Mannheim. Der Frust ist groß. Und er muss raus. Nach dem verpassten Titelgewinn mit den Rhein-Neckar Löwen beim Final Four um den DHB-Pokal findet Deutschlands Top-Handballer Juri Knorr deutliche Worte. Während Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann schon davon spricht, das Mega-Event in Köln mit fast 20.000 Zuschauern pro Tag zum „Super Bowl des Handballs“ zu machen, übt der Löwen-Star heftige Kritik. Auf seinem Instagram-Kanal rechnet der 24-Jährige vor allem mit dem Videobeweis ab. „Weshalb gibt es in unserer Sportart einen Videobeweis, wenn die technische Umsetzung auf dem Niveau eines Oberligaspiels ist?“, fragt sich Knorr.
Liga-Boss Bohmann reagierte am Dienstag auf die Knorr-Kritik. „Ich hätte es begrüßt, wenn er das erstmal intern angesprochen hätte und nicht direkt an die Öffentlichkeit gegangen wäre“, sagte der HBL-Chef gegenüber handball-world. „Wir werden ihn und die Rhein-Neckar Löwen jetzt anschreiben und unsere Sicht der Dinge darstellen.“ Eine öffentliche Schlammschlacht mit Knorr und dessen Club will Bohmann vermeiden.
Der 60-Jährige wehrt sich aber zumindest deutlich dagegen, dass der Videobeweis bei der Niederlage der Löwen im Spiel um Platz drei gegen den Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten Oberliganiveau gehabt hätte. „Der Videobeweis war in etwaigem Spiel auf besserem Niveau als in irgendeinem Spiel davor“, sagte Bohmann. „Die Technik hat gestanden.“
Auch Experte Kretzschmar spricht von „massiver Fehlentscheidung“
Knorr zog als Beispiele für seine Kritik zwei Szenen vom vergangenen Wochenende heran. Im umkämpften und dramatisch verlorenen Halbfinale der Löwen gegen den THW Kiel (31:32 nach Verlängerung) flog Knorrs Teamkollege Olle Forsell Schefvert in der 57. Minute mit einer Roten Karte vom Feld. Die Schiedsrichter Marcus Hurst und Mirko Krag entschieden sich nach Nutzung des Videobeweises für die Disqualifikation. Außerdem geht es Knorr um ein Foul des Balingers Magnus Grupe an ihm im Spiel um den dritten Platz. Grupe hatte für seinen Griff in den Wurfarm des Löwen-Spielmachers von den Schiedsrichtern Nils Blümel und Jörg Loppaschewski eine Zeitstrafe und keine Rote Karte erhalten. „In beiden Situationen wird aufgrund von schlechtem, nicht ausreichenden Bildmaterials falsch entschieden (deshalb auch absolut kein Vorwurf an die Schiedsrichter) und folgend der Ausgang des gesamten Turnieres maßgeblich beeinflusst“, schreibt Knorr.
Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar, beim Final Four für den Streaminganbieter Dyn aktiv, hatte die Rote Karte gegen Forsell Schefvert schon während der Übertragung als „massive Fehlentscheidung“ bezeichnet: „Diese Rote Karte darfst du nicht geben.“ Zum Foul des Balingers Grupe an Knorr sagte Dyn-Kommentator Markus Götz: „Das ist klar Rot.“
Schiedsrichter bekommen andere Bilder als TV-Zuschauer
Das Problem: Bei beiden Begegnungen zeigte der Streamingdienst seinen Zuschauern eine Kameraperspektive, die die Schiedsrichter sich nicht angeschaut hatten oder nicht anschauen konnten. Dyn stellt beim Videobeweis zwar grundsätzlich alle Kameraeinstellungen zur Verfügung, doch nicht auf alle können die Schiedsrichter zurückgreifen.
Knorrs Vorwurf richtet sich also in diesem Fall nicht an die Unparteiischen, sondern ihm geht es um die technische Umsetzung des Videobeweises, wie der gebürtige Flensburger betont: „Die Kameraeinstellungen, die der Fernsehzuschauer erhält, zeigen einen völlig anders zu bewertenden Sachverhalt. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Schiedsrichter, wenn sie diese Bilder zu Verfügung gehabt hätten, auch anders entschieden hätten. Wenn ein Videobeweis technisch nicht auf dem Niveau anderer Sportarten umgesetzt werden kann, sollte der Nutzen meines Erachtens stark hinterfragt werden. Er sollte gleichzeitig zum Schutz der Spieler und für eine faire, unparteiische Beurteilung des Spielgeschehens genutzt werden, aber darf nicht den Spielausgang maßgeblich negativ beeinflussen.“
So sehr Knorr die Unparteiischen auch beim Thema Videobeweis in Schutz nimmt, kommen in seinem Statement die Schiedsrichter Blümel und Loppaschewski trotzdem nicht gut weg. Die zwei Unparteiischen pfiffen das Spiel um Platz drei, das die Mannheimer gegen den Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten verloren und in dem der Löwen-Star hart von Grupe gefoult worden war.
Knorr: „Über Fehlentscheidungen kann und wird man immer diskutieren. Es ist unmöglich, im Bruchteil einer Sekunde, unter dem äußeren Druck, dem alle Beteiligten ausgesetzt sind, immer richtige Entscheidungen zu treffen. Allerdings ist es neben dem Schaffen eines rechtlichen Rahmens, in dem das Spiel unter fairen Bedingungen gespielt werden kann, auch die Aufgabe der Schiedsrichter, die Spieler vor Verletzungen zu schützen. Meines Erachtens war dies in unserem zweiten Spiel gegen Balingen nicht der Fall.“
Knorr über Schiedsrichter: „Verletzungen werden teilweise in Kauf genommen“
Schiedsrichter hätten „die Aufgabe und auch die Verantwortung, einzugreifen, wenn die Grenze zum gefährlichen Spiel überschritten wird und es gilt, die Gesundheit der Spieler zu schützen“, so Knorr: „Wenn die Schiedsrichter dieser Aufgabe nicht nachkommen, erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit für gefährliche Situationen und nehmen Verletzungen zumindest teilweise in Kauf.“ Als Beispiel führt er das Foul von Grupe gegen ihn an: „Diese Aktion wäre nicht passiert, wenn die Schiedsrichter ein Gefühl dafür entwickelt hätten, dass es zwangsläufig auf gefährliche Situationen hinausläuft, wenn sie nicht einschreiten. Doch sie haben dieses Risiko gerade in den ersten 25 Minuten in Kauf genommen.“
Abschließend hält Knorr als Sportsmann fest: „Dieser Kommentar meinerseits soll nichts von den sportlichen Erfolgen des THW sowie von Balingen wegnehmen und soll auch nicht übertrieben in die Bewertung unserer verbesserungsbedürftigen sportlichen Leistung im zweiten Spiel mit einfließen. Es ist nur meine Wahrnehmung, die ich gerne teilen möchte, da ich glaube, dass die angesprochenen Themen durchaus relevant sind für unseren (tollen) Sport.“
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