Energieversorgung

Wie Initiativen und Parteien zur Windkraft in Schriesheim stehen

Im Vorfeld des Bürgerentscheids über Windkraft-Anlagen in Schriesheim fand ein Info-Abend statt. Dabei sprach sich Bürgermeister Oeldorf gegen ein Verbot aus.

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Konstantin Groß
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Gut gefüllte Arena in der Schriesheimer Mehrzweckhalle: Bürgermeister Christoph Oeldorf (l.) mit Moderator Jakob Lenz. © Konstantin Groß

Schriesheim. Christoph Oeldorf wird beim Bürgerentscheid am 9. November über ein Verbot von Windkraftanlagen im Schriesheimer Wald mit Nein votieren. Die erstmalige eindeutige Positionierung des Rathaus-Chefs ist die Neuigkeit auf der Infoveranstaltung der Stadt zur Abstimmung, die zeitgleich in Dossenheim stattfindet und gerade die Badische Bergstraße in Atem hält.

Um die 200 Interessierte sind in die Mehrzweckhalle gekommen. Das räumliche Konzept entspricht einem Town-Hall-Meeting, die Zuschauer sitzen im Halbrund um den Bistro-Tisch, der an Stelle des klassischen Rednerpultes steht. Ein professioneller Moderator, Jakob Lenz vom Forum Energiedialog, einer Einrichtung des Landes, ersetzt mit seinen Fragen ausgedehnte Reden.

Bürgermeister Oeldorf wird pro Windkraft votieren

In der Antwort auf die Frage nach seinem eigenen Stimmverhalten bringt Oeldorf die Sensation unter: „Am Anfang war ich unentschieden“, bekennt er. Und auch heute sei er „nicht wirklich begeistert.“ Dennoch „würde ich dafür plädieren, den jetzigen Prozess fortzusetzen.“ Deutlicher wird er in der am Vortag verteilten Info-Broschüre der Stadt: Unterhalb seines Grußwortes sieht man einen stilisierten Stimmzettel mit Kreuzchen und das Wort „Nein“.

Darüber hinaus erfährt man, dass Oeldorf, obwohl in Wilhelmsfeld wohnhaft, trotzdem an der Abstimmung teilnehmen kann. „Als Bürgermeister gelte ich per Gesetz als Bürger Schriesheims“, erläutert er: „Ich kann also abstimmen.“

Potentielle Betreiberfirma und Naturschützer äußern sich

Nach und nach werden die Experten nach vorne gerufen, um aus ihrem Bereich zu referieren. Interessant wird es beim Vertreter des Betreibers: „Wir stehen in den Startlöchern“, sagt Dennis Hohlfinger von der Firma Pionext, die von drei Energieversorgungsunternehmen getragen wird. Sie möchte die vier 266 Meter hohen Windräder projektieren, bauen und betreiben. Beteiligung von Bürgern und der Gemeinde bis zu 24,9 Prozent sei möglich.

Spannend wird es bei den Naturschützern. „Wir unterstützen die Energiewende“, betont Julius Schmidt vom BUND-Landesverband: „Denn sie dient auch dem Artenschutz.“ Allerdings handle es sich beim Standort Schriesheim um eine „ökologisch wertvolle Fläche“, sagt er und nennt Wanderfalken, Wespenbussard und Fledermäuse. Insofern sind sich die Verbände nicht einig: Der NABU Heidelberg ist für ein Ja, der BUND Schriesheim gibt keine Empfehlung, der BUND Dossenheim plädiert für Nein. Nochmals zur Erinnerung: Wer keine Windräder in Schriesheim will, muss beim Bürgerentscheid mit Ja votieren.

Die konkurrierenden Initiativen präsentieren ihre Argumente

Dann sind beide Bürgerinitiativen an der Reihe. Zunächst die Windkraft-Befürworter. Thomas Rinneberg wählt einen persönlichen Ansatz, berichtet davon, wie er seine Tochter zu einer Klima-Demo begleitet habe. „Viele Einwände gegen die Windräder haben einen wahren Kern, werden jedoch aufgebläht“, beklagt er: „Viele Zahlen sind falsch oder fehlen ganz.“ Ja, es stimme, dass die Baustelle für ein Windrad „fürchterlich aussieht.“ Aber sie tangiere eine vergleichsweise winzige Fläche - sagt er und zeigt ein großes Backblech, auf das er vier kleine Papierfetzen in Fingernagel-Größe platziert. Bei der Abstimmung gehe es darum, „dem Projekt eine Chance zu geben, weiter geprüft zu werden“, bringt es seine Mitstreiterin Margrit Liedloff auf den Punkt.

Kommentar Info-Veranstaltung über Windkraft in Schriesheim erfolgreich und überraschend

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Ganz anders sehen das die Windkraft-Gegner, Initiatoren des Bürgerentscheids. Ihre Sprecherin Karin Reinhard lobt den eigenen „Mut, gegen die herrschende Meinung anzugehen, gegen eine von der Regierung vorgegebene Meinung.“ Ihr Mitstreiter Christoph Randt verliest die bekannten Einwände, so etwa die mangelnde Windhöffigkeit und die fehlenden Speicherkapazitäten. Man sei für erneuerbare Energie, aber sie dürfe „die Natur nicht belasten“, der Wald „nicht für Instrieanlagen gepopfert werden“, „nur um Haushaltslöcher zu stopfen.“ Denn: „Waldschutz ist Klimaschutz.“

Parteien begründen ihre Abstimmungs-Empfehlungen

Schließlich die Parteien. „Wir sind uns bewusst, dass der Standort sensibel ist“, bekennt der Grüne Bernd Molitor, empfiehlt aber dennoch ein Nein. Von einer „schweren Entscheidung“ spricht Nadja Lampecht von den Freien Wählern. Ihr zentrales Argument für ein Ja: „der Waldschutz“. „Die Abstimmung kommt eigentlich zu früh“, bekennt CDU-Fraktionschef Michael Mittelstädt, plädiert aber dennoch ebenfalls für ein Ja. Sein zentraler Einwand betrifft nicht so sehr die Windräder selbst, sondern die Zuwegung

Mit viel Beifall bedacht wird SPD-Ortsvereinsvorsitzender Patrick Schmidt-Kühnle. Der Biologe widerlegt viele Argumente gegen die Windkraft. So sei der Wald hier „kein Naturschutzgebiet, sondern ein Wirtschaftswald“, der ohnehin demnächst ausgelichtet werden müsse.

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„Es ist schlimm, dass man Ja oder Nein sagen mus“, bekennt ISB-Stadtrat Hilmar Frey. Keiner der beiden Meinungen stimme er „zu 100 Prozent“ zu, dennoch plädiert die ISB für ein Ja. Ebenso wie FDP-Stadtrat Wolfgang Renkenberger.

Ein überraschendes Argument für ein Ja kommt von AfD-Stadtrat Peter Schmitt: „Das Votum gilt nur für drei Jahre. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“ Enttäuscht zeigt er sich von der Resonanz der Veranstaltung: „Nur 200 Leute von 11.000 Strimmberechtigten“, rechnet er vor: „Beim Ringen waren wir hier früher 800, 900 Leute in der Halle.“ Winfried Plesch von den Linken lobt die sachliche Atmosphäre des Abends und appelliert eindringlich: „Wir sollten im Gespräch bleiben können.“

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