Viernheim. Vor 33 Jahren ist Helen Lenzen eigentlich nur für einen kurzen Besuch von den Philippinen nach Deutschland gereist – und dann geblieben. Inzwischen ist die 55jährige Mutter von zwei erwachsenen Kindern aus dem öffentlichen Leben in Viernheim kaum noch wegzudenken.
Die Tagesmutter hat mit anderen Frauen im vergangenen Jahr den Tanz „One Billion Rising – Rise for Freedom“ einstudiert. Sie engagiert sich im Internationalen Frauencafé und für die „Tafel“ und gestaltet Konzerte zugunsten von Kindern in ihrer früheren Heimat, den Philippinen. Sie denkt kurz nach: „Ich bin in Deutschland angekommen.“
Auf den Philippinen in Ormoc City als zweitältestes Kind aufgewachsen
Die Philippinen sind ein Staat von rund 7100 Inseln. Helen Lenzen ist auf der Insel Visayas in der Stadt Ormoc City aufgewachsen. Sie war das zweitälteste von elf Kindern. Sie sagt: „Das ist schön, aber auch schwierig.“ Die Kinder hatten manchmal nur eine Mahlzeit am Tag und manchmal keine Schuhe. Immer wieder mussten einige Geschwister mit der Schule aussetzen, damit alle Bildung genießen konnten. Helen lächelt: „Meine Eltern waren streng und gütig.“
Ihr Vater war Fotograf. Mit zwölf Jahren arbeitete Helen in dem Familienbetrieb mit. Während gleichaltrige Jugendliche Partys besuchten, war Helen viele Stunden mit ihrem Vater bei Geburtstagen, Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen dabei und erlernte das Metier des Fotografierens von Grund auf. Später arbeitete sie bei ihrem Onkel auch mit Videos. „Das machte wirklich Spaß.“
Mit 17 Jahren gründete sie mit sechs anderen Musikern ihre erste eigene Band „Centeped“, was „Skorpion“ bedeutet. Meist kombinierte Helen Foto-Shooting und Musik. Die jungen Leute luden ihre Instrumente auf einen Lkw und fuhren zu Events wie Hochzeiten. „Manchmal waren wir fünf Stunden unterwegs, es holperte ganz schön, denn wir fuhren nicht immer über Straßen, sondern auch über Feldwege. „Ich machte Fotos und stand als Sängerin auf der Bühne. Ich schlug also zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Helen.
Brieffreundschaften in den USA, Südamerika und Deutschland
Um ihre englischen Sprachkenntnisse zu verbessern, hatte sie wie ihre Freundinnen mehrere Brieffreundschaften. Sie schrieb in die USA, nach Südamerika und nach Deutschland. Nach drei Jahren lud ihr deutscher Briefpartner sie nach Deutschland ein. Helen dachte damals: „Warum nicht? Eine coole Action.“ Aber sie war vorsichtig. Eine Cousine lebte in Deutschland, die für Helen diskret die Angaben des Mannes zu Namen und Wohnort überprüfte. Helen sagte: „Es war alles okay, und meine Eltern waren einverstanden.“
Helen Lenzen hatte geplant, schon bald wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Doch sie verliebte sich und heiratete nach drei Monaten ihren Briefpartner. Der Anfang in Deutschland in der Stadt Buchen war schwer. Helen war davon ausgegangen, dass man in Deutschland, wie in ihrer Heimat, im Alltag mit Englisch zurechtkommt.
Sie verstand kein deutsches Wort. Als sie in einer Metzgerei Wurst bestellen wollte, verlangte sie „Kaiserschnitt“ statt „Aufschnitt“. Die Kunden lachten – nicht böse, sondern amüsiert. Für Helen war klar: „Jetzt muss ich ernsthaft Deutsch lernen.“
Ihre besten Sprachlehrer wurden ihr früherer Mann, ihre Schwiegermutter und eine Senioren-Frauengruppe. Die Frauen hatten Freude daran, mit Helen zu üben. Sie lacht: „Mit 27 Jahren habe ich Senioren-Kaffeefahrten mitgemacht und Deutsch gelernt.“ Als ihre Schwiegermutter nicht mehr Auto fahren durfte, machte Helen den Führerschein. Sie lacht wieder laut, wenn sie zurückdenkt: „Ich war so stolz, als ich endlich blinken konnte.“
Nach dem Führerschein gleich auf Jobsuche
Kaum war sie mobil, bemühte sie sich um Arbeit: „Seit meinem zwölften Lebensjahr hatte ich Geld verdient und war selbständig, das wollte ich in Deutschland wieder sein.“ So studierte sie die Anzeigen in der Zeitung und hatte sich einen Text für die Anrufe überlegt: „Ich bin Philippinin, und ich bin klein.“ Ein Anrufer lachte über die Worte und erzählte später seiner Frau: „Ich glaube, ich habe eine Tagesmutter für unsere Tochter gefunden.“ Das war so. Später wurde Helen Lenzen sogar die Patentante für die zweite Tochter und hat bis heute guten Kontakt zu der Familie.
Umzug nach Viernheim nach der Trennung von ihrem Mann
Nach der Trennung von ihrem Mann kam Helen Lenzen mit ihren zwei Kindern nach Viernheim. „Ich selbst hatte keine Angst vor dem Wechsel. Aber meinen Kindern versprach ich: Wenn es euch nicht gefällt, kehren wir nach einem Jahr in den Odenwald zurück.“ Doch die Kinder fanden rasch Freunde und wurden in Viernheim heimisch. Inzwischen sind sie fast erwachsen, und Helen hat als Tagesmutter ihr eigenes Kinderparadies.
Helen Lenzen ist ein- bis zweimal pro Woche bei der Viernheimer „Tafel“ ehrenamtlich aktiv. „Wer hier zu Gast ist, muss sich nicht schämen. Ich sage zu schüchternen Gästen: Du rettest Lebensmittel.“
Doch sie hat auch die Not in ihrer früheren Heimat nicht vergessen. Unter dem Motto „Helen & Friends Helping Hands Germany“ organisiert sie Benefizkonzerte. Ihr erstes Konzert mit Kollegen dauerte sieben Stunden und brachte 5000 Euro ein. Nicht jede Aktion ist so erfolgreich. Aber Helen sagt: „Lieber ein bisschen als nichts.“ Auf ihrer eigenen CD „Valentine“ singt sie Lovesongs wie „Just the way you are“ und „Moonriver“.
Spenden und 60 Patenschaften für Schulkinder auf den Philippinen
Ihre Partnerinnen auf den Philippinen sind ihre Mutter, ihre Schwester und ihre beste Freundin. Das Trio hat Kontakt zu zwei Schulen, die mit Viernheimer Spenden unterstützt werden. Außerdem gibt es rund 60 Patenschaften für Schulkinder. Helen Lenzen erklärt: „Für uns in Deutschland sind 20 Euro nicht viel Geld. Doch mit 20 Euro pro Jahr kann man einem Kind auf den Philippinen ein Jahr lang den Grundschulbesuch finanzieren.“
Das „Helen“-Trio auf den Philippinen ist achtsam. So wurden – in sehr seltenen Fällen – schon Kinder von der Patenliste gestrichen, die gleich von mehreren Organisationen Unterstützung angenommen hatten. Helen Lenzen selbst war 2019 und 2023 auf den Philippinen. „Wir haben einen Essenstag für die Schulen organisiert. Das war so ein großer Spaß, denn alle Kinder hatten an diesem Tag genug zu essen.“ Nun gibt es die Idee, einen eigenen Verein zu gründen. Dann lacht Helen Lenzen nochmal: „Das Benefizkonzert für Weihnachten ist auch schon in Planung.“
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