Mannheim. Wer im Poker um die begehrtesten Handballer der Welt gute oder sogar die besten Karten haben will, der muss längst nicht mehr nur eine tolle sportliche Perspektive oder ein ordentliches Gehalt bieten. Es geht auf einem sich immer schneller entwickelnden Markt vor allem auch um den Faktor Zeit. Denn die meisten Transfers von Ausnahme-Spielern oder aufstrebenden Toptalenten werden mittlerweile ein, zwei Jahre im Voraus vorbereitet, nicht selten sogar schon abgeschlossen. Alle europäischen Spitzenclubs agieren so, sie planen ihre Kader strategisch und mit mehreren Varianten. Sollte Lösung A mal nicht funktionieren, gibt es eben eine Alternative. Im besten Fall sogar zwei.
In den vergangenen Jahren sind die Rhein-Neckar Löwen diesbezüglich nicht nur von der Realität eingeholt, sondern als logische Konsequenz daraus auch von der Konkurrenz abgehängt worden. Längst haben sie das beim Mannheimer Bundesligisten aber erkannt. Auch dank des neuen Trainers Sebastian Hinze, der auf dieses Defizit schon bei den Vertragsverhandlungen im Frühling 2021 aufmerksam gemacht hatte.
Der gebürtige Wuppertaler ist momentan die entscheidende Figur im sportlichen Bereich, in dem sich die Löwen künftig aber noch breiter aufstellen wollen, wie Geschäftsführerin Jennifer Kettemann gegenüber dieser Redaktion bestätigt: „Es ist mittel- bis langfristig unser klares Ziel, wieder einen Sportlichen Leiter einzustellen. Ich rücke nicht davon ab, dass wir einen Sportlichen Leiter brauchen. Uns ist aber wichtig, die richtige Lösung zu präsentieren.“
Bis zum Sommer 2021 agierte Oliver Roggisch in dieser Funktion beim zweifachen deutschen Meister, er wurde dann aber in seinen Kompetenzen beschnitten und sein Posten zum Sportkoordinator umbenannt. Einen Sportchef, der federführend die Kaderplanung und die strategische Entwicklung verantwortet, gibt es seitdem nicht mehr. Doch das soll sich ändern - wenn auch nicht von heute auf morgen.
"Keine zwingende Notwendigkeit“
Kettemann sieht „im Augenblick ohnehin keine zwingende Notwendigkeit“, die Position sofort neu zu besetzen, „weil wir unsere kurzfristige Strategie mit unserem Trainer Sebastian Hinze umsetzen“. Sprich: In der jetzigen Phase des Neuaufbaus und der sportlichen Konsolidierung soll es noch keine übergeordnete Instanz geben. „Wenn wir bei unserem Fünfjahresplan aber an dem Punkt angelangt sind, dass wir wieder oben angreifen wollen, dann brauchen wir auf jeden Fall einen Sportlichen Leiter. Davon sind wir überzeugt und das ist auch klar mit Sebastian besprochen“, sagt die Managerin.
Der neue Trainer solle sich in den nächsten Monaten erst einmal ein Bild verschaffen und werde anschließend „in den Auswahl-Prozess mit eingebunden“. Hinze versteht laut Kettemann auch, „warum wir diese Position wieder besetzen möchten. Wir dürfen als Verein langfristig nicht in die Situation geraten, dass wir von einem Trainer komplett abhängig sind.“ So geschehen in den Erfolgsjahren mit Nikolaj Jacobsen, der für den Club wesentlich mehr als nur ein Trainer war und den sportlichen Bereich mehr oder weniger im Alleingang führte. Alles ging über seinen Tisch. Im Prinzip erledigte der Däne zwei Jobs. Mit der Konsequenz, dass nach seinem Abschied 2019 auch der Absturz begann.
Klar ist: Bei der Suche nach einem Sportlichen Leiter müssen die Löwen nicht nur einen geeigneten Mann mit den entsprechenden Kompetenzen finden. Es geht vor allem auch um Fingerspitzengefühl. Man denke nur an die von Beginn an zum Scheitern verurteilte Konstellation beim Ligarivalen HC Erlangen, wo der zuvor bei Meschkow Brest als erfolgreicher Coach tätige Raúl Alonso vor einem Jahr Sportchef und somit zwangsläufig auch zum Schattentrainer wurde. Coach Michael Haaß stand von Beginn an unter Beobachtung - und musste in der ersten Krise gleich gehen. Sein Nachfolger: natürlich Alonso.
Kettemann sagt, dass es bei den Löwen Kandidaten für den Posten gibt, der Club aber noch keine Gespräche geführt habe: „Vielleicht gelingt es uns auch, jemanden für diese Aufgabe selbst zu entwickeln.“ Ein Satz, der Raum für Spekulationen und Interpretationen lässt. Denn der eine oder andere verdiente Löwen-Spieler befindet sich in den nächsten Jahren eher am Ende seiner Karriere und könnte dem Club vielleicht künftig an anderer Stelle helfen…
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