Mannheim. Von Marc Stevermüer
Im Augenblick der totalen Erlösung fallen die Spieler der Rhein-Neckar Löwen wie kleine Kinder übereinander her. Sie liegen im Mittelkreis vereint – auf einem großen gelben Haufen, während gleichzeitig bei den 8106 Zuschauern in der SAP Arena die große Party startet. Nach einem Handball-Thriller, in dem der Mannheimer Bundesligist lange Zeit viel zu viele Chancen auslässt und vor einer Niederlage gegen die starke TSV Hannover-Burgdorf steht. In einer furiosen Schlussviertelstunde dreht der zweifache Deutsche Meister aber einen 20:24-Rückstand (45.) und gewinnt glücklich mit 32:31 (13:14).
Es ist ein Kraftakt. Ein Krimi. Aber einer mit einem glücklichen Ausgang, weshalb Trainer Sebastian Hinze nach diesem Herzschlagfinale ein lautes und langgezogenes „Jaaa“ brüllt, als er sich auf den Weg in die Kabine macht.
Hinzes Schachzüge
Dass seine Mannschaft diese Partie gewinnt, liegt letztlich auch an ihm. Die Hereinnahme von Ymir Gislason in den Innenblock stabilisiert die Abwehr. Und mit der Versetzung von Albin Lagergren auf die Spielmacherposition gelingt ihm im Angriff der entscheidende taktische Schachzug, denn in den Schlussminuten läuft bei den Löwen fast alles über den Schweden. Zwei der letzten fünf Treffer erzielt der Linkshänder, einen weiteren von Kreisläufer Jannik Kohlbacher bereitet er brillant vor.
„55 Minuten war das Momentum aufseiten von Hannover. Aber wir haben an uns geglaubt, sind drangeblieben – und dann kamen die Impulse von der Bank“, sagt ein erleichterter Kapitän Patrick Groetzki nach diesem Stresstest, der neben Hinze, Lagergren und Gislason noch weitere Sieggaranten hervorbringt. Torwart Joel Birlehm, der 33 Prozent der Würfe auf sein Tor abwehrt und in der entscheidenden Phase zwei Siebenmeter hält. Und Linksaußen Uwe Gensheimer, der erst zur zweiten Halbzeit in die Begegnung kommt und anschließend als Führungsfigur vorangeht.
Der Mannheimer reißt seine Mannschaft mit, trifft spektakulär und nutzt sieben seiner neun Chancen. Zweimal ist er in den letzten fünf Minuten zur Stelle.
Von Beginn an hat die Begegnung etwas von einer irren Tempohatz. Es geht hin und her. Die Löwen finden häufig Lösungen über Kreisläufer Kohlbacher – oder eben über das Tempospiel. Die schnelle Mitte spielen die Badener perfekt, doch sowohl Olle Forsell Schefvert als auch der erneut nicht überzeugende Linksaußen Benjamin Helander scheitern ganz frei an Ebner.
Schon früh lässt sich erahnen, dass diese Begegnung für die Löwen gegen einen wirklich guten Gegner zu einer komplizierten Angelegenheit wird. Im ersten Durchgang ist es einzig Rückraum-Rechtshänder Halil Jaganjac, der sich von der Ebner-Show zwischen den Hannoveraner Pfosten nicht beeindrucken lässt. Fünf Würfe, fünf Tore sprechen für sich. Ebenso bemerkenswert wie diese Bilanz ist aber die Art und Weise. Furchtlos stürzt sich der Kroate immer wieder in die TSV-Abwehr, seine Treffer sind vor allem eines: Willensleistungen.
Beim 11:10 (22.) und 12:11 (25.) haben die Löwen zweimal die Chance, auf zwei Tore wegzuziehen. Doch sie verlieren jeweils den Ball und gehen sogar mit einem 13:14 in den zweiten Durchgang. „Wir haben es nicht geschafft, uns Sicherheit zu holen“, sagt Hinze später, als der große Druck abgefallen ist.
Bis er glücklich in der Pressekonferenz sitzt, muss der Wuppertaler aber gewaltig leiden. Ebner wird immer mehr zum Faktor, die Löwen verzweifeln und liegen 15:19 (37.) zurück. Innerhalb von 79 Sekunden legen die Badener dann aber einen 3:0-Lauf zum 18:19 (39.) hin, doch Hannover bleibt stabil und zieht erneut mit einer Vier-Tore-Führung bis auf 23:19 weg (44.).
Immer wieder ist Ebner Endstation, aber dessen 16. Parade ist nach 47 Minuten auch seine letzte. Tor um Tor kommen die Löwen plötzlich heran – und als Gensheimer fünf Minuten vor dem Abpfiff zum 28:27 für die Löwen trifft, explodieren auf den Rängen die Emotionen. Das Spiel kippt – und das Endresultat lässt Hannovers Trainer Christian Prokop fassungslos zurück: „Es ist schwer, das in Worte zu fassen.“
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