Dortmund. Der Erste, der den Mann des Tages zu Boden streckte, war Kennedy Okpala. Innerhalb von zwei Sekunden war Julian Rieckmann unter einer Traube von einem Dutzend ekstatischer Mitspieler und Betreuer begraben. Als der 23-Jährige wieder Luft schnappen konnte, stand Trainer Marco Antwerpen in Siegerpose vor ihm. Rieckmanns Siegtor zum 2:1-Endstand bei Borussia Dortmund II in der vierten Minute der Nachspielzeit entlud beim SV Waldhof nach einem dramatischen Finale alle Emotionen.
Erst hatte Rieckmann die Mannheimer in Führung geköpft, dann mit einem Foul den Elfmeter verursacht, der zum späten Ausgleichstreffer durch Ole Pohlmann führte (90.+1). Das letzte Wort im Stadion Rote Erde sprach aber der Mittelfeld-Abräumer aus der Jugend von Werder Bremen mit seinem Tor zum 2:1. Danach wurde die Partie nicht mehr angepfiffen.
„Das ist schon eine verrückte Geschichte. Wir haben lange mit dem Jungen gesprochen. Was er kann, was er auf den Platz bringen soll. Dass er jetzt zwei Tore macht, ist eine überragende Situation für ihn selbst“, sagte Antwerpen. In den zwei Wochen zuvor lernte Rieckmann in einem Crashkurs die Höhen und Tiefen des Fußballerlebens kennen. Beim 1:0-Sieg gegen Arminia Bielefeld hatte Antwerpen den 23-Jährigen aus Leistungsgründen schon nach 23 Minuten ausgewechselt. Eine solche unübliche Maßnahme läuft im Fußball unter dem Begriff Höchststrafe. Antwerpen war der Meinung, Rieckmann habe „nicht mutig genug“ gespielt.
Marcel Seegert verteilt Note für Rieckmanns Auftritt in Dortmund
Es folgten klärende Gespräche – und in Dortmund stand der zweikampfstarke frühere Magdeburger doch wieder in der Startelf. „Ich habe mich mit dem Trainer ausgesprochen“, berichtete Rieckmann. „Er hat mir heute wieder das Vertrauen geschenkt, ich habe es, glaube ich, wieder zurückgegeben. Ich wollte zeigen, dass die Auswechslung zu Unrecht war. Ich war schon ein bisschen angestachelt.“
Das Spiel in Dortmund selbst glich dann einer persönlichen Achterbahnfahrt. Erst Held, plötzlich Depp, dann wieder Held. Alles innerhalb von einer Viertelstunde. „Alle freuen sich für ihn“, meinte Mittelfeld-Kollege Fridolin Wagner. Kapitän Marcel Seegert verteilte ein „Sonderlob, Kicker-Note 1“ an Rieckmann, der seine ersten Tore überhaupt in der 3. Liga erzielt hatte. „Rieki hat ein überragendes Spiel gemacht. Ich glaube, der hat da im Mittelfeld teilweise allein gegen alle gekämpft. ,Lone Survivor' mäßig", sagte „Cello“.
Es war ein Waldhof-Sieg des Willens und der wiederentdeckten Widerstandsfähigkeit. Drei Punkte, die trotz ihrer glücklichen Entstehung mit der letzten Aktion der Partie gemessen an den Spielanteilen okay gingen. „Es geht grundsätzlich darum, dass wir zeigen wollen, dass wir eine bessere Mannschaft sind, als unser aktueller Stand in der Tabelle aussagt. Die Jungs nehmen das gerade überragend an. Wir arbeiten sehr gut im Training. Man sieht die Kompaktheit, wir lassen aus dem Spiel wenig Chancen zu. Das ist wichtig“, sagte Trainer Antwerpen, der den SVW mit zehn Punkten aus den vergangenen vier Spielen im März wieder auf einen Nichtabstiegsplatz geführt hat. In der 3. Liga gibt es in diesem Zeitraum nur ein besseres Team: Preußen Münster, mit zuletzt sieben Siegen in Folge.
Die Trendwende im Abstiegskampf hat Antwerpen mit diesem kleinen „März-Wunder“ offensichtlich geschafft. Er hat einen festen Stamm von 13, 14 Spielern gefunden, auf die Verlass ist. Die Struktur und die Mentalität des Teams stimmen wieder, der Zusammenhalt auch – siehe die denkwürdigen Jubelszenen nach Rieckmanns Siegtor in Dortmund.
Vorzeitige Rettung? Das sagt Waldhof-Trainer Antwerpen
Dass die Mannheimer den Klassenerhalt nach dem 31. Spieltag wieder in der eigenen Hand haben, war nach dem bitteren Niederschlag beim 0:1 bei Schlusslicht Freiburg II noch Ende Februar ein bereits relativ weit entferntes Ziel. Zwei Punkte liegen die Kurpfälzer nach dem Osterwochenende vor der Abstiegszone, die mit dem Halleschen FC beginnt. Wenn der aktuelle Lauf so weitergeht, könnte der SVW vielleicht schon früher als gedacht die 45 Punkte für den Klassenerhalt einsammeln – und einen Nervenkrimi an den letzten Spieltagen vermeiden. "Wenn man sich das wünschen könnte, wäre das natürlich schön", meinte Baxter Bahn, schloss aber die altbekannte Floskel an, man sei besser beraten, "von Spiel zu Spiel zu denken".
Auch der Waldhof-Trainer will von dem Gedankenspiel einer vorzeitigen Rettung nichts hören. „Wir haben uns jetzt eine Situation erkämpft, in der wir über dem Strich stehen. Und das gilt es jetzt zu verteidigen, wir müssen weitermachen“, forderte Antwerpen und richtete den Fokus schon in Dortmund auf die nächste wichtige Aufgabe. „Wir haben jetzt ein Heimspiel gegen Haching. Das wird bei uns wieder ein Hexenkessel – und das wollen wir nutzen.“
Mittelfeld-Mann Bahn sprach davon, „das Momentum“ auf die eigene Seite gezogen zu haben und zurzeit auch „das nötige Matchglück“ zu besitzen. „Aber es liegt noch ganz viel Arbeit vor uns. Es kommen Spiele, in denen wir Punkte holen müssen und hoffentlich auch werden. Wir können uns nicht ausruhen. Wir haben jetzt Unterhaching zuhause, und wenn wir das wieder ziehen, sieht es ordentlich aus“, sagte Bahn.
Womit wir wieder bei Julian Rieckmann wären. Dessen ganz besonderer Nachmittag im Schatten des Westfalenstadions hielt dann doch noch eine letzte, leicht bittere Pointe bereit. Für sein Foul vor dem Elfmeter zum 1:1 sah der 23-Jährige seine bereits zehnte Gelbe Karte in dieser Saison. Er wird, wenn der SV Waldhof am Samstag (16.30 Uhr) gegen die SpVgg Unterhaching den nächsten Schritt in Richtung Klassenerhalt machen will, gesperrt fehlen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die Gründe für die Trendwende beim SV Waldhof: Antwerpen wirkt