Berlin. Eigentlich sind Bund und Länder am Montag zu einem neuen Corona-Gipfel verabredet. Besprochen werden soll, was passiert, wenn die bisherigen Maßnahmen zum 18. April auslaufen. Doch dieser Termin ist in Gefahr. Der Grund: Schon seit Tagen wird heftig gestritten, ob ein harter Lockdown kommen soll. Denn in dieser Frage herrscht Uneinigkeit.
Was genau will Angela Merkel eigentlich?
Merkel will einen „kurzen einheitlichen Lockdown“, wie Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch sagte. Unklar ist noch, wie dieser aussehen würde. Vermutlich würden auch Schulschließungen und nächtliche Ausgangssperren dazugehören. Außerdem strebt Merkel eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes an. Dort sollt verankert werden, dass die Notbremse umgesetzt werden muss, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Schwelle von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern überschreitet. Dann würden alle Öffnungsschritte zurückgenommen und private Kontakte wieder auf einen Haushalt plus eine weitere Person (Kinder unter 14 ausgenommen) reduziert. Bislang ist diese Notbremse unverbindlich, wird von mehreren Ländern nicht umgesetzt. Das will Merkel ändern.
Was muss dafür passieren?
Eine entsprechende Gesetzesänderung müsste auf jeden Fall im Bundestag beschlossen werden. Strittig ist unter Juristen indes, ob auch die Zustimmung der Länder im Bundesrat erforderlich ist. Ein rechtswissenschaftliches Gutachten des Bundestags sieht allein den Bund in der Zuständigkeit, da der Infektionsschutz in dessen alleinige Verantwortung fällt. Der Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der TU Dresden, Hans Vorländer, hält dagegen eine Beteiligung der Länder für erforderlich, „denn es sind Länderbelange betroffen“. Daher müssten sie Mitsprache erhalten, sagte er dieser Redaktion.
Was bringt eine solche Änderung?
In der Praxis wohl eher wenig, glaubt Vorländer. Denn für den Vollzug von Gesetzen und Rechtsverordnungen des Bundes seien die Länder zuständig: „Insofern würde eine Gesetzesänderung faktisch nicht allzu viel ändern, auch wenn diese Erwartung bei den Bürgern jetzt geweckt wird.“ Ohnehin käme eine solche Verordnung selbst bei einem vergleichsweise schnellen Gesetzgebungsverfahren nicht rechtzeitig, um in der aktuellen Infektionsentwicklung rasch etwas zu bewirken. Sein Fazit: „Die jüngsten Vorschläge klingen schärfer, als sie es in Wirklichkeit sind.“ Der Bund wolle vor allem Druck auf die Ministerpräsidenten ausüben, sich an die Beschlüsse zu halten. Der Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers von der Humboldt-Universität hält die Situation für festgefahren: „Seit Wochen wird ein Eingreifen des Bundes diskutiert und es scheint noch nicht mal einen Referentenentwurf zu geben.“ Zugleich würden bei den Bund-Länder-Treffen „seit dem Spätherbst keine nachhaltigen Entscheidungen“ mehr getroffen.
Was sagen die Länder zu Merkels Plänen?
Sowohl Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CDU) als auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) haben Unterstützung für einen Bundes-Lockdown signalisiert. Laschet hatte zu Wochenbeginn einen eigenen Vorschlag („Brücken-Lockdown“) vorgelegt. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) lehnt einen bundesweiten Lockdown hingegen ab, nannte ihn im ZDF „kurzatmigen Aktionismus“.
Seine rheinland-pfälzische Amtskollegin Malu Dreyer forderte Merkel auf, ihre Pläne zur Corona-Bekämpfung offenzulegen. „Der letzte Bund-Länder-Beschluss beinhaltet sehr klare Verabredungen“, sagte die SPD-Politikerin dieser Redaktion. „Wenn das Kanzleramt nun andere Pläne hat, dann ist es aufgefordert, rechtzeitig einen Vorschlag vorzulegen, der dann zwischen Bund und Ländern beraten werden kann.“
Ablehnung kommt auch von Laschets Koalitionspartner FDP. „Statt Kompetenzstreit mit den Ländern sollte sich die Bundesregierung um ihre originären Aufgaben kümmern, bei denen sie bisher leider versagt hat: Beispielsweise ausreichend Impfstoff beschaffen“, sagte der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Joachim Stamp: „Das würde der Pandemiebekämpfung wirklich helfen.“
Können die Länder einfach übergangen werden?
Mehrere Bundestagsabgeordnete der Union, darunter Norbert Röttgen, haben eine Initiative gestartet, die es dem Bund ermöglichen soll, Rechtsverordnungen zu erlassen und so Corona-Maßnahmen auch ohne Zustimmung der Länder durchzusetzen. „Wir sehen nicht, dass die Länder schärfere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergreifen“, sagte Röttgen dieser Redaktion. Gleichzeitig sei jede Handlungsmöglichkeit des Bundes ausgeschlossen. Als Gesetzgeber habe man die Verantwortung, „jetzt schnell dafür zu sorgen, dass diese Lücke geschlossen wird“. Über 50 Abgeordnete haben bereits ihre Unterstützung für die Initiative signalisiert. Röttgen hofft, dass der Bundestag in der nächsten, spätestens der übernächsten Sitzungswoche eine entsprechende Änderung beschließt. Dann könnte der Bund eine bundesweite Pflicht zur Notbremse umsetzen.
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