Mannheim. Das Versöhnliche vorweg: Wenn sich der gegnerische Trainer nach einem 3:0-Sieg Zeit und Muse nimmt, vor allem Sportlichen die Fans des SV Waldhof zu loben, sagt das viel aus über deren Leistung. „Zunächst einmal möchte ich ein Kompliment sagen an die Waldhof-Fans. Was die für eine Stimmung gemacht haben, welche Wucht sie damit entfachen – und das bei hohem Rückstand zu Hause: Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das habe ich so selten erlebt“, so Cottbus-Coach Claus-Dieter Wollitz auf der Pressekonferenz nach dem Spiel bei Fußball-Drittligist Waldhof Mannheim.
Während sich unten auf dem Platz meist vergeblich abgemüht wurde, die Spieler verzweifelt in Unterzahl einem 0:2 hinterherliefen, feierten oben auf den Tribünen die Waldhof-Anhänger. Sich selbst, den Verein – und nicht zuletzt auch die Mannschaft.
Denn die, das muss man ihr lassen, war ehrlich bemüht, die überwiegend katastrophale erste Hälfte vergessen zu machen und vielleicht, mit ein bisschen Glück, einen Fuß zurück in die Partie zu bekommen. Das 0:1 hatte der SV Waldhof nach etwas mehr als sechs Minuten kassiert, das 0:2 kurz vor der Pause. Dazu flog Kapitän Lukas Klünter bereits nach 25 Minuten mit Gelb-Rot vom Platz.
SV Waldhof versucht es gegen Cottbus mit Spielkontrolle und schnellem Kombinationsspiel
Was war da los? Zum Platzverweis wollte sich Luc Holtz nicht vor dem eigenen Videostudium äußern. Sein Sportchef, Gerhard Zuber, hatte unmittelbar neben der Szenerie gestanden und sich für sein vehementes verbales Einschreiten die Rote Karte eingehandelt.
Durchaus reumütig analysierte er kurz nach Spielschluss das Geschehene: „Wir müssen uns vor allem an die eigene Nase packen. Wir hatten heute keine Verteidigungsmentalität.“ Janne Sietan, in der Pause eingewechselt, brachte es ähnlich knackig auf den Punkt: „Am Ende haben wir uns selbst geschlagen.“
Wir können nicht vorne die Bälle verlieren und dann hinterher traben. Wir waren mental nicht auf dem Platz.
Wie vom Trainer und seinem Spielsystem gefordert, versuchte es der SV Waldhof mit Spielkontrolle, wollte sich flach und möglichst direkt nach vorne kombinieren. Das Problem: Landete ein Ball beim Gegner, ging es nicht im Sauseschritt zurück. So gar nicht. „Wir können nicht vorne die Bälle verlieren und dann hinterher traben“, so das schonungslose Urteil des Trainers, der mit seiner ersten Analyse nicht hinter dem Berg hielt: „Wir waren heute mental nicht auf dem Platz. Wir hatten keine Intensität, nicht mit und nicht ohne Ball. Wir waren zu langsam, mit den Beinen genauso wie mit dem Kopf.“
SV Waldhof Mannheim wirkte gegen Cottbus bei Ballverlust kollektiv überfordert
So klar die Analyse, so fraglich das Warum: Wie kann man nach zwei Siegen und vor einem mit rund 13.000 Zuschauern mehr als ordentlich gefüllten Stadion eine solche Leistung abliefern? Wie kann man vor einer solchen Kulisse nicht in jeden Zweikampf fliegen und um jeden Quadratzentimeter Rasen kämpfen?
Gute Fragen, wichtige Fragen. Die Dritte Liga ist nun einmal eine Spielklasse, in der man über die Grundqualitäten des Fußballs kommt. Einsatz, Physis, Leidenschaft. Im Zweifel entscheidet der Wille eher als das Können. Umso erstaunlicher und rätselhaft erscheint der Heimspiel-Blackout der Waldhof-Buwe gegen Cottbus.
Was offensichtlich war und als ein Erklärungsansatz dienen kann: Bei Ballverlust ging es nicht nur individuell zu langsam in die Gegenbewegung, sondern wirkte der SV Waldhof auch kollektiv überfordert. Holtz, der sich für das Spiel gegen die konterstarken Cottbuser für eine offensive Mittelfeld-Struktur mit nur einem Sechser entschieden hatte, machte sich hinterher auch so seine Gedanken zur Formation. Vielleicht wäre eine Dreierkette mit Schienenspielern besser gewesen, vielleicht auch eine ganz andere taktische Variation, so der Trainer in kleiner Runde.
SV Waldhof gegen Cottbus: Hiobsbotschaft kurz vor Schluss
Ein Indiz: Nachdem Holtz in der Pause Diego Michel auf die Sechser-Position vor die Abwehr gezogen und dazu den laufstarken Kushtrim Asallari und den zweikampfstarken Janne Sietan gestellt hatte, bekam seine Truppe deutlich mehr Zugriff auf die Partie. Julian Rieckmann, der in Durchgang eins bis zum Platzverweis alleine die neuralgische Position besetzt hatte, stand als einzige zentrale Absicherung im Umschaltspiel auf verlorenem Posten. „Hinterher weiß man immer mehr“, kommentierte der Trainer das Personalpuzzle, das jetzt noch einmal komplizierter wird.
Kurz vor Schluss verletzte sich Michel am Sprunggelenk. Unter großen Schmerzen musste der Stabilisator des Waldhof-Spiels vom Feld. „Wir rechnen damit, dass er die nächsten Wochen ausfallen wird“, sagten Sportchef Zuber und Coach Holtz nach dem Spiel – ohne die genaue Diagnose zu kennen.
Mittlerweile steht fest, dass es Michel nicht ganz so schlimm erwischt hat und er nicht allzu lange ausfallen wird mit einer Sprunggelenksverletzung. Zudem wird Klünter im Spiel gegen Stuttgart II am Mittwoch (19 Uhr, Carl-Benz-Stadion) wegen der Gelb-Roten Karte fehlen. Dennoch finden alle gut, dass es schon in zwei Tagen weitergeht, die Zeit zum Grübeln faktisch begrenzt ist.
„Heute können wir uns noch ärgern, aber dann geht der Blick aufs nächste Spiel“, sagte Janne Sietan in der Mixed-Zone vor dem Kabinentrakt. Der 23-Jährige, der seine Fußball-Jugend bei Gegner Energie Cottbus verbracht hat, wird am Mittwoch mit ziemlicher Sicherheit wieder in der Startelf stehen, brachte er doch nach der Pause Stabilität und Verlässlichkeit in die Waldhof-Zentrale. Auch der gebürtige Niederlausitzer zeigte sich tief beeindruckt von den Fans: „Was die abreißen, sucht seinesgleichen. Nach einem 0:3 zu Hause uns so zu feiern, das habe ich noch nie erlebt.“
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