Ludwigshafen. Herr Horvat, wie sehen Sie gerade Ihre Rolle? Als Beruhiger, als Kämpfer?
Sinischa Horvat: Vor allem als Forderer. Wir brauchen jetzt auch Maßnahmen als Signale, dass es weiter geht, dass mehr geht als nur abzuschalten.
Das Ludwigshafener BASF-Werk muss jetzt eine Milliarde Euro einsparen. Dazu kommen der bereits beschlossene Abbau von 2500 Stellen und Anlagenschließungen. Was machen solche Ankündigungen mit einer Belegschaft?
Horvat: Die Menschen merken natürlich, dass die Anlagen in der Basis-Chemie hier in Ludwigshafen seit fast zwei Jahren schlecht ausgelastet waren. Und sie kennen die Gründe – schwache Nachfrage, hohe Energiepreise. Die Belegschaft hat ein gutes Gespür dafür, welchen Sinn ein Sparprogramm hat. Wenn sie sehen, es geht nicht nur um Gewinnmaximierung, sondern um die Zukunft des Standorts – dann ist es akzeptiert. Sind die Menschen glücklich damit? Nein. Sie fühlen sich ohnmächtig, fragen sich: Haben wir noch eine Perspektive? Und das ist anders als in vorherigen Krisen.
Im Aufsichtsrat bestätigt
- Sinischa Horvat ist stellvertretender BASF-Aufsichtsratvorsitzender. Von den Arbeitnehmervertretern wurde er bereits für eine neue Amtsperiode in dem Gremium bestätigt.
- Seit 2016 ist er Vorsitzender des Betriebsrats des Werks Ludwigshafen der BASF SE, des Konzernbetriebsrats der BASF und des BASF Europa Betriebsrats.
- Der Vater zweier Kinder ist 1976 geboren, in der Südwestpfalz aufgewachsen und lebt in Limburgerhof.
Was unterscheidet die Lage des Werks von früheren Krisen?
Horvat: Wir haben immer wieder bei Krisen die Ärmel hochgekrempelt und den Karren aus dem Dreck gezogen. Aber was es uns momentan so schwer macht, sind die äußeren Bedingungen, an denen wir wenig ändern können. Nehmen Sie die hohen und volatilen Energiepreise, die werden ja nicht weggehen. Ein langer, kalter Winter, und schon schießen die Gaspreise wieder in die Höhe. Aber die Politik muss wissen: Die Industrie, die Chemie braucht Unterstützung, um die grüne Transformation zu schaffen. Und dazu müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Deshalb unterstütze ich auch massiv die Antwerpener Erklärung.
. . .die BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller mit initiiert und an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen persönlich übergeben hat. . .
Horvat: Genau, darin wird gefordert, dass der Green Deal, also die harten Klimaziele der EU, einhergehen mit einer neuen Industriepolitik. Das muss kommen nach den Europawahlen, das muss die neue EU-Kommission angehen. Sonst gibt es keine grüne Transformation. Wenn die chemische Industrie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten kann, kommen von ihr auch keine Lösungen für nachhaltige Verfahren und Produkte.
Der Standort Ludwigshafen steht aber jetzt schon unter dem Druck, wieder profitabel und wettbewerbsfähiger zu werden. Der künftige BASF-Chef Markus Kamieth soll ein neues Zielbild für Ludwigshafen erstellen. Muss sich die Belegschaft warm anziehen?
Horvat: Wir reden viel zu wenig über die Chancen des Standorts. Ludwigshafen soll ja nicht nur profitabler und wettbewerbsfähiger, sondern auch nachhaltiger werden. Da sehe ich Riesenpotenzial, denn die Gesellschaft braucht Innovationen und Produkte, die klimafreundlicher sind. Da hat die BASF eine hervorragende Ausgangsposition mit dem Know-how Campus in Ludwigshafen. Hier könnten zum Beispiel mehr biobasierte Produkte entwickelt und hergestellt werden. Da haben wir auch eine Erwartungshaltung als Betriebsrat.
Welche?
Horvat: Dass sich der Vorstand nicht einfach dem Markt ergibt, der von Überkapazitäten aus China überschwemmt wird. Wir brauchen Alternativen.
Aber weiteren Stellenabbau und Anlageschließungen hat der Vorstand doch schon angekündigt?
Horvat: Das können wir nicht ausschließen, aber das wird jetzt zuerst in die Analyse gehen. Zu den neuen Sparmaßnahmen liegen uns noch keine Details vor, das kann bis Jahresende dauern. Für mich gibt es da noch viele Fragezeichen. Vieles hängt auch von der Einschätzung ab, wie sich der Chemiemarkt und die Energiepreise entwickeln werden. Klar ist, bis Ende 2025 sind die Beschäftigten in Ludwigshafen vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt, dank der aktuell gültigen Standortvereinbarung. Genau deshalb dringen wir als Betriebsrat auch darauf, möglichst bald über eine Folge-Vereinbarung zu sprechen.
Kann die nächste Standortvereinbarung so komfortabel wie bisher werden, zum Beispiel, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden?
Horvat: Der Arbeitgeber hat doch auch ein Interesse daran, dass diese Mechanismen bleiben. So kann er Strukturmaßnahmen möglichst geräuschlos durchführen. Nehmen Sie die 700 Beschäftigten, die von den Anlagenschließungen betroffen sind. Sie haben die Gewissheit, dass es an anderer Stelle für sie weitergeht. Sie werden weiterqualifiziert, in andere Jobs am Standort vermittelt oder können eine Stelle übernehmen, weil ein älterer Kollege ein Abfindungsangebot angenommen hat. Fast alle haben schon einen neuen Arbeitsplatz in der Produktion in Aussicht. Nur ganz punktuell gab es Abfindungen.
Was ist noch wichtig für Sie bei der neuen Vereinbarung?
Horvat: Vor allem die Investitionen. Und dass die künftige Vision für den Standort in der Vereinbarung festgeschrieben wird. Welche Zahl wir genau für die jährlichen Investitionen ins Werk festschreiben, darüber werden wir noch reden müssen. Der Standort hat so viel Potenzial, gerade bei Forschung und Entwicklung. Ludwigshafen könnte der Leuchtturm für grüne Transformation im ganzen Konzern werden.
Weil hier wichtige Pilotprojekte zur Dekarbonisierung laufen?
Horvat: Wichtig ist aber auch, dass dann die neuen Anlagen hier gebaut werden, die für die Transformation gebraucht werden. Nicht dass hier nur die Pilote getestet werden, und woanders kommen die großen Anlagen hin. Dann würde hier ja immer kleiner gebaut.
Brudermüller geht am 25. April, wie beurteilen Sie seine Bilanz?
Horvat: Die Frage bekomme ich den letzten Wochen so oft gestellt! Was mit ihm auf jeden Fall bleibt, ist das Thema der Nachhaltigkeit, der grünen Transformation. Das hat er mit einer Vehemenz angetrieben, das hat die Leute überrascht. Zum Beispiel, dass BASF bis 2050 klimaneutral produzieren will, und dass er Windpark-Beteiligungen gekauft hat – da war Brudermüller Pionier. Das sehen die Menschen auch. Seine Amtszeit war natürlich überschattet von Krisen, er war eigentlich nur im Krisenmanagement. Corona, Green Deal, Energiekrise – das war eine Challenge. Ich denke, die hat er gut gemeistert. Für die Zeit, die wir hatten, war er der Beste am Ruder. Kritik gibt es von uns an seinem bedingungslosen China-Kurs – da braucht es die Balance. Zu der gehört ein starkes Ludwigshafen, das auch mal Ausfälle in anderen Regionen auffangen kann.
Was erwarten Sie von seinem Nachfolger Markus Kamieth?
Horvat: Unser Anspruch ist, dass er daran arbeitet, dass der Standort hier in eine gute Zukunft geführt wird. Wenn es in China läuft, freuen wir uns auch, aber jetzt brauchen wir eine massive Fokussierung auf das Werk Ludwigshafen. Schließlich ist die BASF wichtig für die ganze Region, da hängen so viele Zulieferer und Arbeitsplätze dran.
Haben Sie schon mit dem neuen BASF-Chef gesprochen?
Horvat: Wir kennen uns natürlich, aber wir haben inhaltlich noch nicht viel miteinander gesprochen. Er war für BASF viel an anderen Standorten und wenig hier in Ludwigshafen. Aber er ist ja auch FC Köln-Fan, wie ich. Da haben wir ja schon mal eine gute Gesprächsgrundlage...
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