Mannheim. Vor 19 Jahren wurde der ehemalige deutsche Weltklasse-Torwart Henning Fritz Europameister. Drei Jahre später folgte WM-Gold. Im Interview spricht der Ex-Keeper der Rhein-Neckar Löwen über die deutsche Mannschaft bei der WM in Polen und Schweden.
Herr Fritz, das deutsche Team hat zuletzt gegen WM-Medaillenkandidat Island getestet. Was fangen wir mit einer knappen Niederlage und einem knappen Sieg an?
Henning Fritz: Wir wissen, dass sich aus solchen Testspielen keine riesigen Rückschlüsse ziehen lassen. Die Isländer waren aber ein echter Gradmesser. Und wir haben gesehen, dass diese deutsche Mannschaft echt Potenzial hat, weshalb die Spieler auf jeden Fall ein gutes Gefühl mit zum Turnier nehmen.
Es fiel auf, dass die erste Sieben ganz gut funktionierte und es ein paar Probleme gab, wenn Bundestrainer Alfred Gislason wechselte. Im zweiten Island-Test spielte praktisch die erste Rückraum-Formation durch. Ist die Breite nicht mehr die deutsche Stärke?
Fritz: Doch. Aus meiner Erfahrung sollte der Trainer einer Stammsieben die Sicherheit und das Gefühl geben, dass man auf sie setzt. Deswegen sehe ich jetzt auch kein starkes Leistungsgefälle im Kader. Es geht vielmehr darum, dass jeder seine Rolle kennt und annimmt. Dies bedeutet dann auch, dass einer zu 100 Prozent da ist, selbst wenn er nur kurz gebraucht wird. Und da haben wir viele Optionen, was wichtig ist.

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Warum?
Fritz: Es geht darum, das Spiel variabel zu gestalten, um auch das Risiko zu minimieren. Das ist der Unterschied zu den Mannschaften, die zuletzt erfolgreich waren. Diese Nationen können ein gewisses Risiko eingehen, weil sie in der entscheidenden Phase aufgrund ihrer Spielweise weniger Fehler machen.
Mit Julian Köster und Juri Knorr stehen zwei sehr junge Rückraumkräfte in der Verantwortung. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der beiden 22-Jährigen?
Fritz: Ich bewundere Julian Köster und Juri Knorr, mit welchem Selbstbewusstsein sie in ihrem Alter auftreten. Julian kann gut anspielen, aus der zweiten Reihe werfen oder durchbrechen. Und Juri leitet das Spiel, übernimmt Verantwortung. Dabei können Fehler entstehen. Die sollten wir ihm zugestehen.
Nach zwei so jungen Spielern im Rückraum hat sich Handball-Deutschland lange gesehnt.
Fritz: Das stimmt. Die zwei Jungs bringen eine Qualität mit, die uns allen Mut macht und Hoffnung geben kann. Aber auch nicht mehr. Beide sind noch jung, deswegen sollten wir sie nicht zu sehr unter Druck setzen. Beide werden auch noch mit Schwankungen zu kämpfen haben. Das ist aber völlig normal.
Torwart Andreas Wolff wirkt vor dem Turnier sehr entspannt. So kannte man ihn noch nicht. Wie erklären Sie sich diesen Wandel?
Fritz: Grundsätzlich braucht ein Leistungssportler ein gewisses Ego, um überhaupt an die Spitze zu kommen. Torhüter mögen da sogar noch spezieller sein, um so verrückt zu sein, sich in solch einen Kasten zu stellen. Letztlich ist aber alles ein Entwicklungsprozess. Auch Andi ist reifer geworden. Fokussiert zu sein und trotzdem locker zu bleiben, das ist der entscheidende Punkt. Es bringt nichts, ein Turnier oder ein Spiel über alles andere zu stellen. Am Ende ist es nur Handball. Und wenn Handball Spaß macht, ist es einfacher, Topleistungen abzurufen.
Als zweiter Keeper neben Wolff ist Joel Birlehm statt Till Klimpke dabei. Verstehen Sie diese Nominierung und was zeichnet Birlehm aus?
Fritz: Am Ende ist es immer auch eine Bauchentscheidung. Joel hat zuletzt sehr gute Leistungen gezeigt und deswegen seine Nominierung verdient. Er ist ehrgeizig und will stets dazulernen. Ich bin über Joels Entwicklung begeistert. Er ruft Leistungen auf Bundesliga-Spitzenniveau ab. Aus meinem Erfahrungswert sollten sich Torhüter immer gut ergänzen. Und bei den Deutschen haben wir klare Rollen, Wolff ist die Nummer eins und Birlehm sein Vertreter. Mir gefällt diese Mischung.
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