Handball

Deshalb ist Nikola Karabatic der Größte aller Zeiten

Nikola Karabatic bestreitet mit der französischen Nationalmannschaft bei der Handball-WM bereits sein insgesamt 25. Turnier. Er kann seine 17. Medaille gewinnen. Doch den Rückraummann macht mehr aus, als nur seine Titel

Von 
Marc Stevermüer
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Immer noch schwer zu stoppen: Nikola Karabatic (links, hier gegen den Montenegriner Mirko Radovic). © Piotr Hawalej/dpa

Danzig. Eine Rückkehr in die Heimat ist in den 90er Jahren ausgeschlossen. Im serbischen Nis herrscht Krieg und Familie Karabatic bleibt lieber in Frankreich. Also dort, wo Vater Branko als Handball-Torwart sein Geld verdient und zu einem Vorbild für seinen jungen Sohn Nikola wird. Niemand kann zu diesem Zeitpunkt erahnen, dass dieser Junge irgendwann nicht nur der beste Spieler der Welt, sondern der Größte aller Zeiten sein wird. Und zwar im Trikot der französischen Nationalmannschaft.

Als Vierjähriger kommt der kleine Nikola nach Frankreich. Dort wächst er auf, vergisst aber niemals seine Wurzeln. Nicht wenige glauben, dass Karabatic genau deshalb solch ein außergewöhnlicher Handballer ist. Weil er zwei Kulturen in sich trägt. „Dieser Mix hat es ihm erlaubt, das zu werden, was er heute ist“, glaubt Jackson Richardson, dessen Urteil ein gewisses Gewicht hat.

Denn bevor er sich 2009 noch einmal zu einem Kurz-Comeback bei den Rhein-Neckar Löwen hinreißen lässt, ist Richardson ebenfalls ein einzigartiger Handballer. Aber eben nicht so gut wie Karabatic, der die französische Nationalmannschaft spätestens mit dem Olympiasieg 2008 auf ein neues Level hebt und seitdem immer zur Stelle ist, wenn ein Anführer gebraucht wird. Getrieben von einem nicht enden wollenden Ehrgeiz und gesegnet mit einer Mentalität, mit der er seine ganze Mannschaft mitreißt und die Nation begeistert.

„Er ist eine eigene Kategorie“

Seine langjährigen Teamkollegen Thierry Omeyer und Daniel Narcisse, die ihre Karrieren beendet haben, bestätigen das. „Nikola hat etwas Besonderes, das ihn seit Beginn seiner Karriere auszeichnet. Er hat das wahrscheinlich geerbt“, sagt Omeyer. Narcisse wiederum bezeichnet die „Mentalität“, mit der Karabatic einst die große Bühne betrat, als „etwas Neues in unserem Sport“. Kurzum: Einen Mann wie Karabatic gab es vorher schlichtweg nicht.

Der ehemalige deutsche Nationaltorwart Henning Fritz spielt von 2005 bis 2007 mit dem damals noch recht jungen Karabatic beim THW Kiel. Seitdem verfolgt er die Karriere seines einstigen Kollegen. Und auch Fritz staunt. „Bei Nikola spricht man immer von internationaler Klasse oder Weltklasse. Aber das reicht nicht, um ihn zu beschreiben.

Karabatic sei eine eigene Kategorie, sagt der Weltmeister von 2007 und erklärt, wie er zu diesem Urteil kommt: „Es geht ja gar nicht nur darum, was Nikola alles gewonnen hat, sondern dass er bei all den Erfolgen auch immer eine entscheidende und tragende Rolle gespielt hat.“

Bei der aktuellen WM in Polen und Schweden bestreitet der mittlerweile 38 Jahre alte Karabatic sein 25. Turnier. Welt- und Europameisterschaften, Olympische Spiele – seit 2003 ist der Rückraummann fast immer dabei – nur bei der WM 2021 fehlt er verletzt. Dabei gewinnt er 16 Medaillen (zehnmal Gold) und wird viermal zum besten Turnierspieler gekürt.

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Am Freitag kämpft er mit den Franzosen gegen Schweden erneut um den EM-Finaleinzug. Es wäre sein zwölftes Endspiel mit dem Nationalteam, in dem seine Rolle zwar nicht mehr so dominant ist wie zu früheren Zeiten, er der Mannschaft aber allein schon mit seiner Aura hilft. Zu sehen war das auch beim 35:28-Viertelfinalsieg am Mittwoch über Deutschland.

An seinen Rücktritt denkt der Superstar noch lange nicht, weil es für ihn stets eine Ehre, ja sogar eine persönliche Pflicht ist, das Land zu vertreten, in dem er aufgewachsen ist. Weil die Gier nach Erfolg immer noch da ist.

So wie zum Start seiner Karriere, als der Franzose auch eine persönliche Motivation hatte, wie er in einer Dokumentation des Europäischen Handballverbandes verriet: „Ich wollte meinen Vater stolz machen und ihm zeigen, dass alles, was er mir erzählt hat, geholfen hat.“

Außer Frage steht: Karabatic machte seinen mittlerweile gestorbenen Vater stolz. Und zwar mehrfach. Meistens gingen die Franzosen in den vergangenen 20 Jahren als Sieger vom Feld – und nicht gerade selten war dafür der Junge aus Nis verantwortlich.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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