Energiepolitik

Erster Bürgerentscheid in Schriesheim: Windkraft spaltet die Bergstraße

Am 9. November stimmen Schriesheim und wohl auch Dossenheim über Windräder am Weißen Stein ab. Trotz offener Fragen zur Planung wächst der Widerstand – Befürworter warnen vor Einnahmeverlusten.

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Konstantin Groß
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Befürworter (l.) und Gegner der Windenergie in Schriesheim sind Flyer-mäßig für den Wahlkampf zum Bürgerentscheid bestens gerüstet. © Konstantin Groß

Schriesheim. Als der Gemeinderat am Mittwochabend zur letzten Sitzung vor der Sommerpause zusammentritt, da fasst er zu Punkt 2 der Tagesordnung einen Beschluss, den FDP-Stadtrat Wolfgang Renkenberger als „historisch“ bezeichnet: Denn erstmals in der Geschichte der Weinstadt wird es einen Bürgerentscheid geben, und zwar am 9. November. Er betrifft das vor Ort hoch umstrittene Thema Windkraftanlagen am Berghang. Ausgang offen.

Dabei schien der Weg der Windenergie an der Bergstraße bereits fest vorgezeichnet. In beispielhafter Kooperation wollten Schriesheim und Dossenheim die Windräder, da sie ja von beiden Orten aus sichtbar wären, gemeinsam organisieren. Zu diesem Zweck bildeten sie eine „Dialoggruppe“, der Gemeinderäte aus beiden Kommunen angehörten.

Ihr Auftrag lautete, zu eruieren, wie Windkraft am Weißen Stein verwirklicht werden kann. Im Frühjahr wählte die Dialoggruppe sogar schon einen Investor aus: die Firma „Pionext“ aus Alzey. Im Juli wollten beide Gemeinderäte dies formal beschließen. Danach hätte „Pionext“ – auf eigene Kosten – die vorgeschriebenen Untersuchungen und Gutachten in Auftrag geben können.

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Doch daraus wurde nichts. Denn je erfolgreicher die Dialoggruppe voranschritt, desto mehr Widerstand regte sich, organisiert in der Initiative „Gegenwind Bergstraße“. Im Mai startete diese in beiden Gemeinden ein Bürgerbegehren, mit dem in beiden Orten ein Bürgerentscheid erzwungen werden sollte. In Schriesheim waren dafür 830 Unterschriften nötig, in Dossenheim 687.

Binnen kürzester Zeit brachte die Initiative weit mehr zusammen: in Dossenheim 1.100, in Schriesheim 1.206. Auch nach der Prüfung durch das Schriesheimer Ordnungsamt blieben davon 1.143 gültig. „Das Quorum ist eindeutig erfüllt“, brachte es Hauptamtsleiter Dominik Morast auf den Punkt, als die Räte jetzt zu entscheiden hatten, ob die rechtlichen Voraussetzungen für einen Bürgerentscheid erfüllt sind: „Einen Ermessensspielraum haben Sie nicht“, machte Morast klar.

Sozialdemokraten stimmen trotz Bedenken zu

Das sahen auch sämtliche politischen Kräfte im Gremium so. Die Sozialdemokraten, von Anfang an die engagiertesten Befürworter der Windkraft, verhehlten dennoch nicht ihre Skepsis. Die gesetzliche Vorgabe, wonach in der Begründung des Bürgerbegehrens nicht „falsch, unvollständig und irreführend“ sein dürfe, sah Patrick Schmidt-Kühnle nicht erfüllt: Die Angabe der Windkraftgegner etwa, „im Wald gibt es keine Infrastruktur“, entspreche nicht den Tatsachen: „Es gibt 120 Kilometer befestigte Forstwege. Und auf den Weißen Stein führt eine geteerte Straße hinauf.“ Der SPD-Ortsvereinsvorsitzende sprach für die nun anstehende öffentliche Diskussion eine Hoffnung aus: „mehr Sachlichkeit und vor allem Ehrlichkeit.“

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Auch das Stadium, in dem der Bürgerentscheid stattfindet, ist nach Ansicht der SPD falsch. „Es wäre sinnvoller gewesen abzuwarten“, sagte Schmidt-Kühnle. Und zwar abzuwarten, bis Zahl, Größe und genaue Stadnorte der geplanten Windräder feststehen. Jetzt finde die Abstimmung ohne ausreichende Datenbasis statt: „Eventuell war aber genau das der Zweck“, mutmaßte er.

Inhaltlich warnte Schmidt-Kühnle eindringlich vor einem Nein zur Windenenergie. Dadurch würden Pachteinnahmen für den städtischen Haushalt in Höhe von bis zu 200.000 Euro verhindert. „Das sind Einnahmen, die angesichts unserer Haushaltslage dringend erforderlich sind“, machte er klar: „Es muss jedem klar sein, dass ein Ja zu diesem Bürgerentscheid vermutlich zugleich ein Ja für Gebührenerhöhungen ist.“.

Die Gegenposition formulierte Wolfgang Renkenberger. Der FDP-Stadtrat würdigte das Engagement der Initiative „Gegenwind“ und krisierte gleichzeitig, dass die Windkraft-Befürworter „in der öffentlichen Auseinandersetzung von einer steuergeldfinanzierten NGO unterstützt“ worden seien. Zudem beklagte er, „dass es auch öffentliche Diffamierungsversuche gegeben hat.“

Die anderen Fraktionen äußerten sich in der Sitzung inhaltlich nicht. Vertreter von Freien Wählern, CDU und ISB ließen in den Sommer-Interviews mit den „MM“ durchblicken, dass sie gegen Windkraft an diesem konkreten Standort sind. Als zentrale Begründung nannten sie den Schutz des Waldes und der Artenvielfalt. Die Grünen gelten als Befürworter der Windkraft, haben sich aber noch nicht geäußert.

Vorschlag für 8. März findet keine Unterstützung

Neben dem Beschluss über die Zulässigkeit und das Anberaumen des Bürgerentscheids stand aber auch der konkrete Termin des Urnengangs zur Entscheidung an. Im Vorfeld der Sitzung hatten sich die Bürgermeister Christoph Oeldorf und David Faulhaber darauf verständigt, ihn möglichst gemeinsam abzuhalten, und zwar am 9. November. Im Schriesheimer Gemeinderat stieß dies auf Zustimmung, nur nicht bei der AfD. Deren Stadtrat Peter Schmitt präferierte den Tag der Landtagswahl, also den 8. März 2026. Dies würde den Arbeitsaufwand der Verwaltung und die Kosten minimieren; mit dieser, seiner Auffassung blieb er jedoch alleine.

Der Dossenheimer Gemeinderat wird am 29. Juli über Zulässigkeit und Termin des Bürgerentscheides befinden. Da auch dort die notwendige Unterschriftenzahl überschritten ist, wird mit einem gleichlautenden Beschluss wie in Schriesheim gerechnet. Spannend ist, was geschieht, wenn es beim Bürgerentscheid in beiden Kommunen unterschiedliche Mehrheiten gibt.

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