Stockholm. Es kann nur er sein. Als die deutsche Handball-Nationalmannschaft am Freitag bei der Weltmeisterschaft mal wieder eine Führung leichtfertig verspielt, ist es am Ende ihr Kapitän, der den 35:34 (30:30, 17:14)-Sieg nach Verlängerung über Ägypten rettet. In der letzten Spielminute sichert der Kapitän mit großem Einsatz den Ball und hält einen Erfolg fest, der niemals mehr in Gefahr hätte geraten dürfen.
Mit 27:19 führt die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) nach 42 Minuten, bringt den großen Vorsprung aber nicht ins Ziel. Ein Umstand, der den Kapitän nervt. Weshalb er nach dem Schlusspfiff sehr deutlich wird.
„Alles falsch gemacht“
„Wir haben ab der 45. Minute alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Wir verlieren die Bälle, bekommen entsprechend die Gegenstoßtore, bringen freie Bälle nicht im Tor unter und machen technische Fehler“, zählt er in den Katakomben der riesigen Stockholmer Arena die Mängelliste schonungslos auf. Keine Frage: So hatte man Golla beim DHB noch nicht erlebt. Doch diesmal sieht er sich offensichtlich gezwungen, Klartext zu sprechen. Obwohl die deutsche Mannschaft ihr Ziel erreicht hat und am Sonntag um Platz fünf spielt.
Doch das interessiert Golla in diesem Augenblick nicht. Es sei „erschreckend, was da passiert ist“, legt er mit ernster Miene nach und will sich auch nicht darüber freuen, dass die DHB-Auswahl endlich einmal ein knappes Spiel für sich entscheidet. Denn so weit hätte es seiner Meinung nach gar nicht kommen dürfen: „Ich glaube nicht, dass man das Ende positiv bewerten kann. Es ist total unnötig, dass wir in die Verlängerung müssen. So viele Fehler dürfen nicht passieren - und das muss klar angesprochen werden.“ Es folgt ein entscheidender Satz, der seinen Ärger, vor allem aber seine Ambitionen und seinen Ehrgeiz erklärt: „Wenn man auf Weltniveau spielen will, darf das nicht passieren.“ Und das Ziel dieser Mannschaft ist nun mal „Weltniveau“. Golla hat es bereits erreicht.
Seit dem Rücktritt des Mannheimers Uwe Gensheimer nach den Olympischen Spielen 2021 in Tokio führt der 25-Jährige die Nationalmannschaft als Kapitän an. Für Bundestrainer Alfred Gislason ist er eine „Idealbesetzung“ in dieser Rolle. Der Isländer beschreibt seinen verlängerten Arm auf dem Feld, seinen ersten Ansprechpartner als „gewissenhaft“, „bodenständig“, „reif“ und „unersetzbar“. Als eine „unglaubliche Säule“ und „zuverlässigen Spieler“, der auch von sich aus regelmäßig den Austausch mit Gislason sucht. Um Dinge zu besprechen, anzuschieben und zu verändern.
Golla wiederum spricht von einem „Vertrauensverhältnis“ zum Bundestrainer, das über Jahre gewachsen sei. „Am Anfang war ich ein normaler Nationalspieler, dann hat er mich zum Kapitän befördert, seitdem ist unsere Kommunikation nochmal auf ein anderes Niveau gerückt.“ Gislason sage ihm genau, was ihm wichtig sei und was er von der Mannschaft erwarte. „Auf der anderen Seite trage ich ihm meine Ideen vor, wie wir als Team am weitesten kommen können. Das ist eine super Zusammenarbeit“, sagt Golla, der zweifelsohne das Zentrum dieser Mannschaft und ihr Anführer ist. Um ihn herum wird der Rest des Teams aufgebaut.
Konstanz angemahnt
Ein paar wichtige Stützen kommen bei dieser WM dazu. Stichwort „Weltniveau“. Torwart Andreas Wolff läuft zu früherer Form auf, Juri Knorr wird für die nächsten Jahre ziemlich sicher die Spielmacherrolle prägen. Der Rest muss sich noch finden, noch wachsen, strapazierfähiger werden. „An guten Tagen können wir begeisternden Handball spielen“, meint Golla. Allerdings lassen sich gute Tage nicht beliebig planen. Es geht um ein stabiles Grundniveau mit geringen Schwankungen. Wenn man so will, muss die ganze Mannschaft ein bisschen mehr wie Golla werden. Das würde der bescheidene Kapitän so zwar nie formulieren, letztendlich bedeuten seine Sätze aber nichts anderes: „Wenn wir um die Titel mitspielen wollen, müssen wir Spiele über 60 Minuten konstant gestalten.“ Und nicht wie gegen Ägypten auftreten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport_artikel,-sport-deutsche-handballer-gewinnen-klartext-von-kapitaen-golla-_arid,2044862.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/sport_artikel,-sport-weltklasse-von-wolff-dhb-team-besiegt-aegypten-_arid,2044801.html