Schriesheim. Samstagvormittag, 11 Uhr. Im Weindorf vor dem Historischen Zehntkeller steht die offizielle Eröffnung des Schriesheimer Straßenfestes an. Mit den Weinhoheiten und Verkehrsvereins-Chef Joachim Müller betritt Christoph Oeldorf die riesige Bühne. Es ist ihm ein Anliegen, den Aktiven von Polizei, Feuerwehr und Rotem Kreuz zu danken, der sogenannten „Blaulichtgemeinde“. Doch weil, wie er später erklären wird, sein Blick vor ihm auf ein knallrotes Zelt fällt, gilt sein Lob versehentlich der „Rotlichtgemeinde“. Was natürlich im Weindorf für laute Oho-Rufe und Lacher sorgt. Fröhlicher Einstand in ein fröhliches Fest.
Diese Eröffnung am neuen Standort Weindorf ist eine der Neuerungen. Und eine, die als gelungen angesehen werden darf. Die Umrahmung durch Zehntkeller und Kirche, vor allem durch die Buden der Winzer, bietet eine attrakive Kulisse.
Von der Bedeutung des Anlasses zeugen die hochkarärtigen Gäste. Allen voran Franziska Brantner, örtliche Bundestagsabgeordnete, aber auch Bundesvorsitzende der Grünen. Für sie Teil eines wahren Marathons: sechs Feste und Kerwen an diesem einen Tag. Gerade, weil die Partei in Umfragen derzeit etwas durchhängt. „Ich möchte mit den Menschen ins Gespräch kommen“, begründet sie. Ein Angebot, das gerne angenommen wird, als sie von Alt-Bürgermeister Hansjörg Höfer über das Fest geführt wird.
Gemeinsamer Stand von Kulturkreis und Branich-IG
Für die Honoratioren gibt es einen kleinen Rundgang, durch die Heidelberger Straße vorbei am Stadtbrunnen, wo KSV und der TV feiern, in eine neue Straußwirtschaft: die gemeinsame von Kulturkreis und Branich-IG. „Eine gute Sache“, findet Alt-Stadträtin Isolde Nelles. Die frühre Vorsitzende der Branich-IG bringt einen Kuchen vorbei. Andere genießen eher das Weißwurst-Frühstück. Zehn Biersorten gibt es. „Da fühlt sich jemand wie ich natürlich besonders wohl“, bekennt Heinrich Kling, Seniorchef von Kling Malz.
Neu ist auch die Hofwirtschaft der Initiative Schriesheimer Bürger. Etwas entfernt vom Festgeschehen, aber dennoch nicht zu weit. Immerhin sind es ISB-Stadträtin Lissy Breitenreicher und ihr Team, die dazu einladen. Mit einem eigenen Akzent: Äppelwoi, stilecht kredenzt in kleinen Bembeln, eingeschenkt von Jürgen Opfermann, dem früheren „Pfalz“-Wirt. Dazu bietet der Hof von Axel John auch eine Besonderheit: „Eine der wenigen Stellen, an denen man die historische Stadtmauer sehen kann“, weiß Hansjörg Höfer.
Politische Parteien zeigen sich von ihrer geselligen Seite
Neu dabei mit einem Stand in der Heidelberger Straße ist auch die FDP. Trotz oder gerade weil aus dem Bundestag geflogen, zeigen die Liberalen Flagge. Ob Ex-MdL Birgit Arnold oder Stadtrat Wolfgang Renkenberger, alle drehen eifrig das Glücksrad. Irgendwie symbolisch.
Wie die Liberalen in Gelb gewandet, so sind es die Sozialdemokraten in Rot. Das „Rote Eck“ ist vom Straßenfest nicht wegzudenken. Stadträtin Karin Malmberg-Weber backt Waffeln, ihr Kollege Patrick Schmidt-Kühnle schenkt einen guten Tropfen, Sorte „Demokratie“, aus. Gegenüber: die Freien Wähler mit Wildschwein-Spezialitäten. Am Tresen Barbara Schenk-Zitsch. „Ich habe die verantwortungsvolle Aufgabe der Kasse“, schmunzelt die ehemalige Stadträtin der Grünen.
Ihre frühere Fraktion feiert in der Oberstadt, immer gut besucht. Vielleicht auch wegen einer Besonderheit: „Bei uns gibt es keine laute Musik“, sagt GL-Chef Robert Hasenkopf-Konrad. „Viele schätzen die Ruhe und die Möglichkeit zum Gespräch“, weiß Stadtrat Bernd Molitor. Keinen Stand hat die CDU. „Unsere Aktiven sind bei den Vereinen eingespannt“, erläutert Christiane Haase. „Oder besuchen sie als Gäste“, lacht die CDU-Ortsvorsitzende.
Auch Initiativen nutzen den Andrang zur Werbung
Aber auch Initiativen nutzen den Andrang. So etwa die „Energiewende“. Im Vorfeld des Bürgerentscheids vom 9. November über Windkraftanlagen am Weißen Stein werben die Befürworter der Windenergie für ihr Anliegen. „Wir haben nicht viele Möglichkeiten, auf uns aufmerksam zu machen“, bedauert Margrit Liedloff. In der offiziellen Broschüre zur Abstimmung dürfen leider nur deren Initiatoren, also die Windkraft-Gegner, ihre Argumente vorbringen.
Auch eine zweite Initiative ist präsent: Die Strahlenburg-Stiftung wirbt um Spenden für den Erwerb des Baudenkmals. Als Blickfang dient ein Modell der Burg. „Das hat uns ein Bürger vom Branich zur Verfügung gestellt“, berichtet Brigitte Rufer, eine der Motoren der Initiative.
Flohmarktstände beleben das Festgeschehen
Vor allem geprägt wird das Straßenbild jedoch vom Flohmarkt. Seit Jahren dabei ist Stepanie Kuntermann, Redakteurin der „Weinheimer Nachrichten“ und in Schriesheim zu Hause. „Es findet sich im Keller oder auf dem Dachboden immer noch was, das sich verkaufen lässt“, schmunzelt sie. Am frühen Morgen baut auch sie auf: „13 Grad kalt“, beschreibt sie die Witterung, die an jenem sonnigen Vormittag wie weggeblasen scheint.
Um dem Flohmarkt Platz zu schaffen, muss nur ein Fahrzeug abgeschleppt werden, berichtet Ordnungsamtschef Marco Skarke: „Bei den anderen haben wir die Fahrzeughalter ermittelt, so dass sie weg fuhren.“ Größere Vorkommnisse sind bis Redaktionsschluss nicht bekannt. Darüber freuen sich am meisten die Aktiven der „Rotlicht-, oh sorry: der „Blaulichtgemeinde“.
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