Mannheim. „Ein unglaublicher Anblick!“, staunt Oberbürgermeister Christian Specht angesichts der überfüllten Jesuitenkirche. Nicht nur alle Bänke und Emporen sind besetzt, zudem sitzen viele Menschen auf den Marmorstufen der Seitenaltäre oder stehen. „Du hast gerufen, alle sind sie gekommen“, wendet er sich an den katholischen Dekan Karl Jung. Mit einer festlichen Eucharistiefeier ist der 66-Jährige bereits jetzt verabschiedet worden, obwohl er erst zum Jahresende in den Ruhestand geht. Damit endet auch die 123 Jahre währende Geschichte des Stadtdekanats Mannheim, das aufgelöst wird.
Statt aus 26 Dekanaten mit etwa 1000 Pfarreien in 224 Seelsorgeeinheiten besteht die Erzdiözese Freiburg ab 2026 nur noch aus 36 Großpfarreien, an deren Spitze ein Leitender Pfarrer steht - in Mannheim künftig Lukas Gocker. Überall im Erzbistum gibt es daher derzeit Abschiedsgottesdienste, zum Leidwesen vieler Gläubigen und Akteure lange vor dem tatsächlichen Abschied.
Er wisse auch um die Bedenken, dass mit man der Strukturreform „über das Ziel hinausgeschossen“ sei, räumt Generalvikar Christoph Neubrand in seiner Predigt ein. Und er bestreite nicht, dass es das Ende bislang bewährter Strukturen bedeute. „Aber bei all dem, was wir vermissen“ gelte es doch, sich nun einzulassen auf Neues, wirbt er bei der Gemeinschaft der Glaubenden, wie er formuliert, um Verständnis für die notwendige Reform.
Mannheimer Oberbürgermeister Specht über Jung: „Nahbar, humorvoll und engagiert – ein echtes Bloomaul“
Auf Karl Jung und seine Verdienste geht er nur kurz ein. Er habe zwei Jahrzehnte für die Kirche in Mannheim „eine besondere Rolle“ gespielt und in die Gemeinschaft gewirkt, bescheinigt Neubrand dem scheidenden Dekan. Daher seien viele Menschen da, die ihren Dank ausdrücken wollten. Dabei habe es „auch Momente gegeben, bei denen wir Spannungen miteinander aushalten mussten“, so Neubrand zu Karl Jungs Verhältnis zum Ordinariat.
„In besonderer Weise eingebracht“ habe sich Jung beim Deutschen Katholikentag 2012 in Mannheim, der Präsenz der Kirchen auf der Bundesgartenschau 2023 und beim Miteinander der Religionen. Mit dem Dank an Jung verbinde er den Dank an alle, die mit ihm haupt- und ehrenamtlich gestaltend unterwegs gewesen seien, drückt Neubrand ihm „ein herzliches Vergelt‘s Gott“ aus.
Echte Herzlichkeit und Wehmut sind dann sehr viel stärker in den Grußworten zu spüren, die Dekanatsreferent Matthias Leis moderiert. Leis drückt auch im Namen der Mitarbeiter tiefe Dankbarkeit aus, spricht von Mut, Verantwortungsbewusstsein, einem stets offenen Ohr und „wunderbare Wegbegleitung“, welche die Zusammenarbeit mit Karl Jung geprägt habe.
„Organisationen und Strukturen ändern sich, aber was bleibt sind Persönlichkeiten, Vorbilder und Menschen“, sagt Oberbürgermeister Christian Specht. Er ist es, der die 38-jährige priesterliche Laufbahn von Jung Revue passieren lässt. Specht charakterisiert Jung als „weltoffen, herzlich, mit zupackendem Engagement und tiefer Verbundenheit mit der Stadt“. Nicht ohne Grund sei er bereits 2010, nach nur fünf Jahren als Dekan, mit dem Bloomaulorden als höchster bürgerschaftlicher Auszeichnung geehrt worden.
Jung sei „nahbar, humorvoll und engagiert, eben ein echtes Bloomaul“, aber auch ein guter Seelsorger, unermüdlicher Brückenbauer und stark präsent in der Stadtgesellschaft gewesen. Ausdrücklich hebt Specht die Verdienste von Jung um den Deutschen Katholikentag, die ökumenische Präsenz auf der Bundesgartenschau, aber auch um die sozialen Aufgaben der Kirche hervor. „Dein Wirken geht tief in die Stadtgesellschaft hinein“, so Specht: „Mannheim hat Dir viel zu verdanken, Du bist vielen ein guter Freund geworden!“
Das bekräftigt der evangelische Dekan Ralph Hartmann. Er zieht bereits mit den Konzelebranten mit zum Gottesdienst ein, steht mit am Altar, steuert eine Lesung und eine Fürbitte bei – und symbolisiert so überaus deutlich das ökumenische Miteinander, für das er Jung herzlich dankt, weil es „so wunderbar und einfach war“. „Es ist uns gelungen, mit einer christlichen Stimme zu sprechen“, so Hartmann. Ökumene sei bei Jung „eine Haltung“ gewesen, betont er.
Dekan Jung aus Mannheim bleibt „Hilfsgeistlicher“ und „in Rufweite“
Caritas-Vorstandsvorsitzende Regina Hertlein hebt hervor, dass Caritas und Kirche bei Jung „untrennbar verbunden“ gewesen sei. Nicht als Pflichtübung, sondern „mit vollem Herzen und Überzeugung“ habe er in den Gremien mitgewirkt, sei er stets für Mitarbeiter und Heimbewohner dagewesen. Und sie spricht an, dass Jung zu den fortschrittlichen Kräften der Kirche gehört habe. „Wenn es nach Dir geht, werden Frauen geweiht und das Pflichtzölibat fällt“, sagt sie unter kräftigem Applaus der etwa tausend Gottesdienstbesucher.
Dekanatsratsvorsitzender Hansheinrich Beha als Vertreter aller Ehrenamtlichen drückt sein Bedauern aus, dass Jung „nicht noch ein paar Jahre mehr“ an der Spitze der Mannheimer Katholiken steht. „Man hat Dich fast ausgebeutet“, spricht er die zuletzt im Zuge des Abschieds vieler Pfarrer ihm zusätzlich übertragenen Aufgaben an. Doch neben vielen Verwaltungs- und pastoralen Aufgaben sei Jung „immer für die Menschen dagewesen, eine Identifikationsfigur mit hoher Menschenfreundlichkeit und Volkstümlichkeit“, so Beha. Mit großem Dank für, so Beha, „hervorragende Leistungen“ überreicht er Jung die Prälat-Bauer-Medaille, die höchste Auszeichnung des Stadtdekanats.
„Für mich eine ganz große Ehre“, reagiert Jung gerührt. Er verspricht, in Mannheim zu bleiben und sich weiter in der Caritas einzubringen. Nach einigen Monaten Pause sei er auch offiziell als Subsidiar der neuen Pfarrei tätig – ein Begriff, der für „Hilfsgeistlicher“ stehe. Man könne auch Dekan i.R. zu ihm sagen – „in Rufweite“, wie er sagt: „Ich werde da sein!“
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