Serie Nachhaltigkeit

Ein Leben ohne Plastik

Von 
Sebastian Koch
Lesedauer: 

Oberaurach. Nadine Schubert lebt weitgehend plastikfrei und verlangt von der Politik mehr Engagement bei der Plastikvermeidung.

Frau Schubert, was bedeutet für Sie der Begriff „Nachhaltigkeit“?

Nadine Schubert: Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir achtsamer mit Umwelt und Ressourcen umgehen.

Sie verzichten strikt auf Plastikprodukte. Wie kam es dazu?

Schubert: Ich habe 2013 einen Bericht über Probleme gesehen, die durch Plastikmüll entstehen. Zu sehen, wie Tiere an gefressenem Plastik sterben, Ozeane vermüllt werden und Weichmacher aus Plastikprodukten uns krankmachen, hat mich so schockiert, dass ich gesagt habe: „Schluss. In der Familie Schubert gibt es ab heute kein Plastik mehr.“

Wie hat Ihre Familie reagiert?

Schubert: Mein Sohn war damals acht Jahre alt. Ich habe ihm gesagt, dass ich weniger in Plastik verpackte Lebensmittel kaufe und nicht möchte, dass er krank wird. Ich habe ihm Bilder von durch Plastik verendeten Tieren gezeigt, ihm gesagt, dass Menschen daran schuld seien. Er hat das sofort verstanden und nur gefragt, ob er jetzt keine Cornflakes mehr essen darf (lacht), weil die in Plastik verpackt sind.

Und?

Schubert: Wir haben einen Kompromiss geschlossen. Ich habe sie seltener gekauft und sofort in Glas umgeschüttet. Irgendwann bin ich darauf gestoßen, dass man Knuspermüsli selbst machen kann. Das hat ihm so gut geschmeckt, dass er gesagt hat, ich müsse keine Cornflakes mehr kaufen.

Wie sieht es mit Gummibärchen aus, die in Plastik verpackt sind?

Schubert: Die gab es nicht mehr. Wir haben Ersatzsachen, wie beispielsweise Erdnüsse gekauft, die es in Weißblechdosen gibt. Ich war da sehr strikt. Seit es Unverpacktläden gibt, kaufe ich auch wieder Gummibärchen. Meine Kinder haben alles, was andere auch haben – aber eben anders verpackt.

Ich habe im Rahmen eines Projekts selbst einmal versucht, mehrere Tage plastikfrei zu leben – und viel Flexibilität verloren. Ist das plastikfreie Leben komplizierter?

Schubert: Überhaupt nicht. Ein Extremverzicht über wenige Tage funktioniert nicht, weil man Lösungen nicht kennt. Das muss Schritt für Schritt geschehen. Zuerst muss man schauen, wie weit man in seinem Supermarkt kommt. Da bekommt man schon sehr viel. Ich habe mich auf Sachen beschränkt und auf den Rest verzichtet, bis ich eine Lösung gefunden habe.

Das klingt immer noch nach ziemlich viel Aufwand.

Schubert: Es ist aufwendig, wenn man durch Angebote verführt wird. Eigentlich ist es aber sogar viel zeitsparender, weil man sich auf seine Sachen konzentriert und sich nicht aufhält. Wo Probleme auftauchen, muss man Lösungen suchen. Irgendwann kommen Holzzahnbürsten oder Seife, die nicht verpackt sind. Man kann das nicht nur wenige Tage machen. Das ist stressig. Andersherum ist es stressfrei.

Wurst und Käse an der Theke sind oft teurer als im Kühlregal. Ist plastikfrei etwas für Besserverdiener?

Schubert: Nein. Wenn man plastikfrei einkauft, kauft man bedachter ein. Ich kaufe, was ich brauche – und nicht, was der Handel mir aufdrückt. Wir brauchen keine fünf Duschgels. Es gibt eine Seife, die alle benutzen. Ich kaufe kein Putz- oder Waschmittel, sondern stelle das selbst her.

Auch das klingt zeitaufwendig.

Schubert: Überhaupt nicht. Ich kaufe Rohstoffe in großen Mengen. Ich rasple meine Seife, schütte sie in vier Liter Wasser und lasse es über Nacht stehen. Die Seife löst sich über Nacht auf – und fertig ist das Waschmittel.

Gibt es im Hause Schubert Plastik, das sich nicht vermeiden lässt?

Schubert: Ja, natürlich. Meine Kinder dürfen mit Lego oder Playmobil spielen. Mein Staubsauger ist auch nicht aus Holz. Natürlich haben wir Plastik im Haus. Mir geht es darum, das Einwegplastik zu vermeiden.

Die Regierung will Plastiktüten an der Supermarktkasse verbieten – aber jene an Obst- und Gemüseregalen nicht. Was halten Sie davon?

Schubert: Blödsinn! Das Argument, wenn wir die kleinen Tütchen verbieten, packen Händler das Obst direkt in Plastik, kann ich nicht nachvollziehen. Das, was jetzt ohne Plastik in der Gemüseabteilung angeboten wird, hält sowieso mehrere Tage. Ich würde generell verbieten, dass Produkte in unnötigen Plastikverpackungen auf den Markt kommen. Viele nehmen die bescheuerten Knotenbeutel mit, um darin ihren Biomüll zu entsorgen. Das zeigt, wie überflüssig die Beutel sind.

Wo fällt noch zu viel Plastik an?

Schubert: Bei Einwegflaschen. Wir benötigen ein besseres Mehrwegpfandsystem. Am besten weltweit. Wir müssen nur mal nach Italien schauen, wo es keinen Pfand gibt und entsprechend viel Müll durch Einwegplastikflaschen. Der Reifenabrieb im Verkehr ist ein Thema. Wir müssen weniger Autofahren, brauchen dafür aber ein besseres Nahverkehrssystem. Bei mir auf dem Land fährt der Schulbus – sonst nichts. Wir haben gar keine Chance, ohne Auto irgendwo hinzukommen.

Was können Leser machen, um Plastikmüll zu vermeiden?

Schubert: Beim Einkauf genau hinschauen. Produkte verweigern, die unnötig verpackt sind. Am besten Dinge in fester Form kaufen – Seife anstatt Duschgel. Wo es geht: Leitungswasser trinken. Das spart Geld und Unmengen an Plastikflaschen. Das deutsche Leitungswasser ist gut und ungefährlich.

„Besser leben ohne Plastik“



  • Nadine Schubert wurde 1981 geboren und lebt im unterfränkischen Oberaurach.
  • Die Mutter zweier Kinder veröffentlichte 2016 zusammen mit Anneliese Bunk den Bestseller „Besser leben ohne Plastik. Bereits seit 2013 betreibt sie einen gleichnamigen Blog.
  • 2018 erschien mit „Noch besser leben ohne Plastik die Fortsetzung des ersten Buches, ebenfalls im Oekom-Verlag. (seko)

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

Thema : Nachhaltigkeit in der Region

  • Serie (Teil 10) Fridays for Future: Grün und unversiegelt soll Mannheim sein

    Mannheim grüner zu machen, ist eine komplexe Aufgabenstellung. Das zeigt die letzte Folge unserer Serie. Ob es so rigoros geht, wie "Fridays for Future" fordern, erfahren Sie hier.

    Mehr erfahren
  • Serie „Fridays for Future“ „Das würde auch die Stadt hart treffen“

    In zehn Forderungen haben "Fridays for Future" ihre Zukunfts-Visionen einer klima- und sozialgerechten Stadt formuliert. Betroffene und Experten bewerten die Forderungen, diesmal geht es um den City Airport.

    Mehr erfahren
  • Serie „Fridays for Future“ Klimaneutrales Bauen ohne Mehrkosten

    In zehn Forderungen haben "Fridays for Future" ihre Zukunfts-Visionen einer klima- und sozialgerechten Stadt formuliert. Betroffene und Experten bewerten die Forderungen, diesmal geht es um klimaneutrales Bauen und Wohnen.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen