Mannheim. Es war eine dreiviertel Stunde nach dem Abpfiff, als Bernhard Trares mit ein bisschen Abstand langsam zu realisieren begann, was da gerade eben passiert war. „Genau für diese Momente macht man das. Dafür ist man Trainer, dafür ist man Spieler. Dieses Kribbeln bis zum Schluss. Was gibt es Schöneres, als die Fans so belohnen zu können?“, sagte der neue Trainer des SV Waldhof nach seinem Traum-Comeback auf der Mannheimer Bank beim 3:2 (1:1)-Sieg gegen den VfL Osnabrück. Seine Mannschaft hatte gearbeitet, gewankt, Unsicherheiten gezeigt, Fehler begangen.
Um dann in einem furiosen Schlussakt voller Leidenschaft den ersten Sieg der Drittliga-Saison zu erringen und damit den letzten Platz zu verlassen. Terrence Boyds Tor in der Nachspielzeit (90.+2) könnte, wenn man die euphorischen Reaktionen im Team und unter den knapp 10 000 Waldhof-Fans auf den Rängen als Maßstab nimmt, die Initialzündung für die Trendwende in dieser Saison gewesen sein.
„Kompliment an die Zuschauer, die eine unglaubliche Wucht reingebracht haben. Und an die Mannschaft, wie sie gekämpft hat. Wenn man in die Kabine geht, sieht man schon die Erleichterung. Einen Rückstand zu drehen, tut als Spieler wahnsinnig gut. Die Jungs können wieder lachen und sind froh“, sagte Trares nach seinem perfekten Einstand. 1540 lange Tage war es her, als der Heppenheimer zuletzt den SV Waldhof in der 3. Liga gecoacht hatte. Ein 0:0 gegen den FSV Zwickau im Juli 2020. Doch irgendwie wirkte es an diesem atmosphärisch dichten Samstag, als sei er nie richtig weg gewesen. Es wächst wieder zusammen, was offenbar zusammengehört.
Bartels: „Für die Moral und die Fans war der Sieg extrem wichtig“
Viel über sich sprechen wollte Trares hinterher nicht. Er hätte erzählen können, wie ihn ein paar Jungs schon beim Fernsehinterview eine Stunde vor dem Anpfiff mit Sprechchören feierten. Wie unglaublich es sich anfühlte, als die gefürchtete Stimmung im Carl-Benz-Stadion in der Schlussphase einer lange trägen Begegnung plötzlich Fahrt aufnahm und sein Team einen 1:2-Rückstand noch in einen enorm wichtigen Erfolg verwandelte. Oder einen Einblick in sein Gefühlsleben geben, wie es war, mit den glückseligen Fans auf der Otto-Siffling-Tribüne nach so langer Pause wieder einen Heimsieg zu feiern. Trares wollte aber nicht zu viel Aufhebens um sich machen. „Ich habe mich einfach nur wohlgefühlt. Es war wirklich wie nach Hause zu kommen“, sagte er nur.
Die perfekte Dramaturgie dieser triumphalen Rückkehr konnte indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die alten Probleme beim SVW längst nicht beseitigt sind. In der ersten Halbzeit ging trotz der Führung durch Felix Lohkemper (22.), die Osnabrücks Joel Zwarts direkt konterte (25.), noch sehr wenig zusammen. Einen Trares-Effekt sah man nur in dünnen Ansätzen. Etwa beim aggressiven Pressing in der gegnerischen Hälfte oder beim Versuch, das Aufbauspiel ohne den obligatorischen langen Ball nach vorne zu entwickeln. „Man sieht schon, dass die Mannschaft ein bisschen verunsichert ist, dass der Glaube und die Selbstsicherheit noch nicht so da sind“, sagte der Coach hinterher.
Nicht ohne Grund wechselte Trares in der Pause gleich dreimal. Neben Matchwinner Boyd brachte er Maximilian Thalhammer für mehr Struktur im Mittelfeld und den unter seinem Vorgänger Marco Antwerpen verschmähten Tim Sechelmann als Linksverteidiger. „Wir haben ein bisschen umgestellt und es dann besser in den Griff gekriegt“, meinte Trares. Doch erst lud Thalhammer durch einen leichten Ballverlust Osnabrück noch zum 2:1 durch Lars Kehl ein (55.), bevor es substanziell besser wurde. Dank des engagierten Boyd, aber auch dank des später eingewechselten Samuel Abifade, der sich mit mehreren starken Aktionen auf der linken Außenbahn innerhalb von nur 20 Minuten in die Rubrik „Beste Spieler“ kickte.
Nach Abifades Kopfballvorlage bügelte Thalhammer mit dem 2:2 aus kurzer Distanz seinen Fehler wieder aus (76.), bevor Boyds Last-Minute-Treffer das Carl-Benz-Stadion in ein absolutes Tollhaus verwandelte.
„Für die Moral und für die Fans war der Sieg extrem wichtig“, sagte Torhüter Jan-Christoph Bartels. Und wie groß war der Trares-Anteil am Befreiungsschlag nach nur drei gemeinsamen Trainingseinheiten? „Der neue Trainer hat uns gut eingestellt. Natürlich geht der Sieg auch ein Stück weit auf seine Kappe“, sagte Felix Lohkemper. Matchwinner Boyd attestierte, dass zumindest ein guter Anfang gemacht sei. „Es ist vieles Neuland. Die Trainingsformen und was der Trainer von uns verlangt. Das dauert natürlich, es ist ein Prozess. Umso geiler ist es, dass wir das erste Spiel mit drei Punkten gekrönt haben“, sagte der Mittelstürmer, den Trares nach eigenen Angaben mit den Worten „Du entscheidest heute das Spiel“ in der zweiten Hälfte auf den Platz geschickt hatte.
Die Taktung für den neuen Trainer und sein Team bleibt hoch. Schon am Dienstag geht es nach Aachen, wo am Mittwoch (19 Uhr) das Duell bei Aufsteiger Alemannia ansteht. Am Samstag darauf kommt RW Essen nach Mannheim. Viel Zeit zum Trainieren und den neuen Spielstil einzuüben bleibt da nicht. Trares hofft allerdings darauf, dass das Erlebnis vom Samstag die Blockade bei den Spielern gelöst hat. „Es gibt keine bessere Teambuildingmaßnahme als so einen Sieg“, sagte der 59-Jährige. Und entschwand mit einem zufriedenen Lächeln aus dem Presseraum des Carl-Benz-Stadions.
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