Die 9114 Zuschauer in der SAP Arena feiern ausgelassen auf den Rängen, als sich die Rhein-Neckar Löwen auf ihre Ehrenrunde machen. Die Fans stehen. Sie klatschen. Und reiben sich auch ein wenig verwundert die Augen. Denn dieser 32:27 (14:14)-Sieg über den THW Kiel zum Start in die neue Saison der Handball-Bundesliga kommt ein wenig überraschend - und sorgt entsprechend für eine Explosion der Emotionen. Auch bei den Spielern. So wie bei Ivan Martinovic.
Er genießt diesen besonderen Moment. Und schaut hinauf auf die steilen Ränge der Arena, wo der Kroate zwischen all den glücklichen Gesichtern seine Frau und seinen Papa findet. Der 26-Jährige winkt ihnen zu. Ein kurzes Lächeln huscht an diesem magischen Abend über sein Gesicht, der für ihn wahrlich ein ganz, ganz besonderer ist. Denn dass die Mannheimer gewinnen, liegt allen voran auch an den zehn Treffern des Neuzugangs. „Besser“, sagt Martinovic, „hätte ich es mir es kaum vorstellen können.“
„Beeindrucken, wirklich beeindruckend“, schwärmt Knorr
Sein Vater war für die Begegnung extra aus Wien angereist. Zu ihm pflegt der Neu-Löwe eine enge, eine innige Beziehung. Und zwar seit Kindheitstagen: „Er hat früher die ganze Woche gearbeitet und war am Wochenende zusammen mit Mama und meinen zwei Schwestern in den Hallen, um meinen Bruder und mich anzufeuern. Sie waren die ganze Zeit da, haben uns unterstützt.“
Mittlerweile sind die Hallen, in denen Martinovic spielt, ein wenig größer geworden. Er ist kroatischer Nationalspieler, gehört in der Bundesliga zu den besten Profis auf seiner Position. Doch an der Verbindung zur Familie hat sich nichts geändert. Wenn sein Vater nicht in der Halle ist, ruft der Sohn eben an. Und zwar nach jedem Spiel.
„Papa ist immer ehrlich zu mir, auch wenn ich keine gute Leistung gezeigt habe. Er hat selbst nie Handball gespielt, könnte aber mittlerweile als Trainer arbeiten. Er ist ein richtiger Experte geworden“, sagt Martinovic und lacht. Auch weil er sich stets auf den Zuspruch der Mutter verlassen kann: „Von ihr gibt es immer eine süße Nachricht - egal, wie ich gespielt habe.“
Vor dieser Saison wechselte der Rückraum-Linkshänder von der MT Melsungen zu den Löwen. Er gilt als Königstransfer. Und warum das so ist, zeigt der Kroate gegen Kiel. „Beeindruckend, wirklich beeindruckend“ sei die Leistung des neuen Kollegen gewesen, lobt Spielmacher Knorr.
In der Tat verkörpert Martinovic so etwas wie ein Rundum-sorglos-Paket. Er kann Tore aus großer Distanz erzielen, hat aber auch kreative Dienstleistungen für seine Kollegen im Angebot und ist noch dazu in der Abwehr schnell auf den Beinen. Kurzum: Der 26-Jährige gehört zu den wenigen Handballern, die nicht nur die eigene Mannschaft auf ein anderes Niveau hieven, sondern das gesamte Spiel verändern können. Was man innerhalb der 60 Minuten gegen Kiel auch sieht. Und weshalb man nachvollziehen, warum Trainer Sebastian Hinze vor Monaten über den neuen Löwen sagte, dass er keine Schwäche beim Kroaten sehe.
Das will Martinovic so aber nicht gelten lassen. „Keine Schwäche? Ich weiß nicht. Es gibt noch einige Dinge zu verbessern. Ich möchte allerdings zu genau diesem Spieler werden und bin davon überzeugt, dass mir Sebastian und meine Mitspieler mir dabei helfen werden“, sagt der Rückraummann, der beim Coup gegen Kiel aber nicht nur wegen seiner zehn Tore so wichtig ist.
Um seinen unglaublichen Wert zu verstehen, reicht es keinesfalls aus, einfach nur die Zahlen zu lesen. Man musst ihn spielen sehen. Seine Körpersprache erleben. 100 Prozent sind für Martinovic kein Richtwert, sondern der ganz normale Anspruch. Der Vollblut-Handballer reißt alle mit. Die Fans. Die Mannschaftskollegen.
Er sei ein „sehr emotionaler“ Spieler, sagt der Kroate, und wolle genau das auch ins Team hineintragen. Was ihm gegen Kiel gelingt. Und zwar eindrucksvoll. Wenn man so will, zündet der Ex-Melsunger die ganze Halle an. Mit seinen Toren. Mit seinen Gesten. Mit seinem Willen. „Ivan hat einen unglaublichen Spirit und die totale Gier auf Tore ausgestrahlt, uns immer wieder angefeuert und gesagt: ,Jetzt machen wir noch ein Tor. Und noch ein Tor. Und noch ein Tor. Er hat eine starke Siegermentalität“, freut sich Knorr über einen neuen Nebenmann mit Führungsstärke, wovon letztendlich auch der 24-Jährige selbst profitiert. Denn von nun an weiß der Spielmacher, dass er nicht mehr alles selbst regeln muss.
Martinovic will die „Löwen wieder nach oben bringen“
Martinovic macht keinen Hehl daraus, vorangehen zu wollen. Und zwar immer. Weshalb er nicht nur mit Herzblut, sondern auch mit ganz viel Hirn spielt. Selbst zwei verworfene Siebenmeter lassen ihn gegen Kiel weder verzweifeln oder verzagen. „Früher habe ich mich davon runterziehen lassen. Jetzt mache ich einfach weiter“, berichtet der Kroate, der nur so vor Tatendrang sprüht: „Ich möchte auf jeden Fall die Löwen wieder nach oben bringen. Denn da gehören sie hin.“
Zwar nicht ganz oben, aber eben doch deutlich über den Mannheimern stand der Kroate in der vergangenen Saison mit der MT Melsungen. Die Nordhessen wurden Fünfter, spielen nun im Europapokal. Martinovic hatte sich allerdings schon Anfang 2023 für einen Wechsel zu den Badenern entschieden, was sich für ihn aber nach wie vor „richtig“ anfühlt. „Die Löwen sind in Europa ein unglaublich bekannter Verein. Und es war schon immer mein Traum, für solch einen Club zu spielen. Deswegen ist dieser Wechsel ein Fortschritt für mich“, sagt Martinovic, der in Wien geboren wurde und aufwuchs, aber für die kroatische Nationalmannschaft spielt. Sein Bruder Marin ist wiederum für die österreichische Auswahl aktiv.
Er trage beide Nationen in sich. Sein Handball-Herz schlage aber eindeutig kroatisch, sagt Martinovic. Und wer ihn so leidenschaftlich spielen sieht, erkennt schnell, warum das so ist. Ansonsten ist es für ihn allerdings schwierig, genau zu definieren, was kroatisch und was österreichisch an ihm sei. Nur eine Entscheidung fällt ihm leicht. Und zwar, wenn es ums Essen geht. Cevapcici oder Wiener Schnitzel? „Ganz klar Cevapcici.“
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