Erinnerungskultur - Auch CDU-Fraktion unterstützt die Änderung von vier historisch belasteten Straßennamen in Rheinau-Süd

Nur AfD und FDP gegen die Änderung von historisch belasteten Straßennamen in Rheinau-Süd

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Konstantin Groß
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Die Gustav-Nachtigal-Straße in Rheinau-Süd in den 1930er Jahren: Damals erhält sie jenen Namen, der heute für eine breite Diskussion sorgt. © Archiv Konstantin Groß

Für das Ansinnen der Verwaltung, vier historisch belastete Straßennamen in Rheinau-Süd zu ändern, gibt es im Gemeinderat eine breite politische Mehrheit. „Die CDU-Fraktion unterstützt die Umbenennung“, erklärt deren Vorsitzender Claudius Kranz auf Anfrage der Redaktion. Damit sind lediglich noch AfD und FDP strikt gegen Umbenennung der Leutwein-, Lüderitz- und Nachtigal-Straße und des Sven-Hedin-Weges.

„Die Grüne-Gemeinderatsfraktion spricht sich eindeutig für die Umbenennung aus“, bekräftigt deren Vorsitzende Stefanie Heß. Eine bloße Ergänzung durch Schilder lehnt sie ab. „In unserer digitalen Welt sind die meisten Menschen mit Navigationssystemen und Smartphone-Apps unterwegs“, argumentiert sie: „Hier und auch bei allen Online-Kartendiensten werden diese aufklärenden Hinweise nicht angezeigt.“

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Das sieht Thorsten Riehle ebenso: „Ich halte auch nichts davon, die Straßen nicht umzubenennen und nur mit einem Schild zu versehen“, betont der Chef der SPD-Fraktion: „Die Ehrung und die Dokumentation des Unrechts würden bestehen bleiben. Das hielte ich für falsch.“

„Eine Umbenennung solcher Straßen ist längst überfällig und muss zeitnah vollzogen werden“, fordert auch Dennis Ulas, Fraktionschef der LI.Par.Tie. Bloße Hinweisschilder lehnt er ab: „Das würde auch nichts an der Tatsache ändern, dass solche Personen weiterhin im Straßenraum geehrt würden.“

Und diese Haltung ist keineswegs nur eine links der politischen Mitte: „Die CDU-Fraktion unterstützt die Umbenennung“, sagt deren Vorsitzender Claudius Kranz: „Wir glauben, dass eine reine Einordnung der Personen nicht ausreicht.“

Problematische Namenspaten in Rheinau-Süd

Theodor Leutwein: Von 1895 bis 1905 Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, leitet er viele gewaltsame Aktionen gegen die Bevölkerung und wirkt als „herausragender Repräsentant des kolonialen Unrechtssystems“, so Historiker der Uni Mainz.

Adolf Lüderitz: Mit betrügerischen Mitteln jagt der Kaufmann (1834-86) Einheimischen ihr Land ab, was als „Meilenschwindel“ in die Geschichte eingeht. Das Unrecht führt zu Aufständen, die später mit dem Völkermord an den Hereros (80 000 Tote) enden.

Gustav Nachtigal: Als Reichskommissar für Deutsch-Westafrika (1884) ringt er Einheimischen durch die Drohung mit Gewalt bis hin zur Geiselnahme die Abtretung ihres Landes ab.

Sven Hedin: Der Schwede (1865-1952) unterstützt die NS-Politik gegen Juden, spricht von „jüdischer Weltverschwörung.“ Einen Tag nach Hitlers Tod 1945 würdigt er ihn „als einen der größten Menschen, den die Weltgeschichte besessen hat. Aber sein Werk wird weiterleben“. Noch 1949 schwärmt er: „Hitler war ein Kerl!“ 

Weizel: Vor allem gegen Hedin

Eine mittlere Position nimmt die Mannheimer Liste ein: „Eine Umbenennung der diskutierten Straßen wäre sicherlich vertretbar“, betont Fraktionschef Achim Weizel, wobei er ausdrücklich hinzufügt, „dass der Sven-Hedin-Weg auf jeden Fall umbenannt werden sollte.“ Sollte es zu keiner Umbenennung der anderen drei Straßen kommen, müssten Hinweisschilder angebracht werden.

Anders die FDP: „Eine Umbenennung gegen den Willen der Anwohner kommt für uns nicht in Frage“, macht die Fraktionsvorsitzende Birgit Reinemund ganz klar. Sie plädiert für Hinweisschilder, die das Wirken der Namensgeber einordnen. Die FDP beruft sich dabei auf die Haltung ihres Rheinauer Bezirksbeirates Hans Held, zugleich Vorsitzender der Siedlergemeinschaft Rheinau-Süd. Dieser verweist auf die Mohrengasse in Ulm, die nicht umbenannt, sondern kürzlich nur durch ein Hinweisschild ergänzt worden sei.

Lob erhalten die Liberalen dafür von der AfD: Fraktionschef Bernd Siegholt hält die Forderung der FDP „für einen guten Vorschlag.“ Und um es auf den Punkt zu bringen, fügt er hinzu: „Wir unterstützen die Meinung der vor Ort wohnenden und arbeitenden Menschen, welche die Straßennamen erhalten wollen.“

Namen von Antikolonialisten

Doch wie sollen neue Namen ermittelt werden, und wie sollen sie aussehen? „Wir teilen die Position des Arbeitskreises Kolonialgeschichte“, sagt Stefanie Heß: „Bei der Neubenennung sollte die Stadt ein klares Signal für Vielfalt und gegen Gewaltherrschaft und Rassismus setzen.“ Das bedeutet aus ihrer Sicht: „Anstelle von Kolonialisten sollten Antikolonialisten und Antikolonialistinnen geehrt werden.“ Diese Forderung unterstützt Dennis Ulas.

Thorsten Riehle jedoch hält aber auch den Wunsch der Bürger, an einer Umbenennung beteiligt zu werden, für „berechtigt“. Auch Claudius Kranz fordert, „dass mit den Anwohnern ein neues Namensportfolio erarbeitet werden sollte.“ Achim Weizel plädiert dafür, dem Bezirksbeirat ein Vorschlagsrecht einzuräumen.

Sollte es gegen ihren Willen doch zur Umbennenung kommen, so verlangt die FDP „Straßennamen mit Bezug zum Stadtteil oder in Anpassung an die Benennung im Umfeld“, wie Birgit Reinemund formuliert und fordert: „Auf jeden Fall sollten sie allgemein bekannt und einfach aussprech- und schreibbar sein.“

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