Handball

Die Gründe für den Höhenflug der Löwen

Mit 14:0 Punkten sind die Löwen Tabellenführer in der Handball-Bundesliga. Wir erklären die Gründe für den Traumstart.

Von 
Marc Stevermüer
Lesedauer: 
Olle Forsell Schefvert ist ein Schlüsselspieler bei den Löwen. © Kösegi/PIX-Sportfotos

Mannheim. Joel Birlehm musste ein wenig in seinen Erinnerungen kramen. „Sieben Siege in Serie…das habe ich zum letzten Mal in der A-Jugend erlebt“, sagte der Torwart der Rhein-Neckar und grinste. Er hatte allerdings auch allen Grund zur Freude. Nach dem 37:25 (22:14)-Erfolg über GWD Minden stehen die Mannheimer mit einer makellosen Bilanz an der Tabellenspitze der Handball-Bundesliga. Doch was sind die Gründe für den Höhenflug? Diese Redaktion gibt Antworten.

Sind die Löwen plötzlich ein Meisterschaftskandidat?

Nein. Zwar basiert der bisherige Erfolg auf keinem Zufall, weil man Mannschaften wie den Vorjahresvierten SG Flensburg-Handewitt oder auch die individuell herausragend besetzte MT Melsungen nicht einfach im Vorbeigehen bezwingt. Der Rückstand auf die Top-Vier (SC Magdeburg, Füchse Berlin, SG Flensburg-Handewitt, THW Kiel) betrug in der vergangenen Saison allerdings 20 Punkte und mehr. Solch ein gewaltiger Qualitätsunterschied lässt sich normalerweise nicht in einem Sommer komplett schließen.

Was fehlt, um wieder ein ernsthafter Titelkandidat zu sein?

Eine Menge. Die Mannschaften aus Berlin, Magdeburg, Kiel und Flensburg spielen seit Jahren zusammen. In der Spitze und vor allem in der Breite sind diese Teams auch besser besetzt und haben mindestens einen Weltklassemann im Rückraum: Omar Ingi Magnusson in Magdeburg, Jim Gottfridsson in Flensburg, Mathias Gidsel in Berlin sowie Domagoj Duvnjak und der gerade verletzte Sander Sagosen in Kiel. Auf der Bank haben diese Clubs außerdem wesentlich mehr Qualität als die Löwen sitzen.

Warum läuft es bei den Löwen besser als in der Saison zuvor?

Der schwedische Nationaltorwart Mikael Appelgren und der deutsche Auswahlkeeper Joel Birlehm bilden eines der besten Bundesliga-Gespanne. „Bislang hatten wir in jedem Spiel eine gute Torwartwartleistung, das hilft“, sagt Kapitän Patrick Groetzki.

Mehr zum Thema

Kommentar

Löwen betreiben Werbung in eigener Sache

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren
Handball-Bundesliga

Deutliche Niederlage: Rhein-Neckar Löwen mit Angst beim Abschluss

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren
Handball

So gehen die Rhein-Neckar Löwen mit dem Reisestress um

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren

In der Spielzeit zuvor fehlte diese Hilfe zwischen den Pfosten zu oft, weil Andreas Palicka mitten in der Saison den Verein verließ, David Späth sich einen Kreuzbandriss zuzog, Appelgren die meiste Zeit in der Reha schuftete und Birlehm erst im Januar kam. Teilweise spielten die Löwen mit Routinier Nikolas Katsigiannis und Nachwuchskraft Mats Grupe im Tor, nominell waren das die Keeper Nummer vier und fünf. Entsprechend höher ist nun das Niveau auf dieser Position.

Ist das der einzige Grund für den Höhenflug?

Nein. Zwei Jahre lang war Albin Lagergren das Sorgenkind. Nun gehört der Rückraum-Linkshänder zu den Schlüsselspielern des neuen Trainers Sebastian Hinze, der dem schwedischen Europameister eine zentrale Rolle zukommen lässt. „Albins und meine Ideen vom Handball passen zusammen, diese Verbindung funktioniert sehr gut“, sagt der Coach. Mit 20 Assists, 25 Feldtoren (Trefferquote 71 Prozent) und dank seiner Spielintelligenz ist Lagergren momentan der wertvollste Offensivmann der Löwen.

Welchen Anteil haben die Neuen am derzeitigen Erfolg?

Im Juli begann Hinze seinen Job bei den Löwen. Vom ersten Tag an sprach der Trainer von seiner „Grundidee“, die er der Mannschaft vermitteln wollte. Und eben diese lautet: stabil verteidigen, Bälle gewinnen, schnell umschalten. „Torwart, Abwehr, Tempospiel, diese Dinge sind der größte Unterschied zur Vorsaison“, sagt Groetzki.

Die Problemzone Innenblock erneuerten die Löwen komplett. Sie holten den kroatischen Nationalspieler Halil Jaganjac und Olle Forsell Schefvert vom Ligarivalen HSG Wetzlar. Ihr großes Plus: Im Gegensatz zu ihren Vorgängern Mait Patrail und Ilija Abutovic können beide auch in der Offensive eingesetzt werden, weshalb es keine Abwehr-Angriff-Wechsel und stattdessen mehr Tempo im Spiel gibt.

Mehr zum Thema

Handball

Darum beginnt bei den Löwen die Zeit der Zweifel

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren

Jaganjac ist bester Rückraum-Torschütze der Löwen (31 Tore, Trefferquote 67 Prozent). Er und Forsell Schefvert können das „Tempospiel aus der Abwehr heraus initiieren und mitgehen“, lobt Hinze. Die Statistik bestätigt den neuen Stil. 45 Tore (6,4 im Schnitt pro Spiel) erzielten die Löwen bislang im Gegenstoß. Keine Mannschaft ist in dieser Kategorie besser. Zum Vergleich: In der gesamten vergangenen Saison kamen die Badener auf 96 Treffer im Gegenstoß (2,8 im Schnitt).

Was sagt die Konkurrenz?

Trainer Jamal Naji vom Bergischen HC adelt die Löwen als die „beste Erste-Welle-Mannschaft“ der Bundesliga. Und Magnus Rød, Weltklasse-Rückraumspieler der SG Flensburg-Handewitt, konstatierte nach der Niederlage der Norddeutschen in Mannheim: „Wir wussten genau, was auf uns zukommt und konnten es trotzdem nicht verhindern.“ Auch Stefan Kretzschmar ist voll des Lobes. „Die Löwen sind zurzeit die Mannschaft, die am besten und konsequentesten in den Gegenstoß geht“, sagt der Sportvorstand der Füchse Berlin.

Welche Abschluss-Platzierung ist realistisch für die Löwen?

Nach der nun anstehenden Länderspielpause folgt die Reise zum THW Kiel, der bislang ebenfalls alle Spiele gewann. Eine Niederlage dort wäre weder eine Überraschung noch ein Rückschlag. Doch auch danach hat es das Programm bis zum Jahresende in sich. Es geht noch zum Meister Magdeburg, der Titelkandidat Berlin kommt nach Mannheim. Es steht zudem ein schweres Auswärtsspiel gegen den Angstgegner und ebenfalls stark in die Saison gestarteten HC Erlangen an, das Landesduell gegen den Vorjahresfünften Frisch Auf Göppingen ist ohnehin stets hart umkämpft.

Möglicherweise stehen die Badener bis zur WM-Pause im Januar bei zehn Minuspunkten. Aber das wäre keine Enttäuschung. Im Gegenteil: Vor Saisonbeginn hätte jeder diese Ausbeute unterschrieben. Und sollten die Mannheimer in der Rückrunde ähnlich auftreten, ist Rang fünf realistisch. Diese Platzierung als „best of the rest“ (Bester vom Rest) hinter den Top-Vier wäre ein Erfolg.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen