Schriesheim. Die SPD ist im Schriesheimer Gemeinderat die viertgrößte Fraktion, ihr Sprecher seit 2017 der Landtagsabgeordnete Sebastian Cuny. Im „MM“-Sommerinterview äußert sich der 46-Jährige zu aktuellen Fragen der Kommunalpolitik.
Herr Cuny, am 9. November gibt es ja nun einen Bürgerentscheid zu Windkraft in Schriesheim. Finden Sie das gut?
Sebastian Cuny: Zunächst einmal finde ich gut, dass es das Instrument des Bürgerentscheides gibt. Und dass die Bürgerinnen und Bürger in dieser Form ihre Meinung direkt kundtun können. Die SPD hatte ja in der Landesregierung mit den Grünen dafür gesorgt, dass es einfacher wird, einen solchen Bürgerentscheid abzuhalten. Im konkreten Fall halten wir den Zeitpunkt jedoch für verfrüht.
Warum?
Cuny: Wir denken, man hätte abwarten können und sollen, bis der konkrete Pachtvertrag vorliegt.
Welchen Ausgang des Bürgerentscheides erwarten Sie?
Cuny: Ich erwarte ein knappes Ergebnis, und zwar pro Windkraft. Es gibt in Schriesheim viele Menschen, die sich für die Energiewende engagieren. Aus anderen Gemeinden wie zuletzt Herrenberg sehen wir zunehmend, dass es bei Bürgerentscheiden Mehrheiten für die Windkraft gibt.
Wird sich die SPD im Vorfeld positionieren, und wenn ja wie?
Cuny: Die SPD Schriesheim hat sich als erste politische Kraft schon sehr früh für Windkraft in Schriesheim ausgesprochen. Und dies aus zwei Gründen: Erstens als örtlicher Beitrag zur unerlässlichen Energiewende. Und zum Zweiten, weil die Stadt durch die Pachteinnahmen finanziell profitiert.
Was passiert, wenn – was viele Beobachter für möglich halten - die Windkraft in Schriesheim abgelehnt wird, in Dossenheim aber eine Mehrheit findet?
Cuny: Das wäre das Schlechteste, das passieren könnte. Dann würden Windkraftanlagen auf Dossenheimer Gemarkung, aber an der Gemarkungsgrenze zu Schriesheim entstehen. Wir hätten den Blick auf die Windkraftanlagen, Dossenheim aber den finanziellen Nutzen.
Anderes aktuelles Thema: die Strahlenburg. Wie stehen Sie zur geplanten Bürgerstiftung und deren Ansinnen, die Burg zu erwerben?
Cuny: Wir begrüßen dies außerordentlich. Die SPD war diejenige Partei, auf deren Antrag hin bereits 2012 Zuschüsse der Stadt zur Sanierung und Erhaltung der Burganlage gewährt wurden. Ich selbst habe mich bereits lange vor der jetzigen Initiative, im Januar 2024 als Landtagsabgeordneter, mit dieser Thematik an den Finanzminister von Baden-Württemberg gewandt.
Halten Sie das Vorhaben der Initiatoren, 3,5 Millionen Euro aufzubringen, für machbar?
Cuny: Durchaus. Und wenn sich ein Alt-Bürgermeister dafür engagiert, so tut er das sicherlich nicht ohne Hintergrund. Viele Menschen in dieser Stadt identifizieren sich mit ihrem Wahrzeichen. Unter ihnen sind nicht wenige finanziell starke Bürgerinnen und Bürger.
Sehen Sie eine finanzielle Beteiligung der Stadt?
Cuny: Eine finanzielle Beteiligung der Stadt sehe ich angesichts der Finanzlage nicht. Sie hat jedoch andere Möglichkeiten, unterstützend zu wirken, etwa bei Aktionen wie einem Spendenlauf oder einem Benefizkonzert.
Damit sind wir beim Thema Finanzen: Wo sehen Sie noch strukturelles Sparpotential?
Cuny: Dieses ist aus meiner Sicht gering. Erfolgversprechender scheint mir, die Einnahmeseite zu stärken. Zum Beispiel durch die Nutzung der Windenergie oder die Beteiligung der Stadt mit Projekten am 100-Milliarden-Investitionsprogramm des Bundes.
In der Diskussion ist ja auch die Einschränkung freiwilliger Leistungen bis hin zur Aufgabe der Volkshochschule und der Musikschule. Ist das mit der SPD zu machen?
Cuny: Nein. Wir sind dagegen, Einrichtungen, die der kulturellen Teilhabe der Bevölkerung dienen, zu streichen.
Die Grünen haben vorgeschlagen, auf den Neubau des millionenschweren Kindergartens Wolkenschloss zu verzichten und dafür einen weit kostengünstigeren Naturkindergarten zu errichten. Wie steht die SPD dazu?
Cuny: Zum einen finden wir es nicht angemessen, dass die Grünen damit wieder einmal einen langen Prozess in Frage stellen. Hier geht es ihnen offensichtlich eher darum, in der politischen Diskussion ein Alleinstellungsmerkmal zu setzen als um eine langfristige Perspektive in der Kinderbetreuung. Denn auch inhaltlich bietet ihr Vorschlag keine Alternative. Ein Naturkindergarten bringt nur 20 Plätze, der geplante Neubau jedoch 90.
Die andere Möglichkeit, den Haushalt zu finanzieren, ist die Erhöhung der Einnahmen, etwa von Steuern und Abgaben. Wie steht die SPD dazu, konkret etwa bei der Grundsteuer?
Cuny: Wir sind dagegen, immer weiter an der Gebührenschraube zu drehen. Eine Erhöhung der Grundsteuer konkret würde die ohnehin schon hohen Wohnkosten auch und gerade für Mieter weiter erhöhen. Wir setzen auf andere Einnahmequellen, wie bereits gesagt aus der Nutzung der Windenergie und an der Teilnahme an Förderprogrammen von Bund und Land.
Ein anderes Mittel zur Einnahmesteigerung war früher ein Neubaugebiet. Wie stehen Sie dazu?
Cuny: Wir fordern seit langem eine Grundsatzentscheidung über dieses Thema, allerdings nicht aus finanziellen Gründen, sondern im Hinblick auf die Stadtentwicklung. Nahezu täglich begegnen uns Menschen, die händeringend nach Wohnraum suchen. Vor zwei Jahren ist uns zugesichert worden, dass über das Thema Neubaugebiet ein Dialog beginnen soll. Passiert ist nichts. Für uns bleibt das Thema jedenfalls auf der Agenda.
In allen Umlandgemeinden – Dossenheim, Hirschberg, Heddesheim, Ladenburg – ist eine große Dynamik zu erkennen, in Schriesheim herrscht Stillstand. Warum ist das so?
Cuny: Zum einen muss man konstatieren, dass Schriesheim im Unterschied zu den genannten Kommunen auf Grund der Schulsanierung eine extrem angespannte Haushaltslage hat, die es natürlich erschwert, neue Großprojekte anzugehen. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Dinge, die entschieden werden können und müssten, nicht entschieden werden.
Das ist jetzt sehr nebulös formuliert. Sie meinen damit aber wohl den Bürgermeister?
Cuny: Ja, natürlich. Er ist Chef der Verwaltung und trägt daher dafür die Verantwortung. Zur Halbzeit seiner Amtszeit müssen wir daher einfordern, dass er künftig mehr Bürgermeister sein sollte als Verwaltungschef - mehr Ideen, weniger Akten.
Welche Note würden Sie seiner bisherigen Amtszeit geben?
Cuny: 3-4.
Die nächste Bürgermeisterwahl ist in vier Jahren. Spielt das in den Überlegungen Ihrer Partei bereits eine Rolle?
Cuny: Sicher haben wir auch schon 2029 im Blick. Bis dahin fließt jedoch noch sehr viel Wasser den Kanzelbach hinunter. Unsere Priorität als Fraktion liegt auf den aktuellen Aufgaben: Modernisierung der städtischen Gebäude weiter vorantreiben, Windkraftausbau ermöglichen, bezahlbaren Wohnraum schaffen.
Wie beurteilen Sie das Klima im Gemeinderat?
Cuny: Bis zur Kommunalwahl 2024 war die Zusammenarbeit im Rat sehr gut. Das änderte sich mit der neuen Zusammensetzung des Gremiums, bei der sich eine unerfreuliche Lagerbildung zeigte, beginnend mit der Wahl der Bürgermeister-Stellvertreter. Wir als SPD sehen uns aber nicht als Teil eines Lagers, sondern als verbindendes Element. Also keine Entweder-oder-Partei, sondern eine Und-Partei.
Warum gibt es in Schriesheim kein Klima für eine enge rot-grüne Zusammenarbeit?
Cuny: Wie gesagt: Wir sehen uns nicht als Teil eines Lagers. Wir arbeiten inhaltlich und menschlich sehr gut mit der CDU-Fraktion zusammen, bei Sachthemen wie dem City-Bus aber auch mit den Grünen.
Im Amtlichen Mitteilungsblatt der Stadt veröffentlicht nach wie vor ein von einem Ex-AfD-Stadtrat geführter rechter Verein seine kruden Thesen. Warum wird die SPD mit ihrer langen antifaschistischen Tradition dagegen nicht aktiv?
Cuny: Ich bin da keiner, der das verbieten will. Solange rechtliche Grenzen eingehalten werden, müssen wir das als Meinungsfreiheit akzeptieren. Die Demokratie muss das aushalten, auch wenn es schwer fällt. Auch mir.
Sie sind Kommunal- und Landespolitiker. Passt das zusammen?
Cuny: Sehr gut. Jeder der beiden Bereiche profitiert von den Erfahrungen im jeweils Anderen. Als Abgeordneter komme ich an Informationen, an die man als Kommunalpolitiker nicht so leicht oder so schnell kommt. Und in die Landespolitik kann ich die Sichtweise der Kommunen einbringen. Aber natürlich ist das zeitlich sehr anspruchsvoll.
Wie beurteilen Sie ihre Chance, auch nach der Landtagswahl 2026 Abgeordneter zu sein?
Cuny: Die anstehende Landtagswahl ist meine vierte, in der ich als Kandidat oder Zweitkandidat beteiligt bin. Dabei habe ich gelernt, dass dieser Wahlkreis niemals sicher ist. Mit Platz 23 der SPD-Landesliste habe ich vor dem Hintergrund des neuen Wahlrechts eine gute Chance. Ich bin optimistisch, dass die Menschen mir und der SPD wieder das Mandat erteilen, sie in Stuttgart zu vertreten.
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