Mannheim. Herr Rehm, Sie sind ein Kenner der 3. Liga: Wie bewerten Sie die Tabellenkonstellation nach dem siebten Spieltag?
Rüdiger Rehm: Fast schon traditionell mischt zu Saisonbeginn ein Aufsteiger oben mit. Ich hätte da eher mit Rot-Weiss Essen gerechnet, auch wegen der großen Fan-Basis. Die Siegesserie von Elversberg kommt deshalb vielleicht ein wenig überraschend. Andererseits zeigt auch das wieder aufs Neue, wie unberechenbar diese Liga ist. Über 38 Spieltage wird jeder irgendwann Wochen haben, in denen es läuft, aber eben auch mal in einem Tief stecken. Diese Negativserien muss man dann eben so kurz wie möglich halten.
Bei Ingolstadt ging es schon rauf und runter: Erst neun Punkte aus drei Spielen, dann vier sieglose Partien. Wie erklären Sie das?
Rehm: Uns ist zuletzt verletzungsbedingt der eine oder andere Offensivspieler weggebrochen, in den ersten Wochen hatten wir ein anderes Konstrukt auf dem Feld, mit dem wir mehr aus uns herausholen konnten. Der Verlust von Merlin Röhl (U-20-Nationalspieler, der nach dem vierten Spieltag zum SC Freiburg wechselte: Anm. d. Red.) hat ebenfalls geschmerzt. Es tun sich grundsätzlich aber alle Absteiger immer ein wenig schwer, in ihrer neuen Liga anzukommen. Das sieht man jetzt auch bei Erzgebirge Aue, Dynamo Dresden und bei uns. Ähnliches passiert in der 2. Liga: Arminia Bielefeld und Greuther Fürth stehen gerade unten. In der vergangenen Saison waren es Werder Bremen und Schalke 04, die ihre Zeit gebraucht haben, um in der Tabelle nach oben zu klettern.
Wie cool finden Sie es, wenn Sie wie am letzten Spieltag bei der 0:1-Niederlage beim SC Freiburg II auf Röhl sowie die Erstligaprofis Lukas Kübler, Benjamin Uphoff und Daniel-Kofi Kyereh treffen?
Rehm: Ich sehe das zweigeteilt: Was der Verein SC Freiburg in den vergangenen Jahren mit all seinen Mannschaften geleistet hat, ist schlichtweg gigantisch. Dieser Club ist ein absolutes Vorbild für den gesamten deutschen Fußball. Aber als direkter Gegner ist man natürlich nicht begeistert, wenn da plötzlich auf der anderen Seite ein Spieler auf dem Feld steht, der mir kurz vorher weggekauft wurde und neben ihm mit Kyereh einer zum Einsatz kommt, der vorher in vier von fünf Pflichtspielen bei den Profis dabei war. Letztendlich geben das aber die Regeln her und ich will unsere Niederlage auch nicht damit erklären. Wir haben ganz einfach nicht unsere Leistung auf den Platz gebracht.
Sie sprachen von den sich wiederholenden Problemen der Absteiger. Welche Gründe gibt es dafür?
Rehm: Die Erwartungshaltung – und zwar sowohl die interne als auch die externe – ist bei diesen Vereinen nach einem Abstieg immer unglaublich groß und auch das größte Problem, wenn es nicht gänzlich funktioniert. Die Mannschaft selbst weiß ja um ihren Status und will am liebsten weder eine gegnerische Chance zulassen noch einen Zweikampf verlieren und erst recht keine Punkte abgeben. Aber Niederlagen gehören eben dazu. Gerade für einen Zweitligaabsteiger in dieser ausgeglichenen 3. Liga. Im Laufe einer Saison landen diese Teams meistens aber doch irgendwann dort, wo sie hingehören, weil sie sich angepasst haben.
Ist der Aufstieg in der 2. Bundesliga für Ingolstadt in dieser Saison Pflicht?
Rehm: Kein Club will gerne ewig in der 3. Liga sein und ein Aufstieg ist für einen Absteiger sicherlich grundsätzlich gewünscht, aber bei uns keine Pflicht. Wir wissen genau, wie schwierig das ist. Man muss sich nur mal die vergangenen Jahre ansehen, wie vielen Absteigern der direkte Wiederaufstieg gelungen ist. Das waren nicht so viele Vereine. Wir möchten oben mitspielen und wollen gerne zu den besten Mannschaften gehören. Aber dieses Ziel verfolgen gefühlt zwölf Teams.
Beschreiben Sie bitte einmal die aktuelle Gemütslage in Ingolstadt.
Rehm: Wir sind nicht begeistert, sondern enttäuscht. Das ist doch klar, weil wir gerade zu Saisonbeginn eine gewisse Euphorie entfacht hatten. Aber da sind wir wieder beim Thema Erwartungshaltung. Es geht nicht einfach immer so weiter. Viele Dinge müssen immer wieder hart erarbeitet werden.
Mit Dietmar Beiersdorfer kam vor knapp einem Jahr ein neuer Geschäftsführer nach Ingolstadt, der zuvor bei echten Schwergewichten wie dem Hamburger SV und Zenit St. Petersburg gearbeitet hat. Wie kann er dem Club helfen und musste er sich erst einmal umstellen, weil alles ein paar Nummern kleiner ist?
Rehm: Didi ist ein sehr besonnener Mensch, der dem Verein sehr viel gibt. Aber auch er braucht Zeit, um Dinge in eine gewisse Richtung zu lenken. Mit ihm, Malte Metzelder (Manager Profifußball: Anm. d. Redaktion) und uns als Trainerteam haben wir eine sehr gut funktionierende Mischung. Wir kommen gut miteinander aus, gehen aber ebenso kritisch miteinander um. Aber das alles passiert im Sinne der Sache, weil wir alle ein gemeinsames Ziel verfolgen. Wir wollen im Kollektiv erfolgreich mit dem FC Ingolstadt 04 sein.
Was trauen Sie dem SV Waldhof in dieser Saison zu?
Rehm: Die Waldhöfer sind eine gestandene Mannschaft mit Spielern, die die Liga sehr gut kennen und sich im besten Fußballalter befinden. Es gab auch keinen kompletten Umbruch im Sommer, das Team wurde gezielt verstärkt. Dem Waldhof muss man alles zutrauen. Aber wie gesagt: Das gilt für viele andere auch, das macht diese Liga ja so schwierig.
Ist es für Sie noch etwas Besonderes, gegen den SVW zu spielen?
Rehm: Ich will es mal so sagen: An den Verein habe ich unglaublich schöne Erinnerungen. Ich habe dort als 19-Jähriger meinen ersten Profivertrag unterschrieben, bin mit dem Club in die 2. Liga und fast sogar in die 1. Liga aufgestiegen – das ist etwas Spezielles, etwas Unvergessliches. Zumal ich vier Jahre in Mannheim gespielt habe. Bei keinem anderen Verein bin ich länger geblieben. Aber all das liegt ein wenig zurück, weshalb ich nicht in der Vergangenheit schwelge, sondern mich vollends auf das Heimspiel mit Ingolstadt gegen Mannheim konzentriere.
Sie haben in Valmir Sulejmani einen Stürmer im Kader, der in Mannheim blendend funktionierte: Warum gelingt ihm bislang der Durchbruch in Ingolstadt nicht?
Rehm: Valle hatte nach seiner Verletzung, die er damals noch in Mannheim erlitten hat, anfänglich etwas Schwierigkeiten, wieder zurück in die Spur zu finden. Er hat dann zwar den Sprung nach Hannover in die 2. Liga gewagt, kam dort aber nicht wie erhofft zum Zug. Er braucht noch ein wenig Zeit, musste auch seine Physis ein wenig aufarbeiten und hat vergangene Woche seine Chance in der Startelf bekommen. Ich habe ihn zwar in der Halbzeit ausgewechselt, aber das hatte nichts mit seiner Leistung zu tun. Ich war zufrieden mit ihm, wollte aber taktisch etwas verändern. Ich finde, dass er sich auf einem guten Weg befindet.
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