Magdeburg. Albin Lagergren hatte seinen schwedischen Ex-Teamkollegen Olle Forsell Schefvert im Schlepptau und machte sich noch einmal auf den Weg in die Kabine von Schefvert und den Rhein-Neckar Löwen, um dort alte Freundschaften zu pflegen. Der Besuch des Linkshänders, dessen Vertragsverlängerung beim SC Magdeburg bis 2028 vor dem Spiel bekanntgegeben wurde, dürfte aber nicht bei jedem Löwen-Profi ganz vorne auf der Prioritätenliste gestanden haben.
Zu schmerzhaft war die 24:38 (13:16)-Klatsche beim Champions-League-Sieger, zu sehr waren die Mannheimer noch mit sich selbst beschäftigt, bevor sie das dicke Paket am Samstagabend mit auf die lange Busfahrt Richtung Kurpfalz nahmen. Es war die zweithöchste Niederlage, die es für die Löwen in der Bundesliga bislang setzte. Nur das 20:36 beim THW Kiel in der Saison 2003/04 gestaltete sich noch deutlicher. Entsprechend fielen die Reaktionen aufseiten des Pokalsiegers aus, der vor allem in den letzten 20 Minuten von Magdeburg in seine Einzelteile zerlegt wurde und sich nach dem 18:22 (41.) noch einen fatalen 6:16-Lauf einfing.
„Das war eine heftige Klatsche, fast ein Klassenunterschied. Magdeburg ist eine Weltklasse-Mannschaft, und wir waren heute unteres Bundesliga-Niveau. Gegen so eine Mannschaft können wir momentan nicht mithalten“, versuchte beispielsweise Spielmacher Juri Knorr das Debakel in Worte zu fassen.
Zum Ende der Hinrunde lag der gewohnt selbstkritische Knorr damit wie so meist ziemlich nah an der Realität. Zu der gehört aber auch, dass die Löwen derzeit nicht nur gegen den Tabellenführer der Bundesliga, sondern in der Hinrunde auch gegen die weiteren vier Top-Teams keine Chance hatten. Auch gegen Berlin, Melsungen, Flensburg-Handewitt und Kiel fielen die Niederlagen deutlich aus. Statt wie geplant den führenden Teams näher zu rücken, ist der Abstand eher größer geworden.
Auch unter dem spielenden Personal ist diese Erkenntnis nicht nur bei Nationalspieler Knorr angekommen. „Klar. Das sind die Resultate, die wir gebracht haben - und die können nur wir selbst beeinflussen“, wusste auch EM-Fahrer Jannik Kohlbacher, der mit seinen sechs Treffern noch zu den wenigen Löwen-Profis gehörte, die an ihre Normalform kamen. „Wenn man in den Top-Fünf dabei sein möchte, müssen wir in der Rückrunde ein paar Spiele gegen die Großen gewinnen“, blickte Kohlbacher bereits ins nächste Handball-Jahr und setzt da vor allem auf den Heimvorteil. In der gegenwärtigen Verfassung und mit dem agierenden Personal dürfte das aber schwierig werden.
Magdeburgs individuelle Klasse
So fehlte auch in Magdeburg einmal mehr die Durchschlagskraft im Rückraum, da der SCM mit Niclas Kirkeløkke den gefährlichsten Werfer der Löwen bald im Griff hatte und seine Teamkollegen hier nicht in die Bresche springen konnten. Knorr blieb mit drei Feldtoren und zwei technischen Fehlern unter seinen Möglichkeiten, Gustav Davidsson führte sich nach dem schon zweiten Time-Out nach nur zwölf Minuten zwar mit drei Treffern und einem herausgeholten Siebenmeter gut ein, warf dann aber wieder den einen oder anderen Ball fahrlässig weg.
Von einer Konstanz und Klasse, wie die auf Magdeburger Seite etwa durch Felix Claar (11 Tore) und Janus Smarason (7 Tore) verkörpert wurde, waren die Löwen tatsächlich Welten entfernt. Dass dazu am Ende noch 15 technische Fehler gezählt wurden und auch das Torhüter-Duell (9:12-Paraden) verloren ging, passte da ins üble Bild.
„Ein Spiel in der Höhe und der Art und Weise zu verlieren, tut natürlich sehr weh. Wir wurden am Ende eiskalt überrannt“, konnte auch Löwen-Keeper David Späth hinten raus nichts mehr retten und war angesichts der Gegenstoßflut in den letzten 15 Minuten fast zu bemitleiden. Vor allem die Schlussphase blieb deshalb Trainer Sebastian Hinze schwer in den Kleidern hängen.
„Momentan nicht unser Niveau“
„Ein Champions-League-Sieger ist momentan wohl nicht unser Niveau - aber minus 14 ist auch nicht das Niveau, das wir haben wollen. Da können wir uns nur entschuldigen. Auch wenn der SCM Druck auf unsere Ballwege gemacht hat, können wir nicht so die Bälle wegwerfen. Das war einfach schlecht von uns und darf uns so nicht passieren. Da sind wir weggebrochen“, sprach Hinze Klartext. „Uns fehlt die Resistenz, unter Stress und nach dem ersten Fehler nicht auf ein Niveau zu kommen, das wir erreichen können. Das ist uns nicht das erste Mal passiert und das ist das, was mich beschäftigt und frustriert“, kommentierte der Löwen-Coach den ergebnismäßigen Tiefpunkt der Saison, der sich 40 Minuten lang in dieser Schärfe nicht angedeutet hatte und sich die Löwen bis dahin sogar zwei Mal zurückgekämpft hatten.
Die Vorstellung in der Hinrunde ließ so aber einen ernüchterten Coach zurück. „Am Ende ist es das, was wir in der vergangenen Saison in der Rückrunde gezeigt haben. So ehrlich müssen wir sein“, räumte Hinze angesichts von 18:16 Punkten ein, dass die Unstetigkeit der zweiten Halbserie der Saison 2022/23 bislang ihre Fortsetzung fand. „Das ist der Statuts dieses Kaders. Hinter den Top Fünf - aber mit einer Menge anderer Mannschaften“, sieht Hinze den Anspruch „Best of the Rest“ nicht erfüllt. Das liegt sicherlich an Ausfällen von Führungs- und Qualitätsspielern, aber auch an der in Magdeburg wieder einmal ersichtlichen Tatsache, dass der Abstand von für die Verbreiterung des Kaders geholten Akteuren zu den Anforderungen bei einem Top-Club momentan noch zu groß ist. Oder dass eben Profis wie Albin Lagergren in der Löwen-Kabine nur noch zu Besuch sind.
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