Jungbusch

Haus Bethanien in Mannheim: „Alle bringen ein Schicksal mit“

Im Haus Bethanien in Mannheim leben viele Menschen, die das Schicksal schwer gebeutelt hat, berichtet Einrichtungsleiterin Marie-Louise Uhrig und erzählt, wie der Verein hilft.

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Das Foto zeigt eine Tagesstrukturgruppe, der sogenannte Gentleman-Club. © Haus Bethanien

Mannheim. „Wir nehmen Menschen auf, die durch alle Raster fallen“, umschreibt Marie-Louise Uhrig als Einrichtungsleiterin die Zielgruppe des Hauses Bethanien im Jungbusch. Die Sozialpädagogin meint damit auch Männer wie Frauen, die es nicht schaffen, vom Alkohol loszukommen und deshalb nirgends unterkommen.

Das 1955 vom Verein zur Überwindung der Suchtgefahren eröffnete Männer-Wohnheim hat sich in 70 Jahren zu einem Ort der Unterstützung und des Neubeginns gewandelt. Für viele ist es obendrein ein Zuhause auf Zeit, manchmal auch für den letzten Lebensabschnitt. „Und alle bringen ein Schicksal mit“, weiß Geschäftsführer Johann Wagner.

Haus Bethanien in Mannheim: „Hauseltern“ zogen mit ihren Kindern in das Wohnheim

Rückblick: Ein Volksmissionar übernahm den Auftrag, für die Innere Mission Baden die erste evangelische Beratungsstelle für Suchtkranke aufzubauen. Dazu kam ein Männer-Wohnheim im Hintergebäude des kriegszerstörten Diakonissen-Mutterhauses in F 7. Der Umzug in das Anwesen in der Kirchenstraße 6, wo davor die Einkaufsgenossenschaft Deutscher Drogisten ihren Sitz hatte, erfolgte 1961. Ein Kraftakt, dessen Finanzierung in der Chronik als „abenteuerlich“ bezeichnet wird.

Im Rahmen des 70-jährigen Bestehens des Hauses Bethanien in Mannheim hat Oberbürgermeister Christian Specht dem traditionsreichen sozialen Zentrum eine besondere Geste der Wertschätzung überreicht. Beim Festakt im Rahmen des Jubiläums übergab der Oberbürgermeister eine prächtige Hortensie an Haus Bethanien. Die Pflanze wurde danach mit Geschäftsführer Johann Wagner im Garten des Hauses eingepflanzt © Stadt Mannheim

Volksmissionar Karl Alexander und seine Frau zogen wie damals üblich als „Hauseltern“ samt Kinder in das Wohnheim mit den Viel-Bett-Zimmern für hundert Männer ein. Entlassene Strafgefangene gehörten inzwischen dazu - was bis heute gilt. Mit dem Zukauf des Nachbargebäudes begannen schrittweise Umbau und Sanierung. Knapp zwei Jahrzehnte später sollte das über einen Innenhof verbundene, ziemlich heruntergekommene Haus in der Jungbuschstraße 9 dazu gekauft werden.

Mannheimer Haus Bethanien hatte damals viele Hafen-Tagelöhner unter den Bewohnern

Mit dem anfänglichen Wohnheim für Männer, darunter einst viele Hafen-Tagelöhner, hat das heutige Haus Bethanien nicht mehr allzu viel gemeinsam, weder baulich noch konzeptionell. Geblieben ist jedoch der christliche Geist. Längst sind Einzelzimmer so selbstverständlich wie Räume für Tagesstruktur.

Vermehrt wohnen hier Menschen mit psychischen Leiden. „Chronische Erkrankungen aus dem schizophren Formenkreis, Persönlichkeitsstörungen, Depressionen. Zu uns kommen Männer und Frauen mit allen möglichen Diagnosen“, schildert Marie-Louise Uhrig.

Von links: Nathalie Jacobi, Gerhard Fontagnier, Marie-Louise Uhrig, Richard Brox und Thorsten Riehle im Innenhof des Hauses Bethanien © Katja Geiler

Dass es inzwischen auch Bewohnerinnen gibt, hat eine besondere Geschichte: 2008 vermochte eine krebskranke Frau sich nicht länger auf der Straße durchzuschlagen. „Im Haus Bethanien erlebte sie auf ihrer letzten Wegstrecke noch einmal ein Stück Heimat“, heißt es in der Chronik. Inzwischen werden von den 81 Plätzen ein Dutzend räumlich abgetrennt für Frauen vorgehalten. 2016 entstand in einem sanierungsbedürftigen Gebäudeteil - inzwischen ein Schmuckstück – eine gesonderte Wohnung.

Bei uns sollen die Menschen erst einmal ein Zuhause haben, sich wertgeschätzt fühlen.
Marie-Louise Uhrig Einrichtungsleiterin Haus Bethanien

Der einstige Rosengarten-Chef Johann Wagner, der als Pensionär zu seinen beruflichen Wurzeln als studierter Sozialarbeiter zurückfand und bei der Diakonie-Einrichtung als geschäftsführender Vorstand wirkt, kennt inzwischen die von Brüchen geprägten Biografien. Die Gründe, warum Menschen auf der Straße gelandet waren, sind vielfältig. Mal warf der Verlust der Arbeit oder eine Scheidung aus der Bahn. Dann wieder waren Familien mit der psychischen Erkrankung eines Angehörigen und dessen Abdriften in eine Wahn-Welt überfordert.

Andere sind nach einem Schicksalsschlag in ein Loch gefallen, aus dem sie nicht mehr herausfanden. Und wenn Alkohol den Alltag zu bestimmen begann, war häufig nicht mehr klar, ob dieser den Job gekostet oder ob sich die Abhängigkeit in der Krise danach entwickelt hatte. Und Frauen verdrängten häufig jahrelang eine „toxische Beziehung“, wie es Marie-Louise Uhrig formuliert, weil sie Obdachlosigkeit fürchteten. So unterschiedlich Lebenswege verlaufen sein mögen: Einsamkeit hat den meisten zugesetzt.

Einrichtungsleiterin betont: Haus Bethanien ist kein Pflegeheim

„Bei uns sollen die Menschen erst einmal ein Zuhause haben, sich wertgeschätzt fühlen“, betont die Einrichtungsleiterin und ergänzt: „Man kann aber auch für sich bleiben.“ Denn so manche, die lange in einem Gespinst von Isolation und Misstrauen gelebt haben, fühlten sich von Gemeinschaft oder gar Nähe zunächst bedrängt. „Die Zimmer respektieren wir als Privatsphäre“, erklärt Marie-Louise Uhrig. Und deshalb werde niemand genötigt, dort chaotische Unordnung zu beseitigen. „Aber wir handeln jeweils aus, wie viel Sauberkeit eingehalten werden muss.“ Schließlich gelte es (wieder) zu erlernen, wie viel Reinlichkeit zum Miteinander gehört - Körperpflege eingeschlossen.

Haus Bethanien

Als „Einrichtung für Frauen und Männer, die momentan oder dauerhaft nicht selbstständig wohnen können“, definiert sich das selbstständige Haus Bethanien (Jungbusch Kirchenstraße) als Teil der Diakonie in Mannheim .

Der vor 70 Jahren gegründete gemeinnützige Verein , der inzwischen „ Haus Bethanien“ heißt, unterhält stationäre, teilstationäre und ambulante Angebote für Menschen mit Suchtproblemen, psychischen Erkrankungen oder besonderen sozialen Schwierigkeiten.

Der Leitsatz lautet: „Hoffnung stärken – Wege finden“ . Gemeinsam wird ein individueller Plan für die Hilfe und ein Wochenplan für die Tagesstruktur aufgestellt.

Neben dem hauptamtlichen Vorstand gibt es einen Verwaltungsrat , derzeit mit dem Vorsitzenden Claudius Kranz und Ulrich Nellen als Stellevertreter. wam

Auch wenn das Haus Wohnen, Vollverpflegung, Wäschepflege und den Service Medikamentenrichten bietet - „wir sind kein Pflegeheim“, erklärt die leitende Sozialpädagogin, die sich mit einem 50-köpfigen Team um Menschen kümmert, die irgendwann aus ihrem Leben katapultiert wurden oder nie den Weg in einen eigenständigen Alltag fanden.

Zum Konzept gehört: Für jeden und jede gibt es eine Bezugsperson. In der arbeitstherapeutischen Holzwerkstatt geht es darum, manuelle Fähigkeiten und Konzentration zu trainieren. Zu den niederschwelligen Angeboten gehören Gesprächsgruppen. Und weil das „Ladies-Café“ so gut ankam, haben die Männer einen „Gentlemen-Club“ gegründet. Ob geplaudert oder Musik gehört wird, im Mittelpunkt steht das Gemeinschaftserlebnis.

Freie Autorin

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