Schriesheim. Ja haben wir denn schon Weihnachten? Zum nahen Fest der Geschenke passt jedenfalls, dass der Schriesheimer Gemeinderat in seiner letzten Arbeitssitzung einstimmig den formalen Beschluss zum Bau des neuen Kindergartens am Schulzentrum fasst. Stolze sieben Millionen Euro soll er kosten und im neuen Jahr losgehen. Beim öffentlichen Nahverkehr ist die Einmütigkeit dann aber schnell vorbei: Nur bei vielen Gegenstimmen genehmigt das Stadtparlament die Kostenverteilung.
Dabei versichert Andrea Heitsch, beim Rhein-Neckar-Kreis als stellvertretende Amtsleiterin für den Nahverkehr zuständig: „Die RNV hat plausibel nachgewiesen, woher die Kosten kommen.“ RNV-Vertreter Stefan Prüfer nennt dafür ein anschauliches Beispiel: „In den Corona-Jahren hatten wir nur 15 bis 20 Prozent unserer sonstigen Fahrgastzahlen. Selbst heute sind wir erst wieder bei 90 Prozent angelangt.“
Verständnis für höhere Kosten bei den Grünen
„Wir haben Verständnis für die Mehrausgaben“, betont denn auch Bernd Molitor für die Grüne Liste unter Hinweis auf Energie- und Personalkosten. Die Finanzierung über die Kommunen sei immerhin noch besser als über die Bürger: „Eine reine Erhöhung der Fahrpreise wäre der falsche Schritt und belastet nur diejenigen, die den ÖPNV nutzen.“ Denn dieser sei ja „eine zentrale Säule der Mobilitätswende“.
Doch auch der stärkste ÖPNV-Fan findet das Finanzierungsmodell „nicht unbedingt zeitgemäß“. Den Bürgermeister Christoph Oeldorf fordert Molitor daher auf, mit seinen Amtskollegen Kontakt aufzunehmen, „vor allem mit unserem Verbündeten Edingen-Neckarhausen“.
„Natürlich werden wir zustimmen“, betont aber auch Rainer Dellbrügge für die SPD: „Es gibt ja keine Alternative“, begründet er unter Hinweis auf Kostensteigerungen bei Strom und Bauleistungen: „Und beide werden vom Gefühl her ja wohl nicht kleiner.“ Doch auch er fordert eine andere Finanzierung, und zwar durch Bund und Land: „Wer die Verkehrswende will, der soll dafür auch die Mittel zur Verfügung stellen.“
Freien Wähler wollen dagegen stimmen
Für Wolfgang Renkenberger sind die höheren Kosten der RNV ebenfalls „nachvollziehbar“. Daher „entscheiden wir heute zwar, haben aber keine Wahl“, formuliert der FDP-Fraktionschef. „Ich bin seit 15 Jahren Mitglied des Gemeinderates“, fügt er an: „Seither erlebe ich Sachen OEG ständig diese Ohnmachtsgefühle.“
Eine mittlere Position nimmt die CDU ein. Sie stimmt zwar ebenfalls zu, „aber nur mit geballter Faust“, wie ihr Fraktionschef Michael Mittelstädt formuliert. Für die Zukunft will er gar rechtliche Schritte gegen das Finanzierungssystem nicht ausschließen. Selbst wenn es für den aktuellen Vorgang nichts bringt, werde sich dabei herausstellen, dass die aktuelle Finanzierung „Unrecht“ sei.
Die Freien Wähler ziehen daraus den Schluss, schon jetzt dagegen zu stimmen. „Sehr unerfreulich“ nennt ihr Fraktionschef Bernd Hegmann die jetzige Situation. Von den verschiedenen Verbesserungen im Nahverkehr, für die Schriesheim nun zahlen soll, profitierten vor allem die anderen Gemeinden: bei der Linie 24 Dossenheim und bei der Linie 5 Hirschberg. „Auch wir sind für die Mobilitätswende, aber sie sollte bezahlbar sein“, lautet sein Seitenhieb gegen die Gründe. Die hohen Kosten seien umso unverständlicher angesichts des veralteten Wagenparks: „An der Bergstraße jedenfalls sind vor allem Oldtimer unterwegs.“
Wie die Freien Wähler votiert diesmal auch Einzelstadträtin Lissy Breitenreicher mit Nein. Sie fordert auch endlich Informationen über die Entwicklung der Fahrgastzahlen.
Die sagt ihr der RNV-Mann Prüfer auch zu. Diese Erhebung mache jedoch erst Sinn, wenn die Corona-Delle ausgebügelt ist. Im Übrigen seien der Landrat und die Bürgermeister durch ihre Mitgliedschaft im Beirat schon jetzt an allen Entscheidungen der RNV beteiligt, meint er süffisant. Und Andrea Heitsch fügt an: „Ich nehme mit, dass der Verteilerschlüssel ein großes Thema ist.“
Das kann man so sagen. Der Bürgermeister, Grüne, CDU, SPD und FDP stimmen zwar für den Vertrag, Freie Wähler und Einzelstadträtin Breitenreicher dagegen. AfD-Stadtrat Thomas Kröber ist auch bei dieser Sitzung nicht anwesend, an ihrem Ende dennoch Thema.
Seitenhieb gegen AfD-Stadtrat
Nämlich, als CDU-Fraktionschef Mittelstädt in seiner Funktion als zweiter Bürgermeister-Vize (die erste, Fadime Tuncer, ist entschuldigt) traditionsgemäß das Schlusswort in der letzten Ratssitzung des Jahres spricht - jedoch nicht, ohne „darauf hinzuweisen, dass ich ausdrücklich nicht für Herrn Kröber sprechen darf, denn es ist nicht in seinem Sinne, in seinem Namen zu sprechen“, so Mittelstädt. „Ich habe mir überlegt: Tut mir das weh? Und ich habe festgestellt: Vielleicht ist es gar nicht so schlecht. Denn ich vertrete nicht die Werte von Herrn Kröber. Und ich denke, es geht den anderen hier genauso“ - allgemeines Nicken.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs ist eine Aufgabe für alle