist ging es darum, die nächste Krise zu managen, das Schlimmste zu verhindern. Zeit zum Atemholen, zum visionären Gestalten blieb da wenig.

Angesichts des Krisen-Hamsterrads ist es schwierig, eine klare Bilanz von Brudermüllers Leistung zu ziehen. Dass er ein Anpacker, ein Macher ist, half ihm natürlich beim Krisenmanagement.

Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!

„Lassen Sie uns doch ein klein wenig optimistisch sein“, bat er bei der Bilanzpressekonferenz 2019, als er einen Gewinneinbruch verkünden musste. Seinen eigenen Optimismus, seinen Willen zur Gestaltung hat er in all diesen Krisen nie ganz verloren, obwohl der Spielraum kleiner war als bei seinen Vorgängern. Das ist nicht selbstverständlich in den Zeiten der Dauerkrise.

Der Mahner und Herausforderer

Als das Horrorszenario galt das komplette Herunterfahren des Ludwigshafener Werks wegen ausbleibender Gaslieferungen. Das war zu Beginn des Ukraine-Kriegs eine nicht unrealistische Vorstellung – wenn Russland abrupt alle Gaslieferungen nach Deutschland gestoppt oder die EU ein sofortiges Gasembargo beschlossen hätte.

Auftritt Brudermüller: Immer wieder warnte er leidenschaftlich davor, ohne Alternativen auf russisches Gas zu verzichten, malte katastrophale Folgen an die Wand und beeindruckte damit offenbar auch die Politik in Brüssel und Berlin. BASF gewann Zeit, um sich auf sinkende Gasmengen einzustellen, die Bundesregierung tat andere Quellen auf.

Brudermüller beim Testen einer Virtual-Reality-Brille mit BASF-Azubis. © Uwe Anspach/dpa

Dabei war das Vorpreschen nicht ohne Risiko – war es doch die BASF, die über ihre frühere Tochter Wintershall den Gashandel mit Russland und – damit auch die extreme Abhängigkeit – in der Vergangenheit aufgebaut hatte. Dennoch fand Brudermüller seine Rolle, als Mahner an vorderster Front, der auch mal übers Ziel hinausschießt. Als „John Wayne der BASF“ bezeichnete ihn die „FAZ“.

Häufig prangerte er auch die Rahmenbedingungen in der EU und in Deutschland an, die fehlende Infrastruktur für Grünstrom, die Regulierungswut etwa beim Klima-Programm Green Deal der EU, die hohen Energiepreise. Sein Meisterstück der Lobbyarbeit: die Antwerpener Erklärung, die Brudermüller persönlich der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen übergab. In der Deklaration fordern Unternehmensvertreter und Verbände eine industriefreundlichere EU-Politik.

Der China-Verteidiger

Markige Worte setzte Brudermüller auch in der Debatte um eine restriktivere China-Politik ein: Es sei dringend notwendig, dass „wir wegkommen vom China-Bashing und mal etwas selbstkritisch auf uns schauen: Was sind unsere Defizite und Schwächen, und wie planen wir, die jetzt mal beherzt anzugehen?“, sagte er im Oktober 2022 – kurz vor einer Reise mit Bundeskanzler Olaf Scholz nach China. BASF ist in dem Land sehr aktiv, hat bereits einen großen Verbundstandort in Nanjing und baut für zehn Milliarden Euro einen weiteren in Zhanjiang. „Die Chancen überwiegen die Risiken“, sagt der BASF-Chef immer wieder, der auch mehrere Jahre in Asien gearbeitet hat.

China ist der weltweit wichtigste Wachstumsmarkt, BASF müsse dort stark präsent sein, argumentiert Brudermüller. Er räumt aber ein, dass ein Überfall Chinas auf Taiwan zu einem Totalverlust des China-Geschäfts mit weitreichenden Folgen führen würde.

Nach der Logik des Marktes sind die milliardenschweren Investitionen der BASF in China absolut richtig. Wie toxisch das Engagement sein könnte, hängt von den weiteren politischen Entwicklungen ab.

Der Ludwigshafen-Schrumpfer

Die Ankündigung im Februar 2023 war ein Paukenschlag – ein Schock für die das Stammwerk Ludwigshafen, für die ganze Region: Die BASF schließt elf Anlagen am Standort, darunter eine der beiden Ammoniak-Anlagen und die erst fünf Jahre alte TDI-Produktion. Als Hauptgrund nannte Brudermüller die massiv gestiegenen Energiekosten. Die Anlagen rentierten sich schlicht nicht mehr. Zusammen mit einem Sparprogramm in der Verwaltung bedeutet das: 2500 der rund 35 000 Arbeitsplätze fallen weg.

Als Windpark-Käufer mit Vattenfall-Chefin Anna Borg. © BASF

Doch der Schrumpfkurs für das stolze Heimatwerk geht weiter: Ein Jahr später verkündet der Vorstandsvorsitzende, dass das Werk eine Milliarde Euro einsparen muss – in Produktion und Verwaltung. Brudermüller sagt klar, dass das weiteren Stellenabbau und Anlagenschließungen mit sich bringt. Ludwigshafen werde immer der größte Standort innerhalb der BASF sein, betont Brudermüller. Doch so könne es eben nicht weitergehen. Der Standort ist das Sorgenkind im Konzern, schafft es seit Jahren nicht mehr in die Gewinnzone. Es wird noch einiges zukommen auf die Ludwigshafener Belegschaft: Ein neues Zielbild soll für das Werk ausgearbeitet werden, eine Neu-Positionierung. Profitabler und wettbewerbsfähiger soll es werden.

Dabei würden auch die schwierigen Bedingungen in Europa und Deutschland berücksichtigt, warnt Brudermüller. Ausarbeiten wird das neue Zielbild Brudermüllers Nachfolger Markus Kamieth.

Der Menschenfänger

Trotz der massiven Sparpläne für den Standort ist aus den Reihen der Ludwigshafener Belegschaft viel Gutes über den scheidenden CEO zu hören. „Er hat wahnsinnig viel gearbeitet. Er hat alles gegeben für die BASF“, sagt ein Aniliner. Gern gesehen wurden zudem seine scharfen Forderungen an die Politik. „Er ist nach vorne gegangen“, heißt es.

Lob ist auch zu hören für seine Art, auf die Menschen zuzugehen: „Er war immer nahbar, hat mit den Leuten gesprochen“, sagt eine Kollegin. Dass da einer brennt für seine Aufgabe, für sein Unternehmen, das haben viele gespürt. Anerkennung gibt es dafür vom Betriebsratschef Sinischa Horvat. Obwohl Horvat Alternativen zu Jobabbau und Anlagenschließungen anmahnt, sagt er: „Corona, Green Deal, Energiekrise, das war eine Challenge. Ich denke, die hat er gut gemeistert.“ Horvat: „Für die Zeit, die wir hatten, war er der Beste am Ruder.“

Der Pionier

Brudermüller hat mit Vehemenz die grüne Transformation des Chemiekonzerns angetrieben und ist dabei auch ungewöhnliche Wege gegangen. Mit dieser Pionierleistung dürfte er im Rückblick den größten Fußabdruck im Unternehmen hinterlassen haben.

Er gibt früh ehrgeizige Ziele zur Dekarbonisierung im Kampf gegen den Klimawandel aus BASF will bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen. Wichtigster Hebel dabei ist der Abschied von fossilen Brennstoffen hin zu Strom aus erneuerbaren Energien. Brudermüller lässt auch Taten folgen. Und überrascht, als die BASF unter die Windparkbauer geht. Der Chemiekonzern beteiligt sich an einem der größten Offshore-Windparks der Welt – Hollandse Kust Zuid vor der niederländischen Nordsee-Küste. Weitere Kooperationen mit Windpark-Betreibern folgen.

Mit Bundeskanzler Olaf Scholz am BASF-Standort Schwarzheide. © BASF Schwarzheide GmbH

Der promovierte Chemiker vergleicht die Windpark-Entscheidung in der Bedeutung für BASF mit der Entwicklung der Ammoniaksynthese, die vor rund 100 Jahren die Chemie revolutioniert hat. Gleichzeitig sind in Brudermüllers Amtszeit viele Klima-Pilotprojekte gestartet, wovon der Standort Ludwigshafen profitiert. So wird dort am Mittwoch die weltweit erste großtechnischen Demonstrationsanlage für einen elektrisch beheizten Steamcracker-Ofen eingeweiht.

Von den Erfahrungen des gebürtigen Stuttgarters mit der grünen Transformation wird ab Mai der Autohersteller Mercedes-Benz profitieren. Dort wird er Aufsichtsratsvorsitzer.

Der – tragische – Weichensteller

Als Brudermüller im Frühjahr 2018 BASF-Chef wurde, war die Aktie mehr als 80 Euro wert. Aktuell sind es nur noch knapp 52 Euro. Umso überraschender ist, dass Aktionärsvertreter Marc Tüngler sich zu Lobeshymnen über Brudermüller hinreißen lässt. Schließlich sind auch andere Chemie-Aktien wie Bayer oder Covestro mächtig unter Druck. Und bei der Dividende habe der BASF-Chef auch in schwierigen Zeiten an die Aktionäre gedacht, so der DSW-Hauptgeschäftsführer. „Es ist ja fast schon schicksalhaft. Kaum fing Brudermüller an, kamen die Krisen. Seine Flügel konnte er nie ganz ausstrecken.“

Mehr zum Thema

Interview

BASF-Betriebsratschef Horvat: "Wir brauchen Signale, dass es in Ludwigshafen weitergeht"

Veröffentlicht
Von
Bettina Eschbacher
Mehr erfahren
Wassergefährdung

BASF in Ludwigshafen: Chemikalien gelangen in den Rhein

Veröffentlicht
Von
Till Börner
Mehr erfahren
Biotechnologie

BASF baut neue Anlage in Ludwigshafen

Veröffentlicht
Von
Bettina Eschbacher
Mehr erfahren

Dennoch habe er enorm wichtige Weichen gestellt. Tüngler nennt „die klare China-Strategie“, den Nachhaltigkeitskurs und auch die schmerzhaften Sparprogramme. Brudermüller habe viel mehr bewegt als andere in der Branche – trotz aller Widrigkeiten, mit viel Weitsicht. Dennoch sieht Tüngler ihn „fast schon als tragische Figur“. Denn wenn seine Strategie aufgehe, in zehn oder 15 Jahren, werde Brudermüller längst nicht mehr im Amt sein. Tüngler ist sich mit Horvat einig: „In diesen schwierigen Zeiten war Brudermüller der beste CEO, den BASF haben konnte.“

Der Hinterfrager

So draufgängerisch Brudermüller oft nach außen wirkt, er hinterfragt sich auch: Bei der SWR-Dokumentation „Einsame Spitze“ über Vorstandschefs sagt er mit Blick auf die Krisenmonate: „Es lässt einen dann auch nicht cool und man fragt sich natürlich: Mach ich meinen Job noch gut genug? “ Er habe es aber immer als seine Stärke empfunden, dass „mir das unter die Haut geht, und ich möchte auch nicht, dass mir das verlorengeht.“

Am 25. April geht Brudermüller – nach 36 Jahren in der BASF, 18 Jahren im Vorstand und sechs Jahren als CEO. „Ich kann Ihnen versichern, mein Herz schlägt für dieses Unternehmen“, sagte er einmal vor Aktionären. Kaum vorstellbar, dass er nach der üblichen Abkühlphase von mindestens zwei Jahren nicht zur BASF zurückkehrt – als Aufsichtsratschef.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

Thema : BASF

  • BASF Warum braucht die BASF künftig so viel Strom?

    Auf dem Ludwigshafener BASF-Gelände wird eine riesige Umspannanlage gebaut. Das hat eine Menge mit dem Klimaziel des Chemiekonzerns zu tun.

    Mehr erfahren
  • BASF BASF stellt weniger Azubis in Ludwigshafen ein

    Der größte Ausbilder der Region hat weniger Bedarf für Nachwuchs. Auch in anderen Unternehmen geht die Zahl der Lehrstellen zurück.

    Mehr erfahren
  • BASF Amprion baut neue Umspannanlage für BASF in Ludwigshafen

    Auf dem Werksgelände des Chemiekonzerns soll eine der größten Umspannanlagen Europas entstehen.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke