Schriesheim. Wer eine Bilanz des Abends ziehen will, der kann sich eines Spruchs der Jugendsprache bedienen: „Wie gut ist das denn!“ Was heißen soll: Die Informationsveranstaltung der Stadt Schriesheim zum Bürgerentscheid über die Windkraft am 9. November war ein Erfolg.
Das lag an den Rahmenbedingungen: dem Prozedere mit kurzen Impulsvorträgen oder Interviewfragen, einem professionellen Moderator, einem Publikum, das sich im Zaume hielt, Raum für Infos und für Meinungen.
Wobei die dabei gewählte Unterscheidung zwischen Experten und Meinungsträgern eine augenzwinkernde ist. Denn natürlich waren sämtliche Experten - Regierungspräsidium, Nachbarschaftsverband, Beraterteam, Bauträger - nicht neutral, sondern auf Grund politischer Vorgaben oder ökonomischen Interesses pro Windkraft gepolt.
Im Publikum waren die Windkraft-Fans überraschend stärker
Überraschend war die Zusammensetzung des Publikums: Befürworter klar in der Überzahl, wo doch bislang als ausgemacht gilt, dass sie die Abstimmung verlieren werden. Und die geringere Zahl an Windkraft-Gegnern war auch noch aufgehübscht durch Gesinnungsfreunde aus Heidelberg. Bewegt sich da jetzt was?
Aufschlussreich auch die Altersverteilung des Publikums: zwei Drittel älter als 60, im Block der Windkraft-Gegner noch mehr als bei den Befürwortern, unter die sich einige Jugendliche verirrt hatten. Über Windkraft diskutiert (und entscheidet wohl auch am 9. 11.) eine Generation, die von den Folgen von Ja oder Nein weniger betroffen ist als die jüngere.
Bürgermeister in Konfrontation zu seiner politischen Basis
Inhaltlich brachte die Diskussion nichts Neues. Mit einer Ausnahme: Das - wenn auch verklausulierte - Bekenntnis von Christoph Oeldorf pro Windkraft. Der Bürgermeister geht damit auf Konfrontationskurs zu allen Gruppen, die ihn politisch tragen: Freie Wähler, CDU, FDP, ISB. Und für ein Projekt, das seine politischen Gegner propagieren: Grüne, SPD, Linke. Interessant!
Nicht mehr hören kann man das Gerede der Windrad-Gegner, sie seien nicht gegen Windkraft an sich, sondern nur gegen diesen Standort.
Das macht Oeldorf natürlich nicht aus Lust und Tollerei. Sondern aus Verantwortung für die Stadt. Hut ab dafür! Denn eine halbe bis eine ganze Million jährlich für die Stadtkasse, das ist in Zeiten wie diesen ein Pfund. Zumal er bei seinem Amtskollegen Faulhaber im Wort ist. Aus Dossenheim hörte man daher zuvor manche Enttäuschung. Das ist nun geklärt. Spät, aber immerhin.
Peinliche Vorstellung einiger politischer Parteien
Eher peinlich dagegen die Vorstellung mancher Parteien an diesem Abend. Vom CDU-Fraktionschef, der darauf verweist, dass er den Bürgerentscheid eigentlich für verfrüht hält, ihn aber dennoch unterstützt. Oder vom ISB-Stadtrat, der die Dialog-Gruppe „Windenergie“ preist, aber deren Ergebnis ablehnt. Klare Positionierungen zum wichtigsten politischen Thema Schriesheims sehen anders aus.
Nicht mehr hören kann man das Gerede der Windrad-Gegner, sie seien nicht gegen Windkraft an sich, sondern nur gegen diesen Standort. Das erinnert fatal an die Flüchtlingskrise, in der natürlich niemand etwas gegen Geflüchtete hatte, der konkret geplante Standort für ihr Wohnheim aber der falsche sei.
Freie-Wähler-Fraktionschef Hegmann erntete für seinen flammenden Satz „Wir sind voll für den Klimawandel“ Lacher. Natürlich war dies ein Versprecher. Aber irgendwie auch ein Freud’scher. Denn in der Tat wird durch Verhinderung von Windkraft Klimawandel befördert.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Info-Veranstaltung über Windkraft in Schriesheim erfolgreich und überraschend