Energieversorgung

Wie die Schriesheimer Windkraft-Gegner argumentieren

Interview mit Karin Reinhard und Christoph Randt von „Gegenwind e. V.“ zum Bürgerentscheid über Windkraft am kommenden Sonntag

Von 
Konstantin Groß
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Die Vorsitzende des Vereins „Gegenwind“, Karin Reinhard, und ihr Mitstreiter Christoph Randt äußern sich gegenüber dem „MM“ zum anstehenden Bürgerentscheid über Windkraft. © Konstantin Groß

Schriesheim. Am Sonntag findet in Schriesheim und in Dossenheim ein Bürgerentscheid statt. Die Frage lautet, ob Windkraftanlagen im Wald möglich sein sollen oder nicht. Im Vorfeld bringt der „MM“ Interviews mit den beiden konkurrierenden Initiativen „Gegenwind“ und „Energiewende“. Wir beginnen mit „Gegenwind“, die den Bürgerentscheid gegen Windkraftanlagen an diesem Ort initiiert hat. Das Gespräch mit „Energiewende“ e. V. folgt.

Unsere Gesprächspartner: Karin Reinhard, in Dossenheim zu Hause, von Beruf Bankkauffrau, derzeit in einem Hofladen in Handschuhsheim tätig, und Christoph Randt, wohnhaft in der Schriesheimer Altstadt, promovierter Chemiker, als solcher 35 Jahre bei der BASF tätig, inzwischen im Ruhestand.

Frau Reinhard, wie kam es zu Ihrem Engagement in dieser Sache?

Reinhard : Es war im Sommer 2023. Da las ich in der Zeitung, dass es auch in Dossenheim Windräder geben soll. Da war ich schockiert. Ich rief den Bürgermeister an und fragte, ob es nicht notwendig ist, über eine solch wichtige Frage die betroffenen Bürger abstimmen zu lassen. Er sah das anders: „Nur wenn der Wunsch aus der Bevölkerung direkt kommt.“ Da begann ich, mich zu engagieren.

Wie war das bei Ihnen, Herr Dr. Randt?

Randt : Im Bürgermeisterwahlkampf 2021 hatte sich Herr Oeldorf klar gegen Windkraft ausgesprochen. Deshalb habe ich ihn auch gewählt. Im Laufe der Debatte hat er diese Position nicht gehalten. Von den meisten Schriesheimer Parteien habe ich ebenfalls keine klare Position gehört. Da entschloss ich mich, aktiv zu werden.

Nun haben Sie es gleich in zwei Gemeinden geschafft, einen Bürgerentscheid zu initiieren. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?

Reinhard : Nein! Dass wir insgesamt 2.300 Unterschriften zusammenbekommen würden, das hätte ich nicht erwartet. Das Anliegen dieser 2.300 Menschen muss ich jetzt aber auch vertreten. Insofern verspüre ich auch eine gewisse Verantwortung.

In der repräsentativen Demokratie ist auf kommunaler Ebene ja eigentlich der Gemeinderat für politische Entscheidungen zuständig. Warum akzeptieren Sie nicht diesen Weg?

Reinhard : Es stimmt, dass der Gemeinderat gewählt wird, um Entscheidungen zu treffen. Wenn man als Bürger aber den Eindruck gewinnt, dass man in einem wichtigen Punkt mit der zu erwartenden Entscheidung nicht einverstanden sein wird, dann muss es erlaubt sein, das legitime Mittel des Bürgerbegehrens zu nutzen. Wir sind Bürger, keine Untertanen.

Randt : In der Tat ist der Gemeinderat gewählt, um Entscheidungen zu treffen. Aber die Schriesheimer Fraktionen hatten sich über Monate nicht eindeutig erklärt. Dies wurde erst durch unser Bürgerbegehren und den Bürgerentscheid unumgänglich und auch gemacht. Unsere Initiative hat daher im Gegenteil dem demokratischen Prozess genutzt.

Bei vielen herrscht die Ansicht, dass der Bürgerentscheid zu früh kommt. Was sagen Sie dazu?

Reinhard : Er kommt nicht zu früh. Er kommt gerade noch rechtzeitig. Die Gemeinderäte in Dossenheim hatten die Grundsatzentscheidung pro Windkraft bereits gefällt und hätten sich noch vor den Sommerferien für Pionext als Investor entschieden. Es war wichtig, das Bürgerbegehren vor der Unterzeichnung eines Pachtvertrages zu initiieren. Danach wäre kein Einspruch mehr möglich gewesen.

Was ist Ihr zentrales Argument gegen Windkraft am Weißen Stein?

Randt : Vorausschickend möchte ich sagen: Wir sind nicht grundsätzlich gegen Windkraft. Aber sie muss dort stattfinden, wo sie ökonomisch sinnvoll und ökologisch vertretbar ist. Am Weißen Stein ist das nicht der Fall. Ja, dies ist der schlechtestmögliche Standort.

Warum?

Randt : Beim Wald an dieser Stelle handelt es sich um ein wertvolles Landschaftsschutzgebiet. Es grenzt an ein FFH-Gebiet, den Lammerskopf. Der Weiße Stein hat die gleiche ökologische Qualität wie der Lammerskopf und ist nur deshalb kein FFH-Gebiet, weil er nicht kartiert wurde. Außerdem grenzt der Weiße Stein an ein Vogelschutzgebiet mit vielen seltenen Arten, von denen einige auf der Roten Liste stehen.

Aber es wird doch ein Gutachten geben, in dem die ökologische Eignung geprüft werden soll. Vertrauen Sie nicht darauf?

Randt : Der Investor ist es, der das Gutachten in Auftrag gibt und bezahlt. Insofern wird es auch im Sinne des Investors ausfallen. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Gutachten dazu geführt hätte, dass ein solches Gebiet aus der Nutzung für Windkraft wieder herausgenommen worden wäre. Die einzig denkbare Folge ist, dass ein Windrad 100 Meter nach rechts oder nach links verschoben wird. Das ändert nichts an der grundsätzlichen Problematik.

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Ein Argument der Windkraft-Befürworter lautet, dass der Wald an dieser Stelle Nutzwald ist, der ohnehin ausgelichtet wird.

Randt : Das ist nicht richtig. Er ist nicht nur Nutzwald, sondern Landschaftsschutzgebiet mit hochsensiblen ökologischen Flächen. Außerdem gibt es einen wichtigen Unterschied: Für den Bau der Windkraftanlage muss ein Hektar abgeholzt werden, wovon nach Ende der Bauarbeiten aber nur ein halber Hektar wieder aufgeforstet wird. Beim Nutzwald wird nach dem Einschlag jeweils die ganze Fläche wieder neu aufgeforstet.

Herr Rinneberg von Energiewende hat bei der Infoveranstaltung anschaulich visuell klargemacht, dass lediglich vier kleine Stellen in einem riesig großen Waldgebiet betroffen sind.

Reinhard : Wenn es dabei bleibt. Nicht ohne Grund ist in den Veröffentlichungen von „vorläufig“ vier Anlagen die Rede. Sollten weitere potenzielle Flächen genutzt werden, wäre man leicht bei 16 Anlagen.

Wenn Sie nicht generell gegen Windkraft sind und nur gegen diesen Standort: Wo sehen Sie dann alternative Standorte?

Reinhard : Wir plädieren für Standorte in der freien Fläche. Das ist nicht nur ökologisch verträglicher, sondern auch ökonomisch sinnvoiler, weil billiger.

Randt : Ein möglicher Standort wäre etwa am Walldorfer Kreuz oder an der sogenannten Energie-Allee bei Sinsheim an der A 6. Dass so etwas möglich ist, sieht man in Norddeutschland: Dort steht entlang der Autobahnen ein Windrad nach dem anderen. In unserer Region haben wir mit modernen Windrädern in 190 Metern Nabenhöhe auch in der Ebene gute Windverhältnisse

Sie wurden in der Rhein-Neckar-Zeitung mit der Bemerkung zitiert, Sie fänden es nicht richtig, dass auch Jugendliche abstimmen dürfen. Warum?

Reinhard : So habe ich das nicht gesagt. Als die Initiative Energiewende die Jungwähler angeschrieben hatte, bekam ich Anrufe von Eltern, die sich darüber empörten, dass ihre Kinder dadurch einseitig indoktriniert würden. Ich kann diesen Unmut verstehen. Auch ich finde es schwierig, dass Menschen, einseitig informiert, über ein so weitreichendes Thema abstimmen in einem Alter, in dem ihnen Lebenserfahrung noch fehlt.

An Ihren Ständen trifft man auf den AfD-Kommunalpolitiker Geisenheiner. Welchen Einfliuss hat die AfD auf Gegenwind?

Reinhard : Überhaupt keinen! Immer wieder, in jedem Artikel, wird dieser Punkt thematisiert. Ich habe den Eindruck, das ist so etwas wie der letzte Strohhalm, wenn man sonst keine Argumente mehr hat. Das hat nichts mit der Sache zu tun.

Randt : Herr Geisenheiner hat in unserer Initiative kein Amt, er ist nicht im Vorstand. An unseren Ständen macht er lediglich Aussagen zum Thema Windkraft. Und die stimmen mit unseren Ansichten überein.

Welche Bilanz Ihrer Kampagne ziehen Sie?

Randt : Wir sind ganz normale Bürger, die mit so etwas keinerlei Erfahrung haben. Auf der anderen Seite steht eine Initiative, die von Parteien (besonders Grünen und SPD), dem katholischen Pfarrer von Schriesheim und dem evangelischen von Dossenheim, dem ehemaligen Bürgermeister von Schriesheim und durch die Kliba unterstützt wird. Da haben wir es natürlich schwer, öffentlichkeitswirksam durchzudringen. Aber auch wir haben regelmäßig sehr viel positive Resonanz bekommen.

Was hat Sie im Verlauf der Kampagne besonders geärgert?

Reinhard : Der evangelische Pfarrer von Dossenheim hat sein Engagement pro Windkraft damit begründet, dass die Kirchen im Dritten Reich zu lange geschwiegen hätten; diesen Fehler wolle er jetzt nicht wiederholen. Ich finde diesen Vergleich ungeheuerlich. Das ist eigentlich ein Grund, aus der Kirche auszutreten.

Viele Beobachter haben den Eindruck, dass sich, um im Bild zu bleiben, der Wind in den zurückliegenden Wochen gedreht hat und die Kampagne der Windkraft-Befürworter Rückenwind gewonnen hat.

Reinhard : Ich weiß nicht, woher Sie diesen Eindruck nehmen. Ich kann ihn nicht teilen.

Bei der jüngsten Infoveranstaltung der Stadt etwa gab es im Publikum eine klare Mehrheit der Windkraft-Befürworter.

Reinhard : Das Publikum dort war nicht repräsentativ für die Stimmung in der Bevölkerung wie übrigens auch nicht die Gewichtung der Stände in der Mehrzweckhalle. Gekommen waren vor allem Aktivisten der Energiewende. Die schweigende Mehrheit war zu Hause geblieben. Sie wird aber am Tag der Abstimmung kommen.

Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten Ihrer Kampagne?

Reinhard : Ich bin der festen Überzeugung, dass es in beiden Gemeinden eine Mehrheit für das Ja geben wird.

Randt : Meiner Meinung nach ist der Ausgang völlig offen, wobei natürlich auch ich sehr optmistisch bin, dass es eine Mehrheit für das Ja gibt.

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