Eigentlich war der Plan ein anderer. Zumindest ließen sich so im Sommer 2013 die beschwichtigenden Worte von Scheich Ahmad Mohamed Al-Shaabi verstehen. „Wir sind eine kleine Nation mit limitierten menschlichen Ressourcen. Also mussten wir in der Vergangenheit Spieler von draußen ins Land holen. Aber jetzt schauen wir nicht mehr nach Einbürgerungen von Spielern“, sagte der Präsident des katarischen Handballverbandes und machte deutlich: „Wir unterstützen unsere Nachwuchsspieler auf dem Weg von der Jugend in den Erwachsenenbereich.“
Zur Erinnerung: Für die Heim-WM 2015 bürgerte der Wüstenstaat reihenweise Topspieler ein, um erfolgreich zu sein. Was mit der Silbermedaille auch gelang.
Am Freitag (18 Uhr/live im ZDF) startet wieder ein Team aus dem Wüstenstaat bei einer WM. Diesmal in Polen und Schweden. Die Katarer reisen als Asienmeister an und zum Auftakt geht es gegen Deutschland. Aber nicht mit selbst ausgebildeten Talenten. Nur wenige Spieler aus dem jetzigen Kader stammen aus Katar. Der Rest? Eingebürgert.
Wie war das noch mal? „Wir unterstützen unsere Nachwuchsspieler auf dem Weg von der Jugend in den Erwachsenenbereich.“ Oder auch nicht. Denn in den vergangenen Jahren merkten die Scheichs, dass der Weg mit viel Geld und weniger Nachwuchsarbeit doch deutlich einfacher ist.
Bei der U-21-WM 2017 wurde die katarische Auswahl 17. – danach qualifizierte sie sich kein einziges Mal mehr für eine Nachwuchs-WM. Auch in der U 19 verpasste Katar zuletzt immer die WM-Teilnahme. Kurzum: Es gibt schlichtweg keine Talentförderung.
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Mehrfach versuchte diese Redaktion zuletzt, Kontakt zum katarischen Handballverband zu bekommen. Es drängen sich ja ein paar Fragen auf. Zum Beispiel: Was ist aus der angekündigten Talentförderung geworden? Warum werden weiterhin so viele Spieler eingebürgert? Welchen Stellenwert genießt Handball überhaupt in dem Emirat?
Doch weder Präsident Ahmad Mohamed Al-Shaabi noch Generalsekretär Mohamed Jaber Al Mulla antworteten. Beide werden schon wissen, warum sie lieber schweigen. Denn auch die aktuelle Mannschaft ist eine Mogelpackung, ein Etikettenschwindel mit ein paar Einheimischen. Ansonsten prägen gebürtige Tunesier, Ägypter, Montenegriner, Bosnier und Kubaner das Team, aus dessen finaler Besetzung die Katarer ein Staatsgeheimnis machen. Im Sommer stand ein 35-Mann-Kader für die WM auf der Internetseite des Verbands – und verschwand wenig später wieder.
Beim Testspiel zuletzt gegen Montenegro machte allerdings jemand ein Bild vom Spielberichtsbogen, der auch dieser Redaktion vorliegt. Darauf stehen Namen wie Bilal Lepenica, Jovan Gacevic und Eldar Memisevic. Das klingt erst einmal nicht arabisch, sondern eher nach Balkan.
Dabei hatte der Weltverband IHF nach der Farce-WM 2015 die Einbürgerungsregeln eigentlich verschärft. Damals war es für Nationalspieler noch möglich, nach drei Jahren ohne Pflichtspiel für ihr Heimatland die Nationalität zu wechseln. Auf einmal standen Danijel Saric, Zarko Markovic, Bertrand Roine, Borja Vidal Fernandez, Rafael Capote und Goran Stojanovic, der ehemalige Torwart der Rhein-Neckar Löwen, für Katar auf dem Feld. Sie stammten aus Spanien, Frankreich, Kuba oder vom Balkan und hatten mit dem Wüstenstaat in etwa so viel zu tun wie das Emirat mit Menschenrechten, wurden aber für ihre Dienste fürstlich entlohnt. Für jeden Sieg bei der WM kassierten die eingekauften Stars angeblich 100 000 Euro. Im Handball ein Vermögen.
Mittlerweile ist es etwas schwieriger, verglichen mit dem Fußball dann aber doch relativ einfach, die Nationalmannschaft zu wechseln. Der letzte Einsatz eines Spielers für sein Heimatland muss nach wie vor drei Jahre zurückliegen. Zusätzlich muss er nun im neuen Land mindestens zwei Jahre gelebt haben. Sprich: Die Profis müssen dort spielen.
Doch auch das lässt sich in der unbedeutenden katarischen Liga mit Geld lösen. Mal ganz abgesehen davon, dass das Leben in der Wüste verglichen mit dem Bundesliga-Stress seine Vorzüge hat, wie Stojanovic schon 2014 gegenüber dieser Redaktion zugab: „20 Tage Urlaub. Am Stück. Im Oktober. Das hatte ich jahrelang nicht. Zu dieser Zeit hatte ich früher noch nicht einmal zwei Tage am Stück frei. Wir haben jeden dritten Tag gespielt.“
Der Star der aktuellen katarischen Mannschaft ist der gebürtige Kubaner Capote, der schon 2015 dabei war und die deutsche Auswahl bei der WM 2017 fast im Alleingang im Achtelfinale aus dem Turnier warf. Sein Landsmann Frankis Carol Marzo, Torschützenkönig der WM 2021 in Ägypten, sagte für das Turnier hingegen ab.
Trainiert wird das Team seit 2013 von der spanischen Legende Valero Rivera, der das Amt als Nationalcoach seines Heimatlandes nach dem WM-Titel 2013 überraschend niederlegte und nach Katar ging. Rückblickend betrachtet sei dies die „beste Entscheidung meines Lebens“, sagte Rivera einmal. Es würde nicht verwundern, wenn er dabei an seinen Kontostand gedacht hat.
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