Mannheim. Urlaub am Meer ist für Juri Knorr nicht unbedingt das, was man eine Besonderheit nennt. Er wuchs schließlich an der Ostsee auf, seine Eltern leben noch immer in Bad Schwartau vor den Toren Lübecks und haben praktisch den Strand vor der Haustür. Genau dort schaute der Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen in diesem Sommer zwar auch mal vorbei, ansonsten entschied er sich aber bewusst für den afrikanischen Winter. Mit seiner Freundin ging es nach Tansania, im Ngorongoro Krater sei es teilweise „richtig kalt“ gewesen, sagt Knorr und spricht von einer „coolen Zeit“.
Nicht immer „cool“ war hingegen die vergangene Saison für den Bundesligisten im Allgemeinen und Knorr im Speziellen. Der Hochgelobte wechselte 2021 als Deutschlands größte Handball-Hoffnung und baldiger Allein-Erbe der Club-Ikone Andy Schmid zu den Löwen, was zweifelsohne schon für zusätzlichen Druck sorgte. „Und dann“, blickt der Norddeutsche zurück, „kam auch noch ziemlich viel zusammen.“ Wobei die Formulierung „ziemlich viel“ eher einer Untertreibung gleicht.
Zunächst reiste der 22-Jährige ohne große Saisonvorbereitung von den Olympischen Spielen direkt zu seinem neuen Verein und fand dort dann eine Mannschaft vor, in der es von Beginn an nicht lief. Wenig später folgte die Debatte um seinen Corona-Impfstatus. Kurzum: Es kam wirklich „viel zusammen“.
Hilfe vom Lehrmeister
Nicht wenige behaupten allerdings, dass Knorr in diesem einen Jahr vermutlich mehr gelernt habe, als wenn alles glatt gelaufen sei. Weil er einfach eine Menge Herausforderungen meistern musste, was für einen 22-Jährigen schon mal schwierig sein kann. Doch er hat sich aus dieser Situation befreit und steht fortan nicht mehr im Schatten des zum HC Kriens-Luzern gewechselten Schmid, sondern an dessen Stelle. Der gebürtige Flensburger soll und muss diese Löwen-Mannschaft nun führen. Er selbst will das auch.
„Ich bin froh, jetzt mein Ding machen zu können“, sagt Knorr über das Ende seiner Rolle als Kronprinz hinter dem König Schmid, dem er „extrem dankbar“ ist: „Das eine Jahr mit ihm war eine mega-wichtige Erfahrung, ich habe so viel von ihm gelernt. Andy hat mir in der schwierigen Phase geholfen. Es war cool, ihn als Mentor zu haben.“
Doch Schmid ist eben Schmid und somit nicht nur ein „Mentor“, sondern vor allem einer der besten Spieler aller Zeiten. Ein Mann, der die Bundesliga prägte, die Fans mit seinem Spielstil verzückte, alle Titelgewinne der Löwen erst ermöglichte und in entscheidenden Phasen entscheidende Dinge tat. Kurzum: Eine Ausnahmeerscheinung wie ihn gibt es nicht so oft. Vielleicht bei den Löwen nie wieder. Entsprechend ist es unfair, ihn für all seine Nachfolger zum Maßstab zu machen. Erst recht für einen 22-Jährigen wie Knorr. Zumal Schmid selbst über sich sagt, in jungen Jahren nicht so gut gewesen zu sein wie er es dann später war. Allerdings wollen genau das nur wenige hören, wenn es um Knorr geht.
„Die Vergleiche mit Andy waren schon auch eine Last für mich. Wenn wir über ihn sprechen, reden wir über die Legende der Löwen. Wie soll ich da in meinem Alter herankommen?“, spricht Knorr bemerkenswert offen über seine Situation. Der Rechtshänder will einfach auf sich schauen. Und die wichtigste Vergleichsgröße für ihn ist eben nicht Schmid, sondern er selbst. Es geht um den besten Knorr, den es geben könnte - und der er noch nicht ist, noch nicht sein kann. Der Hoffnungsträger selbst weiß das, schon zu Beginn seiner Länderspielkarriere als gerade einmal 20-Jähriger hatte der Norddeutsche stets betont, ihm sei der Hype um seine Person ein zu groß und die Berichterstattung „ein wenig drüber“.
Trainer Hinze gibt ihm Zeit
Auch das wollte aber keiner so recht registrieren, weil sich Handball-Deutschland ebenso nach einem genialen Spielmacher sehnt wie die Löwen nach einem Schmid-Double. Doch das wird und kann es nicht geben. Trainer Sebastian Hinze macht das deutlich: „Andy Schmid ist einmalig. Und das bedeutet automatisch, dass ihn kein einzelner Spieler eins zu eins ersetzen kann.“ Zusammen mit Neuzugang Olle Forsell Schefvert soll Knorr künftig die Angriffe initiieren - und er darf ausdrücklich Fehler machen. „Juri bringt ganz viel Potenzial mit. Man darf aber nie vergessen, dass er erst 22 Jahre alt ist. Ich möchte ihm den Raum geben, der Spieler zu werden, der er sein kann“, sagt Hinze.
Auch wenn sein erstes Jahr bei den Mannheimern nicht wunschgemäß verlief, will Knorr diese Zeit nicht missen. Zumal es nach dem Trainerwechsel von Klaus Gärtner zu Ljubomir Vranjes deutlich besser für ihn lief - allerdings hauptsächlich auf der Halbposition, weshalb der ursprüngliche Plan mit dem Aufbau als Schmid-Nachfolger eher nicht aufging. „Das kann man sicherlich so sehen“, gibt der Rechtshänder zu: „Und doch war es gut, dieses eine Jahr zu haben. Auch Einsätze auf der Halbposition helfen mir, da bekomme ich einen anderen Blickwinkel auf das Spiel.“
Grundsätzlich sieht sich der Hoffnungsträger aber auf der Mitte: „Darauf liegt mein Fokus und dort sehe ich mich. Ich will im zweiten Jahr mehr Verantwortung übernehmen. Ich habe alle Möglichkeiten.“ Das steht außer Frage. Man muss ihn nur lassen - und vor allem Geduld mit ihm haben.
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