"Mensch Mannheim"

Ausnahmezustand nach Mannheimer Marktplatz-Attentat: Reporter geben Einblicke

Nach dem Messerangriff am 31. Mai auf dem Mannheimer Marktplatz war die Stadt im Ausnahmezustand. Auch die Redaktion des "Mannheimer Morgen". In der aktuellen Folge von "Mensch Mannheim" geben Redakteure tiefe Einblicke

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Florian Karlein
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Haben alle drei über das Messerattentat vom 31. Mai auf dem Mannheimer Marktplatz berichtet: Sebastian Koch (v.l.), Kai Plösser und Florian Karlein. © Florian Karlein

Mannheim. Der 31. Mai 2024 könnte den Menschen in Mannheim genauso im Gedächtnis bleiben wie der 11. September 2001: Viele werden sich auch in Jahren noch daran erinnern, wo sie waren und was sie gemacht haben, als sie von dem Messerangriff erfahren haben, bei dem der Polizist Rouven Laur sein Leben verloren hat. Auch für die Redaktion des „Mannheimer Morgen“ war die Zeit extrem herausfordernd. Einige Kolleginnen und Kollegen mussten in den Tagen und Wochen nach der schrecklichen Tat nicht nur beruflich, sondern auch emotional an ihre Grenzen gehen. Deswegen ist die aktuelle Folge des Podcasts „Mensch Mannheim“, die ab diesem Samstag verfügbar ist, eine besondere.

Was ist das Besondere an der aktuellen Folge?

Sie gewährt einen Einblick in das Innenleben der Redaktion: Wie haben die Reporterinnen und Reporter, wie hat die Nachrichtenzentrale in der Dudenstraße am 31. Mai und in den Tagen danach gearbeitet? Sebastian Koch und Kai Plösser waren nur wenige Minuten nach dem Attentat, das Sulaiman A. um 11.34 Uhr verübt hatte, am Marktplatz. Im Podcast sprechen sie über ihre Eindrücke, was ihnen ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist und wie sehr sie die schockierenden Szenen persönlich belastet haben. Außerdem kommt mit Daniel Kraft der stellvertretende Nachrichtenchef Digital des „MM“ zu Wort. Er schildert, wie hektisch es teilweise in der Redaktion zuging und wie alle Fäden zusammengeführt wurden.

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Wie belastend war das Attentat für die Journalisten?

In der jüngeren Vergangenheit berichtete die Redaktion immer wieder von - teilweise gefährlichen - Großereignissen in Mannheim: etwa das Containerunglück im Hafen im Sommer 2022 oder der Brand der Kauffmannmühle im Jungbusch Anfang 2023. Doch das Attentat stellte eine neue Dimension dar, versetzte auch die Redaktion in den Ausnahmezustand. „Die Bilder vom Video gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Das hat sich sehr eingebrannt“, erzählt Plösser. „Mich beschäftigt der Vorfall nach wie vor. Sobald man am Marktplatz ist, denkt man automatisch an diesen 31. Mai“, sagt Koch. Aber eines ist ihm wichtig zu betonen: „Es sind extrem fordernde Tage für uns als Lokaljournalisten gewesen. Man darf aber nicht vergessen, wie fordernd und schrecklich die Tage sowohl für die Polizeifamilie waren als auch für die Familien von Rouven Laur.“

Wie viele Menschen arbeiteten beim „MM“ an den Berichten mit?

Eine genaue Zahl lässt sich da nicht nennen. Neben Plösser und Koch haben in den folgenden Tagen weitere Reporterinnen und Reporter Geschichten recherchiert und geschrieben. Bei der AfD-Kundgebung mit Gegendemonstration auf dem Paradeplatz eine Woche nach dem Attentat waren alleine sechs Reporterinnen und Reporter sowie zwei Fotografen in der Innenstadt, um zu berichten - im Live-Blog auf der Homepage sogar nahezu in Echtzeit. Im Newsroom in der Dudenstraße war in der heißen Phase nach dem Messerangriff eine Person nur dafür eingeteilt, alle Nachrichten, Kommentare und Hintergründe auf die Veröffentlichungskanäle zu verteilen: von der Homepage über soziale Medien wie Instagram und Facebook bis zu Youtube und Whatsapp.

Dort kann man den Podcast hören

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Wie groß war das Bedürfnis nach Information von den Menschen?

Sehr groß. Das belegen die Zahlen aus dieser Zeit. Der Live-Blog, der kurz nach der ersten Meldung online ging, wurde in den ersten 14 Tagen 247 244 Mal aufgerufen. Die Nachrichten, Fotos und Video darin wurden schließlich 24/7 kuratiert. Bewusst hat die Redaktion die Entscheidung getroffen, den Liveblog kostenfrei laufenzulassen. „Wir wissen, in diesen Nachrichtenlagen geht es um schnelle Information, und da fühlen wir uns verantwortlich, dass wir vor allem in der Breite informieren“, erklärt Chefredakteur Karsten Kammholz im Podcast „Drehmoment“. Aber auch in sozialen Medien zeigte sich das enorme Interesse an der „MM“-Berichterstattung zum Marktplatz. Der Instagram-Kanal gewann in den ersten 14 Tagen danach 1570 neue Follower, davon 43,5 Prozent direkt aus Mannheim. Zur Einordnung: Aktuell folgen dem „MM“ auf Instagram etwa 26 100 Menschen.

Aber es gab auch kritische Fragen an die „MM“-Redaktion. Welche?

Etwa danach, warum die Redaktion irgendwann die Kommentarfunktion unter Artikeln auf der Homepage und Beiträgen in sozialen Netzwerken ausgeschaltet hat. Als gesicherte Fakten noch sehr dürftig waren, „waren die Kommentare voller Hass, Falschinformationen und kruder Spekulationen. Dem wollten wir einfach keinen Raum geben“, erklärt Daniel Kraft in „Mensch Mannheim“. Ganz bewusst hatte sich die Redaktion zunächst dafür entschieden, die Namen des - zu diesem Zeitpunkt noch verletzten - Polizisten zu nennen. Das änderte sich erst, als am Marktplatz ein großes Schild mit der Aufschrift „Rouven-Laur-Platz“ aufgehängt wurde. Und der Name des Attentäters wurde vom „MM“ erst dann veröffentlicht, als er durch viele andere Medien ohnehin bekanntgemacht worden war. Bis zum Schluss hielt die Redaktion aber die Entscheidung aufrecht, keine Szenen aus den beiden Videos von der Tat zu zeigen, die vielfach in sozialen Medien geteilt wurden. Kraft bei „Mensch Mannheim“: „Diese Bilder waren so grausam und erschütternd, dass wir das einfach nicht transportieren wollten.“

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Zum Schluss: Gibt es neue Ermittlungsergebnisse?

Vielleicht - jedenfalls rückt die Generalbundesanwaltschaft keine heraus. Sebastian Koch schildert in der aktuellen Folge des Podcasts, welche Fragen die Redaktion gestellt hat - und wie die Behörde die Nichtbeantwortung begründet.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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