Mannheim. Der Mensch, der auf der Straße liegt, ist schwer verletzt. Blut. Überall Blut. Er hat Schmerzen. Er schreit. Das Auto hat ihn voll erfasst. Außer mir und dem Unfallopfer ist niemand zu sehen. Es dämmert. Wir brauchen Hilfe. Ich starre auf mein Handy. Notruf. 112. Und dann? Bin ich in der Lage, Informationen schnellstmöglich zu überbringen?
Eine solche Situation habe ich noch nicht erlebt – nur in Gedanken habe ich sie unzählige Male durchgespielt. Für Stotternde sind Telefonate generell nicht unbedingt eine Lieblingsbeschäftigung – in Situationen wie dieser kommt weiterer Stress dazu.

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Seit Herbst soll die „nora“-App Menschen mit eingeschränkten Sprech- und Hörfähigkeiten dabei helfen, einfacher Hilfe zu holen. Entwickelt vom nordrhein-westfälischen Innenministerium ist die App für Apple- und Android-Geräte bundesweit abrufbar – und Thema im „Ppppodcast“. Neben Projektleiter Ulrich Heyer ordnet Michael Müller, Disponent der Integrierten Leitstelle Mannheim, Funktion und Nutzen der App ein.
Fabian Roggentin war als Stotterer bereits in der Situation, Hilfe holen zu müssen. Vor Jahren – „nora“ war lange noch nicht auf dem Markt – habe ein Bekannter mit einer Axt ein Gewächshaus zerschlagen und sich in einem Haus verschanzt, schildert Roggentin die Situation. „Lange“ fünf Minuten habe er überlegt, ehe er den Notruf wählte. „Das war eine riesige Überwindung“, erinnert er sich. Kurz habe Roggentin darüber nachgedacht, andere zu bitten, Hilfe zu verständigen. „Das wäre noch unangenehmer gewesen als selbst anzurufen.“
Ruhige Ansprache empfohlen
Michael Müller kennt Situationen wie diese. Häufig komme es zwar nicht vor, dass Menschen anrufen, die Probleme haben, sich zu artikulieren. Aber es gebe Personen, die „nicht wissen, wo genau sie sich in Mannheim befinden“ oder auch Kinder, Verwirrte und „Personen mit höherer Sprachbehinderung“, erklärt Müller, der Notrufe entgegennimmt und Hilfe in die Wege leitet. Bereits in der Ausbildung würden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für solche Situationen geschult. Mit „nora“ stehe nun „ein weiteres Instrument zur Verfügung“. Die App sei eine „wesentliche Verbesserung“ für Menschen, die in der Kommunikation beeinträchtigt seien und einen Notruf „in einem strukturierten Verfahren“ absetzen müssten. „Wir können Notrufe damit sehr gut abarbeiten“, sagt der Disponent der Integrierten Leitstelle. Sollte ein Stotternder keinen Zugriff auf die App, haben, rät Roggentin der Leitstelle zu einer ruhigen Ansprache, dazu, dem Stotternden Zeit zu geben und bei „sehr starkem Stottern“ möglichst geschlossene Fragen zu stellen, auf die ein „Ja“, ein „Nein“ oder kurze Sätze als Antwort genügen.
Als Projektleiter hat Heyer die App federführend entwickelt. Zwar habe es im Herbst kurzzeitig Probleme gegeben, sich zu registrieren, der Notruf für bereits Angemeldete sei aber „durchgängig verfügbar“ gewesen, erklärt er. Die Wahrnehmung der App sei teilweise anders gewesen als ihr technischer Zustand. Inzwischen soll es problemlos möglich sein, sich zu registrieren. „Das System läuft durchgängig zuverlässig.“
Wie die App funktioniert, was Heyer zur Kritik von Verbänden sagt, zu welcher Art des Notrufs Müller Stotternden rät und wie Roggentin in der Not-Situation gesprochen hat, ist ab sofort kostenlos zu hören.
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