Achteinhalb Jahre spielte Alexander Petersson nicht nur für die Rhein-Neckar Löwen, sondern er prägte den Verein und war an allen Titelgewinnen des Handball-Bundesligisten beteiligt. Am Sonntag (16 Uhr) kommt der 41-Jährige mit der MT Melsungen erstmals seit seinem Abschied zurück in die SAP Arena.
Herr Petersson, freuen Sie sich auf Sonntag?
Alexander Petersson: Ja, das wird etwas Besonderes, ein großer Moment für mich. Auch weil die Fans da sein werden. Die meisten Spiele in dieser Halle habe ich gewonnen, wir haben dort mit den Löwen ein paar Titel gefeiert. Hier hatte ich die beste Zeit meiner Karriere. Jetzt noch einmal in der SAP Arena zu spielen, fühlt sie wie eine Rückkehr nach Hause an.
Ihr Lebensmittelpunkt und der Ihrer Familie ist Rauenberg. Nach Ihrem Abschied im Januar 2021 haben Sie zwischendurch mal im Kraftraum der Löwen trainiert. Ist das immer noch so?
Petersson: Im Augenblick nicht. Corona spielt da eine Rolle, außerdem hat der Verein gerade genug Probleme. Da brauchen die nicht auch noch mich (lacht)…und ich will mich da auch nicht einmischen. Aber ich hoffe: Wenn ich meine Karriere beendet habe, dass ich manchmal den Kraftraum nutzen darf und die Jungs besuchen kann.
Alexander Petersson
- Privates: Alexander Petersson wurde am 2. Juli 1980 in Riga/Lettland geboren. Seit 2004 ist der Handballer isländischer Staatsbürger.
- Vereine: KR Grótta/Island (1998-2003), HSG Düsseldorf (2003-2005), TV Großwallstadt (2005-2007), SG Flensburg-Handewitt (2007-2010), Füchse Berlin (2010-2012), Rhein-Neckar Löwen (2012 bis Januar 2021), SG Flensburg-Handewitt (Januar 2021 bis Juni 2021), MT Melsungen (seit Juli 2021).
- Erfolge auf Clubebene: EHF-Pokal 2013, deutscher Meister 2016 und 2017, deutscher Pokalsieger 2018, deutscher Supercupgewinner 2016, 2017, 2018 (alle Erfolge mit den Löwen).
- Nationalmannschaft: Für Island hat der Rückraummann 173 Länderspiele bestritten, in denen er 694 Tore erzielte.
- Erfolge mit der Nationalmannschaft: Olympia-Silber 2008, EM-Bronze 2010.
Was bedeutet Ihnen die Rhein-Neckar-Region?
Petersson: Das ist meine Heimat, nach der ich mich sehne. Wenn ich von Melsungen nach Hause zu meiner Familie fahre, fühle ich mich immer wohler, je näher ich in Richtung Rauenberg komme.
2012 sind Sie zu den Löwen gewechselt. Damals waren die Zeiten nach dem plötzlichen Absprung eines Geldgebers turbulent.
Petersson: Es war immer mein Ziel, in einer Topmannschaft zu spielen. Deswegen habe ich mich damals für die Löwen entschieden. Aber dann kam dieser große Umbruch in der Mannschaft. Das war noch gar nicht absehbar, als ich meinen Vertrag unterschrieben habe. Niklas Landin, Gedeón Guardiola und Kim Ekdahl du Rietz sind damals mit mir zu den Löwen gewechselt, Andy Schmid, Patrick Groetzki, Uwe Gensheimer und Bjarte Myrhol waren schon da. Wir waren die Stammspieler und haben damals den Verein auf unseren Schultern getragen. So
hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt, aber es hat dann ja super geklappt (lacht).
Es ging sofort prima los …
Petersson: … mit dem Sieg im EHF-Pokal. Gleich in meinem ersten Jahr haben wir einen Titel gewonnen. Es war der erste für die Löwen und auch der erste Vereinstitel für mich.
Zwölf Monate später fehlten zwei Tore zur Meisterschaft.
Petersson: Das war dramatisch. In diesem Augenblick war ich davon überzeugt, dass ich niemals mehr die deutsche Meisterschaft gewinnen werde. Ganz ehrlich: Ich habe geglaubt, dass 2014 die einzige Chance war und ich diese Möglichkeit nicht noch einmal bekommen werde. Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen, dass wir noch einmal eine so gute Saison spielen, zumal die Konkurrenz so stark war. Kiel und Flensburg hatten damals wie heute eine überragende Mannschaft.
Warum hat es danach trotzdem mit zwei Meisterschaften geklappt?
Petersson: Wir alle haben aus diesem Erlebnis gelernt und sind als Mannschaft noch enger zusammengewachsen. Uns wurde bewusst, dass jedes einzelne Spiel so unglaublich wichtig ist. Das hat allerdings auch nicht immer Spaß gemacht.
Inwiefern?
Petersson: Topspiele machen Spaß. Vor allem, wenn man sie gewinnt (lacht). Aber genauso wichtig sind die Arbeits- und Pflichtsiege gegen die vermeintlich kleineren Gegner. Wir haben alle Spiele gewonnen, die wir gewinnen mussten. Dafür hat uns aber keiner gefeiert. Diese Siege wurden zu einer Selbstverständlichkeit, auch für mich. Da ist nicht immer Freude dabei. Doch uns allen war klar: Wir müssen unseren Job erledigen und gewinnen. Denn wenn wir das nicht tun, wird dadurch die Meisterschaft entschieden.
Welche Erinnerungen haben Sie an den Gewinn der Meisterschaft 2016 in Lübbecke?
Petersson: Es war ein sehr emotionaler Tag. Diese Meisterschaft hat mich glücklich gemacht und war eine Art Erlösung. Ich stand kurz vor meinem 37. Geburtstag. Entsprechend war mir klar, dass es langsam Zeit wird, diese Meisterschaft mal zu gewinnen. Ein Jahr später haben wir den Titel verteidigt, 2018 kam der Pokalsieg dazu und eigentlich eine weitere Meisterschaft, die wir leider noch verspielt haben. Trotzdem waren das natürlich überragende Jahre.
Wie lange werden Sie noch spielen?
Petersson: Ich habe nicht vor, eine weitere Saison als Profi dranzuhängen. Was das angeht, ist also im Sommer Schluss. Vielleicht spiele ich aber aus Spaß noch bei irgendeinem Amateurverein weiter. Diese Option lasse ich mir offen.
Mit 41 Jahren sind Sie immer noch in der Bundesliga aktiv. Hand aufs Herz: Spüren Sie nicht doch langsam den Verschleiß?
Petersson: 60 Minuten durchspielen, das schaffe ich nicht mehr. Oder wenn ich das mache, dann muss ich im nächsten Spiel aussetzen. So ein Programm wie früher, als ich zwei, drei Spiele in einer Woche gemacht habe, ist für mich unmöglich. Mein Körper braucht mittlerweile mehr Zeit, um zu regenerieren. Es fiel mir zuletzt auch schwerer, nach Verletzungen wieder mein ursprüngliches Leistungsniveau zu erreichen.
Frustriert Sie das?
Petersson: Zunächst wollte ich das selbst nicht glauben. Man denkt immer, dass es einfach so weitergeht. Aber irgendwann habe ich mir gesagt: Okay, das könnte wirklich mit dem Alter zusammenhängen. Das wollte ich zunächst nicht akzeptieren, aber ich habe es am eigenen Körper gespürt. Die ganz große Belastung ist einfach nicht mehr drin, bei mehr als 20 Minuten Spielzeit wird es schwierig. Dann machen der Rücken, die Schulter, die Sprunggelenke und die Achillessehne Probleme. Und mich schwerer verletzen, das will ich jetzt auch nicht mehr. Deswegen habe ich eingesehen, dass es an der Zeit ist, die Profi-Laufbahn zu beenden.
Eine solch lange Karriere gelingt den wenigsten Profis. Welchen Rat haben Sie für junge Spieler?
Petersson: Die wollen das doch gar nicht hören, was ich denen sage (lacht). Das geht ins linke Ohr rein und am rechten Ohr raus. Oder sie verstehen das nicht. Das ist aber normal, die fühlen sich gut, können dreimal in der Woche spielen und essen, was sie wollen. Das war bei mir in jungen Jahren nicht anders. Wenn mir vor 20 Jahren ein älterer Spieler gesagt hätte, dass ich mehr auf meine Ernährung achten soll, hätte ich diesen Rat auch nicht befolgt. Man kann also viel von Professionalität und Disziplin erzählen, aber am Ende muss jeder von selbst darauf kommen. Zum Beispiel nach der ersten schwereren Verletzung. Da denkt man sich dann, dass es vielleicht doch nicht ganz so falsch war, was einem mal erzählt wurde.
Welche Zukunftspläne haben Sie?
Petersson: Meine Frau Eivor möchte gerne nach Island zurück. Wir werden das aber schrittweise machen, weil wir auch Rücksicht auf die Kinder nehmen. Wir können die nicht einfach so aus der Schule nehmen. Das soll alles ein wenig vorbereitet werden. Wahrscheinlich wird meine Frau künftig schon häufiger in Island sein und ich bei den Kindern in Rauenberg bleiben. Dann werde ich Hausmann, genieße mein Leben und treibe Sport. Basketball, Fahrradfahren, Golf. Und vielleicht braucht ja ein Verein im November, Dezember aus Verletzungsgründen doch noch einen Linkshänder, der ein wenig aushilft (lacht).
Vor einigen Jahren sagten Sie mal, dass Sie nach Ihrer Laufbahn als Spieler etwas anderes als Handball machen wollen. Gilt das immer noch?
Petersson: Das kann ich nicht mehr so stehenlassen. Momentan spiele ich doch mit dem Gedanken, irgendetwas im Handball zu übernehmen. Was ich über all die Jahre gelernt habe, würde ich gerne an junge Menschen weitergeben. Ich habe von so vielen tollen Trainern profitiert und auch eigene Ideen. All das ist in meinem Kopf, das kann ich nicht einfach vergessen.
Also doch Trainer?
Petersson: Diesen konkreten Plan gibt es so nicht. Ich will auch erst einmal keinen Trainerschein machen. Nach fast 20 Jahren Bundesliga brauche ich ein wenig Abstand. Ich war viel unterwegs und freue mich darauf, aus diesem Karussell im Sommer auszusteigen.
Auch wenn Sie jetzt für Melsungen spielen. Schmerzt Sie der Löwen-Absturz?
Petersson: Von der Mannschaft, die die ganzen Titel geholt hat, sind viele Spieler nicht mehr da. Uwe Gensheimer, Patrick Groetzki, Andy Schmid und Mikael Appelgren sind übrig geblieben. Und für sie tut es mir leid, was aus den Löwen geworden ist. Sie haben diesen Verein aufgebaut, danach sind Dinge falsch gelaufen. Nun gilt es, aus diesen Fehlern zu lernen und richtige Entscheidungen zu treffen. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind da, um etwas Neues aufzubauen. Aber es wird ein schwerer Weg zurück nach oben.
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