Mannheim. Frau Kettemann, wie ich hörte, war die Trainingshalle zuletzt ein bisschen zu kalt. Müssen die Löwen bei den Heizkosten sparen?
Jennifer Kettemann (lacht): Was soll ich denn dazu sagen….? Also nein, wir wollen keine Heizkosten sparen. Es gab einen Ausfall einer Wärmepumpe, aber das wurde behoben. Es läuft alles wieder.
2023 war für die Löwen ein Jahr…
Kettemann: … so wie wir es erwartet haben.
Ach so, einen Pokalsieg kann man einplanen?
Kettemann (lacht): Nein, nein, nein. Ich meinte natürlich, dass wir in der Saison 23/24 Höhen und Tiefen erwartet haben. Die Ergebnisse der letzten drei Spiele, das Unentschieden gegen Lemgo sowie die Niederlagen gegen Eisenach und in Stuttgart, haben uns allerdings schon sehr enttäuscht. Das Kalenderjahr wiederum war besser, als wir uns das hätten vorstellen können. Der Pokalsieg steht über allem. Wir merken zudem, dass wir uns nach dem Neustart mit unserem Trainer Sebastian Hinze im Sommer 2022 auf dem richtigen Weg befinden.
Überstrahlt der Pokalsieg nicht die schwache Ausbeute von 26:36 Punkten in der Liga seit Mitte März?
Kettemann: Die Entwicklung kommt für uns nicht überraschend. In der ersten Saison mit Sebastian haben viele Dinge perfekt zusammengepasst. Wir wussten aber auch, dass das nicht so weitergeht. Wir haben in den vergangenen Jahren ein paar Fehler gemacht. Und die lassen sich nicht in einer einzigen Saison beheben. Nicht umsonst gibt es einen Fünfjahresplan, den wir 2022 formuliert haben.
Jennifer Kettemann
- Jennifer Kettemann wurde am 13. April 1982 im pfälzischen Frankenthal geboren.
- Die Diplom-Betriebswirtin hat an der Dualen Hochschule in Mannheim studiert. Seit dem 15. Mai 2016 ist sie Geschäftsführerin des Handball- Erstligisten Rhein-Neckar Löwen. Im vergangenen Jahr hat sie ihren Vertrag bis 2026 verlängert.
- Zuvor hat Kettemann beim Software-Unternehmen SAP gearbeitet.
Sie haben vor dieser Saison aber als Ziel formuliert, sich für den Europapokal qualifizieren zu wollen und den Abstand auf die Spitzenclubs zu verkürzen. Das mit der Europapokalteilnahme kann noch klappen, aber der Rückstand auf die Topclubs ist doch größer geworden.
Kettemann: Wenn man rein auf die Ergebnisse und die Tabelle schaut, ist das zutreffend. Aber man muss auch die Gründe dafür sehen: Wir haben Spieler vor dieser Saison verpflichtet, die sich zu Topspielern entwickeln können, aber dafür Zeit brauchen, und die jetzt aufgrund von Verletzungen eine größere Rolle einnehmen, als ihnen zugedacht war. Und so ehrlich müssen wir sein: Ausfälle wie die von Olle Forsell Schefvert oder Halil Jaganjac können wir nicht kompensieren. Bei der Qualität in der Kader-Breite können wir nicht mit den Spitzenclubs mithalten.
Also werden die Ziele korrigiert?
Kettemann: Nein. Ich habe vor der Saison gesagt, dass die Europapokalteilnahme unser Ziel ist. Und schon damals wusste ich, dass das ein ambitioniertes Ziel ist. Das habe ich auch dazugesagt. Seitdem hat sich an unserer Zielsetzung nichts geändert. Ein Verein mit der Infrastruktur der Löwen muss immer den Anspruch haben, in einem internationalen Wettbewerb zu spielen - auch wenn das ein Ziel ist, das nicht leicht zu erreichen sein wird.
Die Löwen machen Uwe Gensheimer zum Sportchef und haben ein paar namhafte Transfers getätigt. Was ist der nächste Schritt im angesprochenen Fünfjahresplan?
Kettemann: Das Gerüst steht. Von nun an geht es um punktuelle Verstärkungen, um Toptransfers. Also um Spieler, die uns sofort helfen, die uns sofort besser machen. Und damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin davon überzeugt, dass uns Sebastian Heymann, Tim Nothdurft und Ivan Martinovic sofort helfen und uns sofort besser machen. Wir wollen auf jeder Position mindestens einen Topspieler haben.
Ist eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem Trainer auch ein nächster Schritt?
Kettemann: Ich würde mich sehr freuen, wenn Sebastian über 2026 hinaus unser Trainer bleibt. Beide Seiten wissen zu schätzen, was sie aneinander haben. Ich bin sehr überzeugt von seiner Arbeit. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass wir uns eine langfristige Zusammenarbeit vorstellen können.
Bei der Vorstellung von Uwe Gensheimer hieß es, man wolle ihn zum Sportlichen Leiter aufbauen. Bislang gab es diese Position nicht. Von wem soll er also lernen?
Kettemann: Von Sebastian Hinze und mir. Was das Vertragswesen oder das Thema Beraterhonorare angeht, bekommt er Unterstützung von mir. Und bei allen Dingen, die mit dem Sport zu tun haben, wird Sebastian ihm helfen. Wobei wir ganz genau wissen, dass das eine besondere Konstellation ist. Denn im Prinzip arbeitet der Trainer jetzt den Sportlichen Leiter ein, aber irgendwann wird der Sportliche Leiter der Chef dieses Trainers sein.
Wann wird er denn wirklich der Chef sein?
Kettemann: Das kann ein oder zwei Jahre dauern. Das müssen wir sehen.
Wird es anschließend einen unbefristeten Arbeitsvertrag für den Sportchef Gensheimer geben?
Kettemann: Nein.
Welche Aufgabengebiete wird er ab Sommer verantworten?
Kettemann: Die Kommunikation mit den Spielern und Beratern, die Weiterentwicklung unserer Sportstrategie, Vertragsverhandlungen, Personalführung im gesamten sportlichen Bereich, das Vertiefen unserer Spielidee bei den Junglöwen, die perspektivische Kaderplanung in Absprache mit Trainer, Aufsichtsrat und Geschäftsführung. Uwe wird den Kader zusammenstellen - natürlich immer in Absprache mit Aufsichtsrat und Geschäftsführung.
Es geht nicht darum, für irgendjemanden einen Posten zu schaffen. Es geht immer um die beste Lösung für die Löwen
Bislang lief der Austausch mit den Spielerberatern über Sportkoordinator Oliver Roggisch. Was ist künftig sein Aufgabengebiet?
Kettemann: Olivers Schwerpunkt ist schon seit einiger Zeit der Sponsorenbereich und das wird er auch weiterhin sein. Oliver macht das unglaublich sympathisch und genauso, wie ich mir das wünsche und wie man die Löwen nach außen vertreten sollte. Er ist unglaublich loyal diesem Verein gegenüber. Nichtsdestotrotz wird Oli einige Aufgaben im sportlichen Bereich nach wie vor behalten.
Mittelfristig wird Patrick Groetzki seine Karriere beenden. Wird es eine Position für ihn im Verein geben, für die er nach Meinung des Clubs die beste aller Lösungen ist?
Kettemann: Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Und natürlich wäre das schön. Aber wie auch schon bei Uwe gilt bei uns grundsätzlich: Es geht nicht darum, für irgendjemanden einen Posten zu schaffen. Es geht immer um die beste Lösung für die Löwen. Es gibt Aufgabenfelder, die sehr gut besetzt sein müssen und dafür brauchen wir den besten Kandidaten.
Die Löwen haben den Vertrag von Ymir Gislason nicht verlängert. Kommt noch ein Kreisläufer zur neuen Saison?
Kettemann: Das haben wir noch nicht entschieden. Wir wollen vor allem auch sehen, wie sich Steven Plucnar entwickelt.
Der Vertrag von Andreas Holst Jensen endet Silvester. Ist er Neujahr noch ein Löwe?
Kettemann: Wir sind mit Andreas und seinem Berater im Gespräch. Die Entscheidung ist noch von einigen verletzungsbedingten Faktoren abhängig.
Für die neue Saison stehen mit Philipp Ahouansou, Olle Forsell Schefvert, Sebastian Heymann, Halil Jaganjac, Juri Knorr und Gustav Davidsson gleich sechs Rückraum-Rechtshänder unter Vertrag. Das klingt nach einem Überangebot.
Kettemann: Im Moment planen wir mit allen sechs Spielern. Auch in der Hoffnung, in drei Wettbewerben vertreten zu sein.
Der Vertrag von Forsell Schefvert endet 2025. Sie binden Leistungsträger doch gerne frühzeitig an den Verein.
Kettemann: Auch diese Personalie steht auf meinem Aufgabenzettel.
Nach seiner schweren Schulterverletzung kann Jaganjac immer noch nicht schmerzfrei aufs Tor werfen. Wann ist er wieder im Angriff eine Option?
Kettemann: Es wäre falsch, hier irgendeine Vorhersage zu machen. Denn ich kann das nicht seriös prognostizieren.
Sein Leih-Vertrag endet 2025, dann muss er zum polnischen Spitzenclub Kielce wechseln. So sieht es das Vertragswerk zumindest vor. Oder bleibt Jaganjac ein Löwe?
Kettemann: Erst einmal hoffen wir alle, dass Halil wieder gesund wird. Das ist wichtiger als alles andere. Und bei einem komplett einsatz- und belastungsfähigen Halil werden wir logischerweise alles Mögliche tun, um ihn über 2025 hinaus bei uns zu behalten. Aber auch nicht um jeden Preis. Bei einem Jahr Restlaufzeit seines Vertrags in Kielce sind utopische Ablösesummen unangebracht.
Mit Joel Birlehm, David Späth und Mikael Appelgren stehen drei Toptorhüter unter Vertrag. Birlehm möchte zur neuen Saison nach Hannover wechseln. Wie ist der Stand der Dinge?
Kettemann: Wir als Löwen haben bislang davon profitiert, dass drei so starke Keeper in unserem Kader stehen. Und wir als Verein hätten das auch in der nächsten Saison so weitergemacht. Für uns ist das eine Luxussituation, die sich durch die rasend schnelle Entwicklung von David ergeben hat. Das war so nicht absehbar und hat unsere Pläne verändert. Vor etwa einem Jahr war es ein Thema, ihn zu verleihen. Jetzt ist David in unseren Planungen gesetzt, die Torwartposition wird um ihn herum aufgebaut. Es stimmt aber, dass die Konstellation nicht für alle Beteiligten optimal ist, so dass ich davon ausgehe, dass wir in Kürze daran etwas ändern werden.
Richtig gut findet dieses Modell mit den drei Keepern vermutlich ohnehin keiner aus diesem Trio.
Kettemann: Und das kann ich verstehen. Umso bemerkenswerter finde ich, wie fair David, Joel und Mikael miteinander umgehen, wie sie sich unterstützen und füreinander freuen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport/vereine_artikel,-rhein-neckar-loewen-das-sagt-jennifer-kettemann-zur-krise-und-zukunft-bei-den-rhein-neckar-loewen-_arid,2160402.html