Schriesheim. Freitag, der 13. - Unglückstag für die Windenergie an der Bergstraße? Oder Glückstag für Bürgerbeteiligung in Schriesheim? Das muss sich erst noch zeigen. Sicher ist derzeit nur, dass es im Herbst in Schriesheim wie übrigens auch in Dossenheim einen Bürgerentscheid über Windkraftanlagen im hiesigen Wald geben wird. In beiden Gemeinden sind die nötigen Unterstützungsunterschriften beisammen, die Schriesheimer wurden an diesem Freitag im Rathaus übergeben.
Dabei schien der Weg der Windkraft an der Bergstraße vorgezeichnet. In beispielhafter Kooperation wollten Schriesheim und Dossenheim die Windräder, da ja von beiden Orten aus sichtbar wären, gemeinsam organisieren. Zu diesem Zweck bildeten sie eine „Dialoggruppe“, der Gemeinderäte aus beiden Kommunen angehörten.
„Gegenwind Bergstraße“: 1.206 Unterschriften in Schriesheim
Ihr Auftrag lautete, zu eruieren, wie Windkraft am Weißen Stein verwirklicht werden kann. Vor kurzem schaute die Dialoggruppe sogar schon einen Investor aus: die Firma „Pionext“ aus Alzey. Im Juli wollten beide Gemeinderäte dies formal beschließen. Danach hätte „Pionext“ - auf eigene Kosten - die vorgeschriebenen Untersuchungen und Gutachten in Auftrag geben können.
Daraus wird nun - zumindest vorerst - nichts. Denn je intensiver die Dialoggruppe voranschritt, desto mehr Widerstand regte sich, organisiert in der Initiative „Gegenwind Bergstraße“. In beiden Gemeinden startete sie Bürgerbegehren, mit denen jeweils ein Bürgerentscheid erzwungen werden sollte. In Schriesheim waren 830 Unterschriften notwendig, in Dossenheim 687.
In kürzester Zeit brachte die Initiative in beiden Gemeinden weit mehr zusammen: In Dossenheim 1.100, vor einigen Tagen dem dortigen Bürgermeister David Faulhaber übergeben, in Schriesheim 1.206 auf DIN-A-4-Unterschriftenlisten, nummeriert, damit kein Blatt verschwinden kann. Im Rathaus nahm Freie-Wähler-Fraktionschef Bernd Hegmann, Stellvertreter des in Urlaub befindlichen Bürgermeisters Christoph Oeldorf, die beiden dicken Aktenordner am Freitag in Empfang.
Gemeinderat beschließt am 23. Juli über Bürgerentscheid
Wie geht es weiter? Die Verwaltung wird nun mit der Überprüfung der Unterschriften beginnen, indem sie diese mit dem Melderegister abgleicht. Geprüft wird dabei zum Beispiel, ob die Unterzeichnenden mindestens 16 Jahre alt und in Schriesheim gemeldet sind. „Wir rechnen mit 14 Tagen Dauer“, sagt Hauptamtsleiter Dominik Morast.
Am 23. Juli könnte der Schriesheimer Gemeinderat dann darüber beraten. Wenn das Quorum erfüllt ist, und daran gibt es angesichts der hohen Zahl kaum Zweifel, dann hat der Gemeinderat „keinen Ermessensspielraum“, betont Morast: Er muss der Abhaltung des Bürgerentscheides zustimmen. Sollte sich dennoch im Rat eine Mehrheit dagegen finden, wäre ein solcher Beschluss rechtswidrig, und der Bürgermeister müsste widersprechen.
Möglicherweise ebenfalls bei dieser Sitzung könnte der Gemeinderat auch bereits den Termin für den Bürgerentscheid festlegen. Laut Gemeindeordnung muss er innerhalb von vier Monaten nach dieser Sitzung stattfinden, also bis spätestens 23. November. Ziel der Verwaltung ist es, in Schriesheim am gleichen Tag abstimmen zu lassen wie in Dossenheim, dessen Gemeinderat am 29. Juli darüber berät.
Ebenfalls am 23. Juli muss der Gemeinderat das Prozedere im Vorfeld des Bürgerentscheides festlegen. Nach den Worten von Morast prüft die Verwaltung derzeit, ob entsprechend zu Wahlen verfahren werden muss. Das bedeutet: Keine Veranstaltungen zu diesem Thema in kommunalen Räumen und eine 16-wöchige Karenzzeit im Mitteilungsblatt für alles, das in Zusammenhang mit dem Abstimmungsgegenstand steht. „Das könnte notwendig sein, um eine Ungleichbehandlung zu verhindern“, betont Morast.
Erfolgreich ist der Bürgerentscheid, wenn 20 Prozent der Abstimmungsberechtigten ihm zustimmen, und dies unabhängig von der Abstimmungsbeteiligung. Zum Vergleich: Die Beteiligung bei der jüngsten Gemeinderatswahl lag bei mehr als 70 Prozent. Das Ergebnis des Bürgerentscheides ist bindend.
Interessant ist die Frage, was passiert, wenn es in beiden Gemeinden unterschiedliche Voten gibt, also in Schriesheim gegen Windkraft und in Dossenheim dafür, was Beobachter für nicht unwahrscheinlich halten. „Dann ist das Projekt tot“, meint Karin Reinhard von der BI. Die Vertreter der Verwaltung äußerten sich zu dieser Frage nicht.
Vertreter der BI gehen auf Distanz zur AfD-Unterstützung
Die Vertreter der BI äußerten sich auf Nachfrage des „MM“ auch dazu, dass die AfD und der von einem Ex-AfD-Stadtrat geführte Demokratieverein intensiv für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gegen Windenergie werben. „Wir sind neutral“, sagt Karin Reinhard. Man könne sich nicht dagegen wehren, wenn auch die AfD dafür werbe. Auf die Frage, welche Rolle der frühere Schriesheimer AfD-Kreisrat Andreas Geisenheimer in der BI spiele, antwortete Reinhard: „Er ist Mitglied.“ Eine führende oder gestaltende Funktion habe er jedoch nicht.
Von den Räten, die von der Übergabe informiert wurden, war nur Wolfgang Renkenberger (FDP) erschienen. Er begrüßte den Bürgerentscheid, da in der aufgeheizten Diskussion nur er eine „Befriedung“ bringe: „Das hat man beim Volksentscheid über Stuttgart 21 gesehen.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Darum ist ein Bürgerentscheid zur Windkraft derzeit nicht sinnvoll