Handball

Bilanz nach Handball-WM: Die Achse steht beim DHB-Team

Die deutsche Handball Nationalmannschaft hat bei der WM 2023 den fünften Platz erreicht. Ein klarer und großer Schritt nach vorne. Doch neben hoffnungsvollen Punkten gibt es auch Schwachstellen. Eine Bilanz

Von 
Marc Stevermüer
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Absolute Stützen: Torwart Andreas Wolff und Spielmacher Juri Knorr. © Woitas/dpa

Alfred Gislason freute sich erst einmal auf ein Glas Rotwein. Ganz entspannt stand der Handball-Bundestrainer am Sonntag in den Katakomben der Stockholmer Arena, wo die deutsche Nationalmannschaft zuvor Norwegen mit 28:24 (16:13) besiegt hatte und damit die Weltmeisterschaft als Fünfter abschloss.

Wie ist der fünfte Rang zu bewerten?

Die Mannschaft hat das Viertelfinale erreicht und sich damit die Chance auf die Olympia-Teilnahme 2024 bewahrt. Der Deutsche Handballbund (DHB) wird sich um die Ausrichtung eines Qualifikationsturniers bewerben. Ansonsten besiegte die DHB-Auswahl die Gegner, die sie besiegen muss und zum Abschluss mit Norwegen auch endlich einmal eine Topmannschaft. „Der fünfte Platz ist gerecht. Viel fehlt aber nicht mehr, um den Großen ein Bein zu stellen“, meinte ein zufriedener Gislason mit Blick auf die Halbfinalisten Spanien, Frankreich, Schweden und Dänemark: „Das Turnier war ein Riesenerfolg. Von den besten zehn Mannschaften auf der Welt ist meine die unerfahrenste. Meine Spieler sind als Talente angereist und verlassen diese WM als international anerkannte Spieler.“ Torwart Andreas Wolff sprach von der „erweiterten Weltspitze“, die man erreicht habe.

Wie weit sind die großen Vier entfernt?

Es ist kein Zufall, dass mit Dänemark, Spanien, Frankreich und Schweden die gleichen vier Nationen im Halbfinale standen wie bei der EM 2022 und der WM 2021. „Die Schweden haben viele Spieler in der eigenen Liga entwickelt und sind immer besser geworden, sie können ein gutes Vorbild für uns sein“, sagt Rechtsaußen Patrick Groetzki: „Man kann sich alles erarbeiten, das sieht man an Schweden oder auch Spanien.“ Mit Dänemark und Frankreich sei das „etwas anderes“, meint der Kapitän der Rhein-Neckar Löwen. Diese Mannschaften sind durchgehend mit Ausnahmespielern besetzt. Die Zuversicht wächst allerdings nach diesem Turnier bei den Deutschen. „Wir können gegen große Nationen Großes leisten“, sagte Rückraummann Luca Witzke.

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Was muss besser werden, um ins Halbfinale zu kommen?

„Uns fehlt Breite, insbesondere in der Abwehr“, monierte Gislason immer wieder im Turnier. Im Innenblock müssen Johannes Golla und Julian Köster praktisch durchspielen, weshalb ihnen dann im Angriff die Kraft fehlt. Im Rückraum lastet zudem zu viel Verantwortung auf den Schultern des 22-jährigen Juri Knorr, der ein überragendes Turnier spielte und die WM sowohl als bester Vorlagengeber (52) als auch als bester Scorer (Assists und Tore addiert, 105)) beendete. „Das ist cool, aber wir müssen als Mannschaft weiterkommen. Ich würde das nicht nehmen und stattdessen lieber ein großes Spiel um eine Medaille bestreiten“, sagte Knorr dieser Redaktion: „Wir müssen an der Feinjustierung arbeiten. Dann können wir so ein Viertelfinale mal gewinnen. Ich bin überzeugt, dass das geht.“

Dafür benötigt der Mann von den Rhein-Neckar Löwen aber mehr Unterstützung von den Halbpositionen. „Da strahlen wir keine große Gefahr aus“, kritisierte Gislason. Insgesamt fehlt es auch an Tiefe im Kader. Die Folge: Der Bundestrainer kann kaum Leistungsträger schonen. Das sieht bei den Franzosen ganz anders aus. „Die haben gegen uns mit dem kompletten Kader gespielt“, merkte Gislason an.

Worauf kann der Bundestrainer aufbauen?

Es gibt eine Achse mit Torwart Andreas Wolff, Johannes Golla und Julian Köster in der Abwehr sowie Knorr als Chefstrategen im Rückraum. Auf der Linksaußenposition hat sich Lukas Mertens etabliert. Um sie herum muss der Rest der Mannschaft aufgebaut werden.

Gibt es auch Verlierer?

Natürlich. Es fehlt einem langsam die Fantasie, wie Philipp Weber dieser Mannschaft noch helfen soll. Einst auserkoren zum Anführer, wurde er nun von der Spielmacherrolle auf die halblinke Position versetzt und überzeugte auch dort in keinem Spiel. Hinzu kommen seine Schwächen in der Abwehr. Am Sonntag stand der Magdeburger gegen Norwegen gar nicht mehr im Kader. Ein Fingerzeig.

Wie wird sich der Kader verändern?

Sebastian Heymann, Timo Kastening und Julius Kühn fehlten bei diesem Turnier verletzt. Die Rechtshänder Kühn und Heymann überzeugten zuletzt zwar nicht im DHB-Dress, könnten aber für die oft vermisste Wurfgewalt aus dem Rückraum sorgen. Heymann ist zudem eine Option für den Innenblock, was ihn besonders wertvoll macht. Kastening wird sich mit Groetzki um den Stammplatz auf Rechtsaußen duellieren.

Deutlich interessanter sind allerdings zwei andere Personalien. Fabian Wiede sagte zum wiederholten Male kurzfristig ein Turnier ab. Hendrik Pekeler deutete an, sich nach mehr als zwei Jahren Pause eine Rückkehr ins Nationalteam vorstellen zu können. Sportlich sind beide über jeden Zweifel erhaben, sie machen diese Mannschaft auf den Problempositionen Mittelblock und Rückraum rechts besser. Aber: Wie findet es die Mannschaft, dass man zuletzt nicht auf dieses Duo zählen konnte? Gislason hatte zunächst euphorisch auf Pekelers Rückkehr-Gedanken reagiert, äußerte sich aber am Wochenende diplomatischer: „Ich spekuliere nicht, wer dazukommen könnte.“

Kann Deutschland 2024 bei der Heim-EM um Medaillen spielen?

Das ist das klare Ziel und es wurde so auch erneut von DHB-Präsident Andreas Michelmann am Sonntag bekräftigt: „Wir wollen unter die letzten vier Mannschaften.“ Vor vier Jahren zog die deutsche Auswahl bei der Heim-Welmeisterschaft auch ins Halbfinale ein und wurde vom Publikum getragen.

Was den Weg in Richtung Medaillen in einem Jahr erleichtert: Viele Topnationen kommen als Gegner bis zum Halbfinale nicht infrage. Zwar sind die Gruppen noch nicht ausgelost, aber einige große Nationen für bestimmte Spielorte bereits gesetzt. Schweden, Norwegen und Dänemark werden allesamt erst im Halbfinale mögliche Gegner der Deutschen sein.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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