Handball

Darum sind die Rhein-Neckar Löwen im Tor besser aufgestellt

Die Torwartposition war in der vergangenen Saison eine der vielen Problemzonen bei den Rhein-Neckar Löwen. Nun spricht viel dafür, dass es diese Sorgen nicht erneut geben wird

Von 
Marc Stevermüer
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Joel Birlehm will sich über gute Leistungen bei den Löwen für die WM im Januar empfehlen. © Sörli Binder

Mannheim. Gemäß eines Vorurteils haben Handball-Torhüter einen an der Waffel, wobei das eher weniger mit Blick auf ihre Persönlichkeit gemeint ist. Joel Birlehm von den Rhein-Neckar Löwen kommt ohnehin ganz normal daher, sein Kollege Mikael Appelgren ist da sicherlich schon ein wenig extrovertierter, fällt deswegen aber nicht unbedingt auf, sondern eher in die Kategorie Paradiesvogel. Die deutschen Nationaltorhüter Silvio Heinevetter und Andreas Wolff sind wiederum – nun ja, das muss man schon so sagen – extrem speziell. Jeder auf seine eigene Art und Weise. Ausgestattet mit einem Ego, das sie ebenso bis ans Limit ausreizen wie ihre eigene Leistung.

Aber einen an der Waffel? Das ginge vielleicht dann doch einen Tick zu weit, wenngleich man grundsätzlich ein wenig verrückt sein muss, sich aus zehn Metern die Bälle mit 120 Stundenkilometern um die Ohren werfen zu lassen. Denn das klingt nicht zwingend nach einem Traumjob. Oder eben doch? Das kommt ganz auf die Betrachtungsweise an.

Birlehm liebt die exponierte Stellung seiner Position, die besondere Bedeutung seiner individuellen Leistung. „Der Torwart“, legt sich der 25-Jährige fest, „ist nun mal der wichtigste Spieler.“ Womit er richtig liegt. Denn keiner kann das Spiel mehr beeinflussen – und eine Partie praktisch alleine gewinnen. Das Problem für die Löwen: Ein Torwart gewann für sie in der vergangenen Saison recht selten ein Spiel, vor allem nicht in der Hinrunde. Weil Appelgren verletzt fehlte, Birlehm erst im Januar verpflichtet wurde, Andreas Palicka sich mit dem Club zerstritt und der hochbegabte David Späth mit einem Kreuzbandriss ausfiel. Stattdessen standen der nachverpflichtete Routinier Nikolas Katsigiannis und die talentierte Nachwuchskraft Mats Grupe zwischen den Pfosten. Nominell die Nummer vier und fünf.

Mikael Appelgren feierte in der Rückrunde der vergangenen Saison sein Comeback. © dpa

Bessere Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für die neue Saison sind nun aber ganz andere. Nämlich bessere. Appelgren kehrte im Frühling zurück, Späth stieg vor einigen Wochen wieder ins Training ein und auch Birlehm hat sich nach seinem Blitztransfer im Januar vom Ligarivalen Leipzig zu den Löwen mittlerweile eingelebt und eingewöhnt. „Ein bisschen fühle ich mich immer noch wie Neuzugang“, sagt der vom Ehrgeiz Getriebene, der erst ohne Frau und Kind nach Heidelberg kam, nun mit seiner kleinen Familie aber eine Wohnung gefunden hat. Die ersten Monate, meint der gebürtige Herforder, seien eine „echte Herausforderung“ gewesen. Und zwar in jeglicher Hinsicht. Also privat und sportlich. Gegen Saisonende, sagt Birlehm, hätte sich aber seine Leistung stabilisiert. Womit er recht hat.

Nur gibt er sich damit natürlich nicht zufrieden. Der Keeper will angreifen. Mit den Löwen. Und in der Nationalmannschaft, in der er in der Hierarchie momentan hinter Wolff und Senkrechtstarter Till Klimpke nur die Nummer drei ist. Birlehm befindet sich im Wartestand. Was auch für Appelgren gilt.

Junioren-Nationaltorwart David Späth wird eine große Karriere vorausgesagt. © AS Sportfoto/ Binder

Seit mehr als zwei Jahren war der Schwede nicht mehr für die Auswahl seines Heimatlandes aktiv. Nach der EM 2020 begann seine lange Leidenszeit, ausgerechnet ohne ihn wurden die Skandinavier dann in diesem Jahr Europameister. „Ich sage es ganz ehrlich. Da sind bei mir Tränen der Freude und der Trauer geflossen“, räumt der 32-jährige Blondschopf ganz offen ein: „Natürlich gönne ich all meinen Kollegen diesen Titel. Aber wenn man wie ich so viele Jahre dabei war und dann kommt plötzlicher dieser große Erfolg, dann wäre ich schon gerne dabei gewesen.“ Vor elf Jahren trug Appelgren erstmals das Nationaltrikot, 2018 wurde er Vize-Europameister. Und nun bietet sich schon im Januar eine neue Titeloption. Bei der WM im eigenen Land.

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Auf dem Weg dorthin bestreiten die Schweden im Oktober ein Länderspiel in Appelgrens Dauer-Dienstort, der Mannheimer SAP Arena. „Ich hoffe, dass ich dabei bin. Dafür muss die Leistung stimmen“, sagt der Torwart, der sich allerdings keine allzu großen Sorgen machen sollte. Denn gemessen an seiner fast zweijährigen Pause passte seine Form schon gegen Ende der vergangenen Saison, auch wenn er weiß, „dass es noch besser geht“.

Auf dem Weg zurück zu alter Stärke soll ihm künftig Dragan Jerkovic helfen. Der ehemalige kroatische Nationalkeeper, der übrigens 2007 bei der WM in Deutschland in der Mannheimer SAP für sein Heimatland zwischen den Pfosten stand, ist seit dieser Saison neue Torwarttrainer der Löwen. Sehr zur Freude von Appelgren.

„Für mich ist es ganz wichtig, ihn bei uns zu haben. Er war ein sehr guter Keeper und ist ein sehr guter Torwarttrainer. Er hört mir zu und weiß, was ich brauche“, sagt der Schwede, der mit seiner Erfahrung vor allem eine wichtige Stütze für seine jüngeren Kollegen Birlehm und Späth ist, nun aber auch einen routinierten Ansprechpartner hat: „Das ist wirklich gut für mich.“ Aber eben auch für Birlehm und Späth, der ziemlich sicher als Nummer drei in die Saison starten wird, was für ihn allerdings kein allzu großes Problem ist.

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„Natürlich will ich spielen. Mein erstes Ziel ist es aber, nach der Verletzung stärker zurückzukommen und im Training mein Bestes zu geben, um mir so Spielzeit zu erarbeiten“, sagt der 20-jährige Späth, der von seinen älteren Kollegen „viel lernen“ will und die Löwen mit ihren drei Schlussmännern auch qualitativ breit aufgestellt sieht, weil alle so unterschiedlich sind: „Mikael ist routiniert, Joel explosiv – und ich bin die lange Latte.“

Vermutlich wird der 1,97-Meter-Mann zunächst aber vermehrt im Drittligateam zum Einsatz kommen. Obwohl die Löwen wissen, dass ihn die Spiele dort mutmaßlich nicht richtig fordern. So sind zumindest die Sätze von Trainer Sebastian Hinze zu verstehen: „Wir haben im Kopf, dass ein junger Torwart wie er auf einem hohen Niveau spielen muss. Wir wollen die bestmögliche Lösung für ihn.“ Also ein Zweitspielrecht bei einem Zweitligisten? Kurzfristig, so versichert Hinze, werde es da mit Blick auf den Junioren-Europameister von 2021 nichts zu verkünden geben. Vielmehr werde er Späth erst einmal genau beobachten, wahrscheinlich sogar über Monate – und bei seiner Einschätzung auch auf Jerkovic hören.

Torwarttrainer mit gutem Ruf

Der Kroate hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen in seinem Job gemacht und sich selbst in den zurückliegenden Wochen ein Bild über das Leistungsvermögen der Löwen-Keeper verschafft. Seine unmissverständliche Ansage: „Wir werden kein Torwartproblem bekommen.“ Keine Frage: Dieser Satz ist ein Lob, das allen drei Schlussmännern nicht nur gefallen, sondern auch einen höheren Stellenwert haben dürfte. Ganz einfach, weil es von einem Fachmann kommt. Nur ein Torhüter kann ja wirklich nachvollziehen, was einen Torhüter denn so auszeichnet. Und was das angeht, ist Jerkovic eben ein Experte, auf den man sich verlassen kann. Doch auch eines könnte er nicht komplett verhindern: wenn wieder das Verletzungspech zuschlägt.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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