Fußball

WM-Stürmerin Lea Schüller: "Ich finde es traurig für die Männer"

Bei der WM in Australien war Lea Schüller schon im ersten Spiel erfolgreich. Die Stürmerin spricht im Interview über ihre Rolle im deutschen Team, über Parallelen zu Alexandra Popp - und über Homosexualität im Fußball

Von 
Frank Hellmann
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Beim 6:0-Auftaktsieg gegen Marokko kam Lea Schüller mal wieder als Joker ins Spiel – und traf. © Sebastian Christoph Gollnow/dpa

In der Vorbereitung auf das zweite WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien am Sonntag gab es noch mal einen freien Tag. Wie haben Sie den genutzt?

Lea Schüller: Ich war mit einigen unserer Mädels im Reptilienpark in Gosford. Ungefähr die Hälfte der Mannschaft war mit. Ich habe dort ein Krokodil gefüttert. Es war ungefähr fünf Meter lang und hieß Elvis.

Hatten Sie gar keine Angst?

Schüller: Doch, das war mit viel Adrenalin verbunden. Ich war wirklich so nahe dran, dass einem ganz schön die Pumpe ging. Aber es war ein cooles Erlebnis.

Sie bekommen ja einiges zu sehen: Gleich am Anfang gab es ein Whalewatching, bei dem Sie auch dabei waren.

Schüller: Das sind ja friedliche Tiere. Wir standen die ganze Zeit auf dem Boot und haben gehofft, dass wir etwas zu sehen bekommen. Wir hatten das Glück, dass wir direkt nach dem Rausfahren einen Wal gesehen haben.

Ist ihre Partnerin, die österreichische Seglerin Lara Vadlau, eigentlich neidisch, wenn Sie hört, was sie am Rande einer Fußball-WM so erleben?

Schüller: Wir wissen das zu schätzen, was der DFB uns neben dem Training und den Spielen ermöglicht. Das ist eigentlich generell im Fußball mit den vielen Auslandsreisen zu internationalen Spielen und Turnieren ein Privileg. Lara war aber schon mal in Australien: Ich glaube, sie hat 2016 in Melbourne mal den Weltcup gewonnen. Jetzt ist sie gerade in Holland, wo das Wetter auch nicht so gut ist.

Für Lara Vadlau steht jetzt bald auch eine WM an. Wie läuft es da?

Schüller: Ihre Weltmeisterschaft dauert nur sechs Tage. Jetzt ist die Vorbereitung. Wenn es gut läuft, kommt sie als Weltmeisterin zum Finale nach Australien – und vielleicht sind wir ja beide danach Weltmeisterinnen!

Lea Schüller

Lea Schüller ist 25 Jahre alt und hat in 48 Länderspielen bereits 32 Tore erzielt.

Die Stürmerin von Bayern München kam beim 6:0 gegen Marokko zu ihrem zweiten WM-Tor – 2019 hatte sie beim 3:0 im Achtelfinale gegen Nigeria erstmals getroffen.

In die EM in England ging sie zunächst als erste Mittelstürmerin, verlor ihren Platz aber nach einer Corona-Infektion an Alexandra Popp.

Die aus Krefeld stammende Schüller war Deutschlands Fußballerin des Jahres 2022.

 

Sie haben mal gesagt, wenn Lara nach zwei Wochen Segeln heimkomme, würde man merken, dass sie auf dem Boot immer den Ton angegeben hat. Dann wird der gemeinsame Urlaub nach der WM aber anstrengend, oder?

Schüller: Sie hat dann erst einmal die Hosen an, um es mal flapsig auszudrücken. Aber wir bekommen es schnell wieder hin, dass ich auch wieder was bestimmen darf.

Sie sind in völlig unterschiedlichen Sportarten in der Weltspitze aktiv. Was kann die eine von der anderen lernen?

Schüller: Darüber tauschen wir uns oft aus und das geht dann natürlich nicht über die sportlichen Fähigkeiten, weil unsere Sportarten zu unterschiedlich sind. Aber ich habe viel von Lara gelernt: noch ehrgeiziger zu sein, einen Willen zu entwickeln, gewinnen zu wollen. Das zeichnet sie als Sportlerin extrem aus. Lara hat von mir gelernt, dass Regeneration auch sehr wichtig ist. Gerade bei den vielen Reisen muss man immer auch mal runterfahren.

Wie viele Tage im Jahr sehen Sie sich denn, wenn Sie beide so viel unterwegs sind?

Schüller: Dieses Jahr ist es wirklich extrem. Lara ist locker 200 Tage im Jahr unterwegs und bei mir sind es grob geschätzt auch 100 Tage. Überschlagen kommen dann 250 Tage zusammen, an denen wir uns nicht sehen. Das ist wirklich viel.

War es eigentlich ein bewusster Schritt, über das Vereinsmagazin von Bayern München Ihre Beziehung öffentlich zu machen?

Schüller: Nein, gar nicht. Vorher hatte ich bei Instagram ja schon Bilder eingestellt. Es war gar kein Thema, das irgendwie bewusst zu steuern. Beim Interview mit Lara wurde ich vom Verein gefragt und dann haben wir das gemeinsam gemacht.

Warum ist der Frauenfußball beim Thema Homosexualität so viel offener als der Männerfußball?

Schüller: Weil es bei uns innerhalb einer Mannschaft ganz normal ist. Dass Frauen Frauen lieben, ist in der Bundesliga und im Nationalteam völlig natürlich. Da bringt jeder seinen Partner oder seine Partnerin auch zum Mannschaftsabend mit und alle verstehen sich. So wächst man bereits aus der Jugend heraus auf. Bei den Männern mag das ein Tabuthema sein, weil sie so sehr in der Öffentlichkeit stehen.

Ist das nicht traurig in der heutigen Zeit?

Schüller: Ja, ich finde es traurig für die Männer, die sich vielleicht sonst anders ausleben würden.

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Die Bodenständigkeit der deutschen Fußballerinnen sind Hauptgründe für die Beliebtheit: Sie spielen etwa beim FC Bayern und machen auch noch ein Studium im Wirtschaftsingenieurwesen.

Schüller: Ich weiß noch nicht, was ich nach der Karriere mache. Erst einmal ist für mich wichtig, für später ein zweites Standbein zu haben.

Also haben Sie auch Bücher nach Australien mitgenommen?

Schüller: Brauche ich ja zum Glück nicht, weil es ein Fernstudium ist. Da ist alles online – also digital.

Poppi und ich ähneln uns eher neben dem Platz

Sie spielen am Sonntag in einem ziemlich neuen Stadion, das ausverkauft sein wird. Was gibt Ihnen das?

Schüller: Ich finde das überragend. Bei der EM in England hat es ja angefangen, dass die Stadien ausverkauft waren. Es macht einfach mehr Spaß, vor vollen Rängen zu spielen. Und dass zu Hause noch so viele zugeschaut haben, gibt uns ein schönes Gefühl.

Nach dem Auftaktsieg gegen Marokko hat Fußball-Deutschland mal wieder von Alexandra Popp geschwärmt. Viel hat aber nicht gefehlt und Sie hätten auch zweimal getroffen.

Schüller: Das stimmt, aber es ist trotzdem etwas anderes. „Poppi“ hat von Anfang an gespielt und hatte die ersten Tore geschossen, die der Dosenöffner waren.

Sie haben kein Problem damit, in der zweiten Reihe zu warten? Sie wurden ja immerhin zur Fußballerin des Jahres 2022 gewählt.

Schüller: Ich finde es sehr wichtig, dass wir als starke Einheit auftreten und uns selbst hintanstellen können, weil das für ein Turnier extrem wichtig ist. Wenn es eine ganze Saison so laufen würde, wäre es natürlich frustrierend, aber hier haben wir das Ziel, sieben Spiele bei einer WM zu absolvieren. Dafür darf kein Neid aufkommen. Wenn „Poppi“ bei vollen Kräften ist, ist es in Ordnung, wenn ich mich hintanstelle.

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Viele sagen, dass Sie bei der WM noch gebraucht werden, weil der Doppelsturm mit Popp und Ihnen bei Rückstand wichtig werden kann. Wie gut gefällt Ihnen diese Variante?

Schüller: Meines Erachtens würde „Poppi“ dann ein bisschen zurückhängender spielen. Mir würde das natürlich gefallen, weil ich gerne mit ihr zusammenspiele.

Sind Sie eigentlich ähnliche Typen als Stürmerinnen?

Schüller: Ich glaube, dass wir uns neben dem Platz eher ähneln als auf dem Platz. Ich kann das so ganz genau nicht beschreiben, aber die Sache mit dem Krokodil: Das hätten nicht viele gemacht. Aber „Poppi“ und ich schon!

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