Neuostheim. Im November soll sich das Schicksal der Thomaskirche entscheiden. „Ich möchte eine Entscheidung haben, ob wir einen Abrissantrag stellen oder nicht“, kündigt Ralph Hartmann, der Dekan der Evangelischen Kirche, mit Blick auf die nächste Stadtsynode an.
Zu der Sitzung möchte er auch jene Initiative einladen, die rund 900 Unterschriften gegen den Abriss gesammelt hat. Aber für Hartmann selbst ist klar, dass das Gotteshaus keine Zukunft hat, auch wenn er erst die Aufhebung des Denkmalstatus beantragen muss. „Ich mache das nicht gerne oder mit Lust, aber man muss den Realitäten ins Auge sehen“, so der Dekan, denn bislang lief die Suche nach einem Investor oder Nutzer erfolglos.
Kirche in Mannheim sucht nach Investor für die Thomaskirche - ohne Erfolg
Im Juni 2024 hatte das Dekanat dazu aufgerufen, dass sich mögliche Interessenten melden sollen. „Es gab einige Interessenten“, berichtet Hartmann. „Aber nachdem sie sich dort umgesehen hatten, war es das.“ Die Evangelische Kirche hatte eine Frist bis Frühjahr 2025 gesetzt, sie auch nochmal verlängert – aber ohne Ergebnis.
Gebaut wurde die Thomaskirche 1949/50 nach Plänen von Christian Schrade, der auch die Christuskirche entwarf. Es war der erste neue Sakralbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber die Kirche steht seit 2009 leer, als zwei heftige Rohrbrüche einen großen Wasserschaden anrichteten. Die Thomasgemeinde hält ihre Gottesdienste längst in der St. Pius-Kirche ab, die zu Mannheims erster Ökumenekirche geworden ist und wo auch die Glocken der Thomaskirche sowie andere sakrale Gegenstände integriert worden sind.
Thomaskirche in Mannheim: Rohrbrüche, ein Riss und Schäden am Fundament
2015 gab es die Idee, aus der Kirche ein Tagungs- und Fortbildungszentrum für das Büro- und Gewerbegebiet Eastsite zu machen, allerdings ist der Investor 2019 vom Erbbaurechtsvertrag zurückgetreten. „Seither suchen wir intensiv eine Nachnutzung“, so Hartmann, doch vergeblich.
Die Kirche steht leer und gammelt vor sich hin. Inzwischen gab es mehrfach Einbruchversuche. Außer den Folgen der Rohrbrüche gibt es noch Schäden am Fundament. Ein sehr großer Riss zieht sich zudem, von innen wie an der Fassade sichtbar, durch das Gebäude. Die Böden sind, soweit nicht ohnehin im Zuge des Wasserschadens entfernt, marode. Allein für eine Stabilisierung des Fundaments werden laut dem Bauexperten des Dekanats 250.000 bis 400.000 Euro fällig.
Die gesamten Sanierungskosten nur „für Dach und Fach“, wie Fachleute sagen, werden Stand 2022 auf etwa 1,2 bis 1,5 Millionen Euro beziffert, derzeit schon auf 1,6 Millionen Euro – ohne neue Innenausstattung. Dem stehe nach einem Gutachten von 2022 ein Verkehrswert für Gebäude und Freifläche von 650.000 Euro entgegen.
Lange hatte Hartmann gehofft, dass sich noch ein möglicher Investor findet. Denkbar seien indes nur Erbpachtlösungen, denn ein Grundstück gebe die Kirche grundsätzlich nicht ab, zumal direkt nebenan mit dem Thomascaree ein evangelisches Seniorenheim liegt.
Initiative sammelt Unterschriften für den Erhalt der Thomaskirche in Mannheim-Neuostheim
Volker Keller, bekannt als zweiter Vorsitzender vom Verein Stadtbild, der in Neuostheim wohnt, hat privat eine Unterschriftensammlung für den Erhalt des Gotteshauses initiiert. 945 Signaturen kamen zusammen und wurden dem Dekan übergeben, wobei die Sammlung weitergeht. Mit Ursula Ascheberg, Helga Erbacher, Bettina Franke, Jochen Haas, Liselotte Homering und Barbara Reetz bildet er die Initiativgruppe Thomaskirche.
Diese ist der Überzeugung, „dass ein Abriss einen unersetzlichen Verlust für das Mannheimer Stadtbild sowie das Auslöschen eines wichtigen Teils der Geschichte und Kultur des Stadtteils bedeuten würde“. Die Thomaskirche sei eines der wenigen Kulturdenkmäler von Neuostheim. „Das ästhetisch ansprechende Gebäude prägt bis heute das Stadtbild“, so Keller. Auch die Geschichte der Protestanten in Neuostheim wäre nach einem Abriss nirgendwo mehr öffentlich sichtbar, beklagt die Gruppe.
Initiative schlägt Gastronomie und Vermietung als Lösung für die Thomaskirche vor
Sie schlägt eine privatwirtschaftliche Nutzung einschließlich Gastronomie vor, aber auch eine Vermietung für soziale und kulturelle Projekte, Bildungsangebote, Tagungen, Konferenzen, Familienfeiern, Lesungen, Kammerkonzerte, Literaturcafé, Ausstellungen, Kabarett, Veranstaltungen von Schulen, Hochschulen und Neuostheimer Unternehmen vor. „Die Erhaltung des entwidmeten Kirchengebäudes und seine Umnutzung zu sozialen, kulturellen oder kommerziellen Zwecken würde eine beträchtliche Aufwertung des Stadtteils Neuostheim schaffen“, ist die Gruppe überzeugt.
Sie habe auch Gespräche und Kirchenbesichtigungen mit zahlreichen Interessenten durchgeführt, potentielle Investoren angeschrieben. Weiterführende konkrete Vorhaben hätten sich da aber bisher noch nicht ergeben, bedauert Keller. Nach seiner Meinung liegt das an den Verkaufsbedingungen der Evangelischen Kirche, die Grundstücke nur in Erbpacht vergibt. Diese Einschränkung sei „ein erhebliches Hindernis“, so Keller. Um die Chance einer Investition zu erhöhen, solle die Kirche zumindest die Höhe des Erbpachtzinses herabsenken und „möglichen künftigen Nutzern mit ihren Verkaufs- und Mietbedingungen offen entgegenkommen“.
Laut Hartmann weicht die Kirche von der Vorgabe, nie über Generationen hinweg gehaltenes eigenes Land ganz abzugeben, jedoch nicht ab. Sollte es zu einem Abriss kommen, bedeute dies indes nicht, dass dann die Geschichte der Protestanten in Neuostheim nicht mehr verortbar sein werde. „Natürlich ist eine Erinnerung wichtig, und da kümmern wir uns darum“, etwa in Form einer Gedenktafel, versichert er. Dass das Gebäude selbst zu halten ist, glaubt er indes nicht.
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