Mannheim. Eine falsche Bewegung, der Schmerz, und die Befürchtung: Da ist etwas Schlimmes passiert. So begann im Dezember 2019 – der SV Waldhof spielte in der 3. Liga gegen Eintracht Braunschweig – die lange Leidensgeschichte von Dorian Diring. Eine traurige Geschichte voller Qualen in der Reha, Hoffnung auf das Comeback, auf die immer wieder Rückschläge folgten. Anderthalb Jahre später droht dem Franzosen nun eine deprimierende Gewissheit: Sportinvalidität aufgrund eines Knorpelschadens im Knie, die Karriere als professioneller Fußballer ist vorbei. Mit nur 29 Jahren.
Dorian Dirings Stimme am Telefon klingt leise, niedergeschlagen. Er hat viel durchgemacht in den vergangenen 18 Monaten. „Es war ein schwieriges Jahr“, sagt der französische Mittelfeld-Spieler, geboren in Mülhausen im Elsass. Vor fünf Wochen musste sich „Dori“, wie ihn seine Kumpels beim Mannheimer Drittligisten nennen, erneut einem Eingriff am verletzten Knie unterziehen. „Es wurde einfach nicht besser. Ein Spezialist in Augsburg hat mir eine weitere OP empfohlen“, sagt er. „Der Knorpel wurde noch einmal geglättet.“
Ein Knorpelschaden im Knie gilt als eine der heimtückischsten Verletzungen, die sich ein Fußballer zuziehen kann. Eine Prognose über die Zeit, die es dauert, bis man wieder auf dem Platz stehen kann, ist schwierig bis unmöglich, unter Belastung kehren die Schmerzen häufig zurück. Bei Diring wurde eine Destrukturierung der Stufe 3 festgestellt. Das bedeutet, dass mehr als 50 Prozent des Knorpels beschädigt ist. Stufe 4 ist der höchste Grad.
Mitten in der Phase nach Dorian Dirings erster OP stand im Frühjahr 2020 plötzlich die Welt still. Die Reisebeschränkungen nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa führten dazu, dass der Mittelfeld-Antreiber des SV Waldhof wochenlang in Straßburg feststeckte. Diring musste bei seinem Reha-Programm improvisieren, der Heilungsverlauf stagnierte.
Doch der Elsässer biss sich zurück, absolvierte im Herbst erste individuelle Trainingseinheiten am Alsenweg. Kleine Schritte zurück ins normale Fußballer-Leben. Diring war sich sicher, in der Rückrunde Anfang des Jahres 2021 wieder spielfähig zu sein. Aber am Ende siegte die Vernunft über den Ehrgeiz. „Nach jedem Einzeltraining hatte ich Schmerzen, selbst beim normalen Gehen danach. Deshalb habe ich gesagt, dass es so keinen Sinn macht, weiterzumachen“, sagt Diring.
In Augsburg rieten sie dem 29-Jährigen im April schließlich zu einer erneuten Operation. Die Spezialisten prognostizieren ihm eine erneute Sportpause zwischen vier und acht Monaten. „Es ist aber auch möglich, dass nichts funktioniert und ich mit dem Fußball aufhören muss. Für mich geht es erst einmal um meine Gesundheit. Ich muss wieder auf die Beine kommen. Mein Ziel ist es, im Alltag schmerzfrei zu sein“, sagt er.
Seine Freundin ist wegen ihres Jobs in Frankreich geblieben, Diring hat gerade in Mannheim seine zweite Reha begonnen. Keine einfache Situation, gerade in Corona-Zeiten, und trotz des regelmäßigen Zuspruchs seiner Mitspieler beim SVW. „Die Jungs fragen mich öfter, wie es mir geht, aber leider kann ich darauf nur schwer antworten. Man weiß nicht, wie die Entwicklung sein wird.“
Mitgefühl von Sportchef Kientz
Auch die Verantwortlichen in seinem Verein nimmt Dirings Schicksal mit. „Ich habe wirklich Bedenken, dass er nochmal spielen kann. Das ist traurig und macht einen schon fertig“, sagt Waldhof-Sportchef Jochen Kientz, der nachempfinden kann, wie sich der Franzose fühlt. Der SVW-Manager musste seine Profikarriere 2004 wegen anhaltender Knöchelprobleme als Sportinvalide beenden. „Zur Zeit seiner Verletzung war Dori einer der besten Spieler der 3. Liga. Wenn man in seiner besten Phase als Fußballer aufhören muss, ist das schon extrem bitter“, sagt Kientz. Im Dezember 2019 schien Diring in der Form seines Lebens – er hatte bereits vier Tore erzielt und neun weitere Treffer vorbereitet. Der Elsässer war eines der prägenden Gesichter bei der Rückkehr des SV Waldhof in den großen Fußball. Wenn er so weitergespielt hätte, wäre Diring garantiert bei einem Verein in der 2. Liga gelandet. Doch dann kam die eine verhängnisvolle Bewegung am 8. Dezember 2019.
In drei Wochen steht für den Mannheimer Publikumsliebling ein wichtiger Termin an. Ein Arzt der Berufsgenossenschaft (BG) entscheidet, ob die Versicherung Diring weitere Rehamaßnahmen bezahlen wird – also ob es überhaupt eine realistische Chance gibt, dass er noch einmal Profifußball spielen kann. Sonst bliebe als Ausweg nur die Sportinvalidität, Diring bekäme dann eine BG-Rente.
Sein Vertrag beim SVW läuft am Saisonende aus, eine Verlängerung wird es nicht geben. Die Gedanken an ein Comeback im Fußball hat Diring aber sowieso ganz weit nach hinten geschoben. Nicht zu weit in die Zukunft planen, erstmal wieder gesund werden. „Es macht keinen Sinn, alles zu versuchen und dann kann ich in drei, vier Jahren noch nicht einmal mehr mit meiner Freundin spazieren gehen.“
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