Schriesheim. Am Freitag kommender Woche ist ein Tag, dem Eltern in Schriesheim mit wenig Freude entgegensehen: An jenem 1. September tritt die neue Kindergartenordnung in Kraft - ein Vorgang, der üblicherweise niemanden emotional erregt. Diesmal schon: Denn die Kosten für Eltern, also die Gebühren zur Betreuung, steigen drastisch, während der Service sinkt, sprich die Öffnungszeiten.
Und eine solche Kombination hat in Schriesheim tiefgreifendere Auswirkungen als in allen Umlandgemeinden: Denn in der Weinstadt gibt es keine konfessionellen Kindergärten, sondern - mit Ausnahme weniger privater - nur kommunale, also keine Ausweichmöglichkeiten.
Die Verwaltung argumentiert, zur Verkürzung der Öffnungszeiten sei sie durch den Personalmangel gezwungen: Von den 14 Fachkräften, die seit dem vergangenen Sommer eingestellt wurden, seien zehn wieder gegangen. Zwar wurden sechs neue gewonnen und auch die drei Azubis übernommen. Dennoch bleibe die Situation angespannt.
Nur noch bis 16 statt 17.30 Uhr
Denn auch im Normalbetrieb fehlt es personell an allen Ecken und Enden - aufgrund des gerade in Kitas hohen Krankenstandes, aber auch wegen der im vergangenen Jahr eingetretenen tarifvertraglichen Verbesserungen mit bis zu vier zusätzlichen Urlaubstagen. Im Schnitt sind an einem Werktag elf der insgesamt 75 Betreuungskräfte nicht im Dienst.
Angesichts dessen steht eine Wiederausweitung der Betreuungszeiten für die Verwaltung hinter zwei Zielen zurück. Zum einen, auch die bestehenden, kürzeren Öffnungszeiten überhaupt sicherzustellen. „Ein Credo ist für uns, dass bevor wir an eine Ausweitung der Öffnungszeiten kommen, wir eine stabile Personalsituation benötigen“, erläuterte Hauptamtsleiter Dominik Morast Ende Juli im Gemeinderat. Und zum zweiten: die Sicherung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz; dies im Frühjahr zu gewährleisten, wird ohnehin eine große Herausforderung für die Stadt.
Verwaltung befürchtet Personalmangel
Aber auch aus einem anderen Grund wehrt sich die Verwaltung dagegen, die Öffnungszeiten zum jetzigen Zeitpunkt wieder zu verlängern: „Je länger die Öffnungszeiten sind, desto unattraktiver wird die Tätigkeit bei uns“, argumentierte Morast im Gemeinderat. Mögliche Folge: noch größerer Personalmangel.
Für die Eltern hat das Folgen: So schließt die Einrichtung in der Mannheimer Straße seit 2021 um 16 Uhr statt um 17.30 Uhr, ebenso wie seit 2022 jene in der Hirschberger Straße und in Altenbach. So gelten in fünf der sechs kommunalen Einrichtungen Öffnungszeiten nurmehr von 7.30 bis 16 Uhr; lediglich der Kindergarten in der Römerstraße ist noch von 7 bis 17 Uhr geöffnet.
Unerquicklich ist die Lage für die Eltern, weil die Verfestigung dieser unattraktiven Öffnungszeiten mit einer drastischen Erhöhung der Gebühren einhergeht - und das um stolze 14 Prozent, im Kinderhaus Altenbach sogar bis zu 22 Prozent. Allerdings gibt es eine soziale Komponente: Hälftiger Beitrag für das zweite Kind, ab dem dritten gar keiner.
Erste Anpassung seit 2017
Die Verwaltung rechtfertigt die drastische Erhöhung mit dem Argument, dass die Gebühren seit 2017 wegen der Belastung der Familien in den drei Corona-Jahren 2020 bis 2022 nicht mehr angepasst wurden. Mittlerweile lägen die Ausgaben des städtischen Haushalts für die Kinderbetreuung bei fast drei Millionen Euro, der Kostendeckungsgrad bei nurmehr 17,6 Prozent, 2020 waren es noch 19,85. Der Gemeindetag hat einen Richtwert von 20 Prozent ausgegeben, der mit der jetzigen Erhöhung weitgehend erreicht wird.
„Lassen wir es bei 17 Prozent, da zahlt die Verwaltung einfach mehr“, zitierte Morast im Gemeinderat einen oft zu hörenden Einwand: „Aber das will der Gesetzgeber eigentlich nicht. Er will nicht, dass die Allgemeinheit für die Leistungen, die einzelne Gruppen erhalten, aufkommen muss“, so der Ratsschreiber.
Auch die Entgelte für das Mittagessen werden übrigens erhöht - „aufgrund der erhöhten Lebensmittelpreise“, wie Morast zustimmend begründet. „Das war für uns nachvollziehbar, als der Caterer dementsprechend auf uns zugekommen ist.“
Als die Neuregelung Ende Juli im Gemeinderat beraten wurden, stieß die Verwaltung mit ihrem Vorgehen denn auch auf keinerlei politischen Widerstand. Die Fraktionen fanden das alles zwar - wie der Grüne Rouven Langensiepe formulierte - „ganz, ganz schade“ und „schwierig“ (CDU-Rätin Andrea Diehl), die jetzige Linie aber „voll nachvollziehbar“ (Langensiepe) oder „nicht zu vermeiden“ (Freie-Wähler-Rat Hans Beckenbach). AfD-Stadtrat Thomas Kröber war das Thema jedoch noch nichtmal eine Wortmeldung wert.
Allerdings gab es zwei zarte Vorstöße: Rainer Dellbrügge verwies auf die Idee seiner SPD für einkommensabhängige Gebühren, „wie sie in anderen Kommunen bereits bestehen“. Die prinzipielle Lösung sei ohnehin gebührenfreie Betreuung. Die Grünen beantragten, die Erhöhung in zwei Schritten 2023 und 2024 zu staffeln - was Verwaltung und Ratsmehrheit als unpraktikabel ablehnten. Am Ende stimmten jedoch auch Grüne und SPD geschlossen für die Verwaltungsvorlage.
Der einzige, der gegen die Gebührenordnung argumentierte, war der sozialpolitisch schon immer engagierte CDU-Rat Karl Reidinger aus dem Stadtteil Altenbach. Hier fällt die Erhöhung mit bis zu 22 Prozent auch besonders heftig aus - und dies ebenfalls bei geringerem Angebot.
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