Mannheim.. Mehr als drei Monate nachdem der Afghane Sulaiman A. am 31. Mai auf dem Mannheimer Marktplatz fünf Menschen verletzt und den Polizisten Rouven Laur getötet hat, sieht Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) das Zusammenleben gefährdet. Auch mit Blick auf den „schrecklichen Anschlag“ in Solingen vom 23. August sagte er am Freitag dieser Redaktion: „Unsere Demokratie und unser Zusammenhalt sind unter Druck.“
Am Sonntag liegt das Attentat auf dem Marktplatz 100 Tage zurück. Die Tat sei „auch ein Angriff auf unsere Meinungsfreiheit und damit auf die freiheitliche Demokratie“, sagte Specht. „Wir dürfen uns durch das Messerattentat nicht spalten lassen und sind umso mehr angehalten, die lange Tradition des gesellschaftlichen und interreligiösen Dialogs in Mannheim im Sinne der Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt aufrechtzuerhalten.“
Innenminister Strobl: Bund muss Abschiebungen erleichtern
Specht erklärte, dass die Stadtverwaltung einen dauerhaften Gedenkort für Laur auf dem Marktplatz plane. Details würden mit Angehörigen besprochen. Die letzte Entscheidung obliegt dem Gemeinderat.
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisiert, die Bundesregierung reagiere zu zögerlich. Er habe nach dem „bestialischen Messerangriff“ Kanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, Worten Taten folgen zu lassen, sagte Strobl dieser Redaktion. „Es ist fünf nach zwölf.“ Im Bund sei „erkennbar nichts passiert, weder im Juni, noch im Juli oder August“. Man warte „händeringend“, dass die Regierung Versprechungen umsetze. „Der erste Abschiebeflug ist ein zarter Anfang. Das hat sehr lange gedauert. Dabei darf es auch nicht bleiben.“
Auch der Vorsitzende der Mannheimer Gewerkschaft der Polizei (GdP), Thomas Mohr, sprach von einer „Welle der Empörung und Forderungen nach härteren Maßnahmen“, die die Tat ausgelöst habe. „Doch wie so oft warnen Experten und Politiker gleichzeitig vor überhasteten Reaktionen. Was folgt, sind Ankündigungen, die meist in der Diskussion verpuffen, bis das Thema aus den Schlagzeilen verschwindet und zur Tagesordnung übergegangen wird“, teilte er mit.
Generalbundesanwaltschaft lässt Fragen zu Ermittlungsstand nach Messerangriff offen
Die GdP fordert langfristige Lösungen. „Wer in Deutschland Hilfe als Asylant sucht und Straftaten begeht, muss seinen Schutzstatus bei uns verlieren.“ sagte Mohr.
Indes ist über die näheren Hintergründe des Attentats nach wie vor wenig bekannt. Die Generalbundesanwaltschaft führt die Ermittlungen. Eine Anfrage dieser Redaktion, unter anderem ob A. vernehmungsfähig ist und mittlerweile vernommen worden ist, blieb inhaltlich ebenso unbeantwortet wie Fragen, ob sich Hinweise auf ein islamistisches Motiv erhärtet haben oder wie sich A. radikalisiert haben könnte.
Die Ermittlungen werden nicht öffentlich geführt, weshalb die Behörde zwischen öffentlichem Interesse und Ermittlungsarbeit sowie Persönlichkeitsrecht abwägen müsste, sagte eine Sprecherin. Auch sei nicht klar, wann Informationen öffentlich gemacht würden oder wie der Zeitplan ausschaue. In der Regel würde ein Beschuldigter zuerst über eine mögliche Anklage informiert, dann die Öffentlichkeit.
Unterdessen fordert Matthias Schimpf (Grüne), Beigeordneter des südhessischen Landkreises Bergstraße, im Interview stationäre und mobile Grenzkontrollen. So könne man illegale Einreisen reduzieren und wisse, wer ins Land kommt. Der Regierung wirft er Versagen vor. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Provisorien sei nicht humanitär.
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