Berlin. Mehr als 20 Anschläge haben die Sicherheitsbehörden seit dem Jahr 2000 in Deutschland verhindert, schreibt Bundesinnenminister Horst Seehofer auf Fragen unserer Redaktion zum 20. Jahrestag der islamistischen Terroranschläge auf das World Trade Center. Trotz allem, was gelungen sei, sagt Seehofer, gebe es „keinen Grund für Nachlässigkeit“.
Herr Seehofer, war der Anti- Terror-Kampf in den letzten 20 Jahren erfolgreich?
Horst Seehofer: Der 11. September 2001 war ein Schock. Einen solchen Terroranschlag hatte die Welt bis dahin nicht gesehen. Der Tag hat sich in unser Gedächtnis eingebrannt und weltweit tiefe Spuren hinterlassen. Den Kampf gegen den islamistischen Terror führen wir ununterbrochen und sehr entschlossen. Unsere Sicherheitsbehörden sind besser aufgestellt als je zuvor und mit dem Phänomen des islamistischen Terrorismus gut vertraut. Wir haben Terroranschläge verhindert, aber die Gefahr eines Anschlages besteht auch heute noch. Am 19. Dezember 2016 haben wir am Berliner Breitscheidplatz erleben müssen, dass auch wir keine hundertprozentige Sicherheit garantieren können. Wir können nur das Menschenmögliche tun, um unsere Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Trotz allem, was bislang gelungen ist, gibt es keinen Grund für Nachlässigkeit. Wir müssen wachsam bleiben.
Ehrenvorsitzender der CSU
Horst Seehofer, geboren am 4. Juli 1949 in Ingolstadt, ist Politiker der CSU.
Seit März 2018 ist er Bundesinnenminister, seit 2019 CSU-Ehrenvorsitzender.
Auf Bundesebene war Seehofer von 1992 bis 1998 Bundesminister für Gesundheit, von 2005 bis 2008 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. CSU-Bundestagsabgeordneter war er von 1980 bis 2008. dpa
Wie viele Anschläge wurden verhindert?
Seehofer: Unsere Behörden haben seit dem Jahr 2000 23 Terroranschläge verhindert.
Muss man nicht Rechtsextremismus und Organisierte Kriminalität sowie Cyberkriminalität mehr in den Blick nehmen?
Seehofer: Unser Blick muss in alle Richtungen gehen, 360 Grad, mit der gleichen Intensität. Alles andere wäre fatal. Für mich gibt es im Kampf gegen Kriminalität keine halben Sachen. Denn den Opfern und Hinterbliebenen ist es egal, ob ein Anschlag islamistisch oder rechtsextrem motiviert war und ob er analog oder digital geplant wurde. Unsere Aufgabe ist es, die Bevölkerung zu schützen. Wer das leisten will, muss mit der Zeit gehen und sich weiterentwickeln. Allein die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen mit sich. Die Kommunikation verändert sich, die Datenmengen verändern sich, die Angriffsziele und Methoden verändern sich. Wenn wir unseren Behörden nicht die notwendigen Befugnisse geben, bleiben wir stehen und überlassen den Fortschritt den Kriminellen und Extremisten. Wer das tut, kann seine Bevölkerung auf Dauer nicht mehr schützen. Unsere Sicherheitsbehörden müssen schneller sein als die Täter, und wir müssen alles tun, damit sie auch die notwendigen Werkzeuge hierfür haben.
Wo sollte die nächste Regierung bei den Sicherheitsgesetzen nachschärfen?
Seehofer: Im Kampf gegen Terrorismus müssen wir uns immer wieder auf neue Bedrohungslagen oder auch auf technischen Fortschritt einstellen. Die Sicherheitsbehörden sind heute personell und materiell gut aufgestellt. Sie sind international ausgezeichnet vernetzt und arbeiten sehr effektiv zusammen. Kurz: Wir hinterlassen der nächsten Regierung auf diesem Gebiet ein gut aufgestelltes Feld – eine hervorragende Grundlage, um darauf weiter aufzubauen. Leider konnten wir in dieser Legislaturperiode nicht alle notwendigen Befugnisse durchsetzen. Ich hoffe, dass die nächste Regierung weiter an dem arbeitet, was wir begonnen haben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz braucht die Online-Durchsuchung und die Bundespolizei braucht ein zeitgemäßes Gesetz. Man kann Terrorismus, Extremismus und Organisierte Kriminalität nicht mit Scheuklappen bekämpfen. Dazu braucht man einen weiten Blick in alle Richtungen.
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