Mannheim. Marten Winkler war der bislang letzte Neuzugang des SV Waldhof und musste sich nach seinem Über-Nacht-Transfer vor drei Wochen erst einmal ein wenig orientieren. Er sei in „Wiernheim“ untergekommen, berichtete der 19-jährige Berliner nach seiner Ankunft in der Kurpfalz über seinen vorübergehenden Hotel-Standort in Südhessen und suchte noch etwas nach den Feinheiten der lokalen Ausspracheregeln. Wo die Tore im Carl-Benz-Stadion stehen und wie laut es dort werden kann, wenn man vier Minuten vor dem Abpfiff entscheidend für den Mannheimer Drittligisten trifft, dürfte der Youngster aus dem Hertha-BSC-Nachwuchs nach dem 1:0 (0:0)-Erfolg gegen den FC Erzgebirge Aue nun aber definitiv verinnerlicht haben - und so schnell auch nicht mehr vergessen.
„Das war so laut, ich kann es gar nicht in Worte fassen“, war Winkler auch zehn Minuten nach dem Abpfiff noch immer voll von Glückshormonen, nachdem sich die Abwehr der Sachsen bei der entscheidenden Freistoß-Flanke von Alexander Rossipal auf die üblichen Verdächtigen wie Marcel Seegert konzentriert und den für Dominik Martinovic eingewechselten Angreifer offenbar aus den Augen verloren hatte. „Ich bin einfach in die Tiefe gelaufen und auf einmal sehe ich, dass links und rechts keiner bei mir ist und konnte den Ball ganz in Ruhe einköpfen“, beschrieb Winkler die Szene, die dem Waldhof im lange umkämpften Duell mit dem Zweitliga-Absteiger doch noch drei Punkte bescherte.
„Das gibt sehr, sehr viel Kraft“
„Ich war auch überrascht, dass er dann sooo frei war“, kommentierte Vorlagengeber Rossipal diese Szene mit einem breiten Grinsen. Aber nachdem zuvor 85 Minuten um jeden Zentimeter gekämpft worden war, genossen die Mannheimer natürlich die plötzlichen Freiheiten im gegnerischen Strafraum - und nahmen den Last-Minute-Sieg gegen den Ex-Zweitligisten auch als Stimmungsaufheller gerne mit. Schließlich hatte das jüngste 2:2 in Verl durch sein Zustandekommen schon etwas bleiern auf der blau-Schwarzen Seele gelastet. Nun bewies der Waldhof, dass er auch selbst spät zuschlagen und das Erreichte dann über die Ziellinie bringen kann.
„So ein Spiel auf unsere Seite zu ziehen, gibt sehr, sehr viel Kraft“, bestätigte Außenverteidiger Rossipal und war damit auf einer Längenwelle mit Matchwinner Winkler. „Das hat uns schon gestört“, spielte auch der 19-Jährige nochmals auf Verl an. „Deshalb ist das mit Blick auf die nächsten Spiele sehr wichtig“, freute sich Winkler über den Sieg.
Nicht weniger zufrieden zeigte sich Trainer Christian Neidhart, der vor allem am Auftritt der eingewechselten jungen Garde Adrien Lebeau (23), Dominik Kother (22) und eben Winkler (19) seine Freude hatte. „Das haben sie gut gemacht und wir haben das Spiel hinten raus über die Bank gewonnen“, analysierte der Coach die Partie, die nach einem Pfostenschuss auf beiden Seiten, mehr Ballbesitz der Sachsen im ersten Durchgang und dem stetig steigenden Druck der Mannheimer in Halbzeit zwei, auch auf ein leistungsgerechtes Remis hätte hinauslaufen können.
„Über ein Unentschieden hätte sich am Ende auch niemand beschweren können“, war für Neidhart deshalb klar, während sein Gegenüber Timo Rost der etwas eigenen Sichtweise anhing, dass Aue dieses Spiel „hätte klar für sich entscheiden müssen“. Doch das waren die Sorgen eines Zweitliga-Absteigers, der mit zwei Punkten aus drei Spielen und dem klaren Pokal-Aus gegen Mainz seinen Ambitionen weit hinterherläuft, während der Waldhof zur Halbzeit der englischen Woche erst einmal eine positive Zwischenbilanz ziehen konnte.
Neidhart zahlt für Standard-Tore
Schließlich sind die Blau-Schwarzen nach dem Aufstieg 2019 noch nie so erfolgreich in eine Saison gestartet wie im Juli/August 2022 und betrachten das Geschehen als Vierter eher von oben als Aue auf Rang 14. Zu diesem frühen Zeitpunkt sicher marginal, aber was die Stimmungslage betrifft sicher nicht zu unterschätzen.
Neben dem erfreulichen Start, der mit Blick auf die Nachlässigkeit von Verl sogar optimal hätte ausfallen können, fällt zudem auf, dass der SVW bislang in jedem Spiel über einen Standard zum Erfolg kam. Zum Auftakt gegen Köln erzielte Gerrit Gohlke nach einer einstudierten Freistoß-Variante das zwischenzeitliche 2:1, in Verl traf Stefano Russo nach einer Rossipal-Ecke per Kopf.
Ob es nun daran liegt, dass Trainer Neidhart für jedes Standardtor einen offenbar üppigen Zuschuss für die Mannschaftskasse ausgelobt hat, bleibt momentan noch eine offene Frage, der Coach kann jedenfalls gut damit leben, dass vom eigenen Gehalt ein bisschen was an seine Kicker zurückfließt.
„Ich denke, dass ich am Ende des Monats noch etwas im Kühlschrank habe“, hat der 53-Jährige offenbar gut kalkuliert und vielleicht auch etwas für die anstehende Partie am Sonntag in Meppen (13 Uhr) zurückgelegt. Bei seinem langjährigen Ex-Club dürfte sich der neue Waldhof-Coach dann sicher schneller zurechtfinden wie Marten Winkler in „Wiernheim“ und Umgebung - aber die wesentlichen Koordinaten sitzen ja schon.
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